im Sinne hatten; die Erfahrung aber lehrt, daß alle, die sich an so Etwas gewagt ha- ben, getäuscht wurden. Zuweilen können dergleichen Prophezeiungen nützlich seyn, dem Pöbel, wie man es nennt, durch einen frommen Betrug, Muth zu machen; bei Verständigen aber haben sie so wenigen Werth, daß sie vielmehr dem Ansehen und dem guten Ruf des Propheten Nachtheil bringen, indem sie keinen gründlichen Be- weis zulassen, ohne welchen doch ein red- licher Mann, der seine Pflicht verstehet, nicht so leicht etwas behauptet. Gewisser möchte ich, fährt er fort, das voraussagen, daß, wenn in Deutschland die Dinge nicht besser gemacht werden, * * einen längern Widerstand leisten werde, als wir uns einbil- den. Wir Deutschen brauchen unsre Kräfte nicht gnug. -- -- Statt also uns mit schmeichelnden Prophezeiungen einzuschlä-
im Sinne hatten; die Erfahrung aber lehrt, daß alle, die ſich an ſo Etwas gewagt ha- ben, getaͤuſcht wurden. Zuweilen koͤnnen dergleichen Prophezeiungen nuͤtzlich ſeyn, dem Poͤbel, wie man es nennt, durch einen frommen Betrug, Muth zu machen; bei Verſtaͤndigen aber haben ſie ſo wenigen Werth, daß ſie vielmehr dem Anſehen und dem guten Ruf des Propheten Nachtheil bringen, indem ſie keinen gruͤndlichen Be- weis zulaſſen, ohne welchen doch ein red- licher Mann, der ſeine Pflicht verſtehet, nicht ſo leicht etwas behauptet. Gewiſſer moͤchte ich, faͤhrt er fort, das vorausſagen, daß, wenn in Deutſchland die Dinge nicht beſſer gemacht werden, * * einen laͤngern Widerſtand leiſten werde, als wir uns einbil- den. Wir Deutſchen brauchen unſre Kraͤfte nicht gnug. — — Statt alſo uns mit ſchmeichelnden Prophezeiungen einzuſchlaͤ-
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im Sinne hatten; die Erfahrung aber lehrt,
daß alle, die ſich an ſo Etwas gewagt ha-
ben, getaͤuſcht wurden. Zuweilen koͤnnen
dergleichen Prophezeiungen nuͤtzlich ſeyn,
dem Poͤbel, wie man es nennt, durch einen
frommen Betrug, Muth zu machen; bei
Verſtaͤndigen aber haben ſie ſo wenigen
Werth, daß ſie vielmehr dem Anſehen und
dem guten Ruf des Propheten Nachtheil
bringen, indem ſie keinen gruͤndlichen Be-
weis zulaſſen, ohne welchen doch ein red-
licher Mann, der ſeine Pflicht verſtehet,
nicht ſo leicht etwas behauptet. Gewiſſer
moͤchte ich, faͤhrt er fort, das vorausſagen,
daß, wenn in Deutſchland die Dinge nicht
beſſer gemacht werden, * * einen laͤngern
Widerſtand leiſten werde, als wir uns einbil-
den. Wir Deutſchen brauchen unſre Kraͤfte
nicht gnug. — — Statt alſo uns mit
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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 5. Riga, 1795, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet05_1795/184>, abgerufen am 05.06.2023.
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