schreibet oder handelt, zu bezeichnen scheinet. Es giebt ein reales und idea- les Publicum; jenes, das gegenwärtig um uns ist, und uns seine Stimme wo nicht zukommen läßt, so doch zukommen lassen kann; das ideale Publicum ist zu- weilen so zerstreut, so verbreitet, daß kein Lüftchen uns aus der Entfernung oder aus der Nachwelt, den Laut seiner Ge- danken zuführen mag. Bei jeder Gattung des Publicums aber denket man sich ein verständiges, moralisches Wesen, das an unsern Gedanken, an unserm Vortrage, an unsern Handlungen Theil nimmt, ihren Werth und Unwerth zu schä- tzen vermag, das billiget oder mißbilliget, das wir also auch zu unterrichten, eines Bessern zu belehren, in Ansehung seines Geschmacks zu bilden und fortzubilden uns unterfangen dürfen. Wir muntern es auf,
ſchreibet oder handelt, zu bezeichnen ſcheinet. Es giebt ein reales und idea- les Publicum; jenes, das gegenwaͤrtig um uns iſt, und uns ſeine Stimme wo nicht zukommen laͤßt, ſo doch zukommen laſſen kann; das ideale Publicum iſt zu- weilen ſo zerſtreut, ſo verbreitet, daß kein Luͤftchen uns aus der Entfernung oder aus der Nachwelt, den Laut ſeiner Ge- danken zufuͤhren mag. Bei jeder Gattung des Publicums aber denket man ſich ein verſtaͤndiges, moraliſches Weſen, das an unſern Gedanken, an unſerm Vortrage, an unſern Handlungen Theil nimmt, ihren Werth und Unwerth zu ſchaͤ- tzen vermag, das billiget oder mißbilliget, das wir alſo auch zu unterrichten, eines Beſſern zu belehren, in Anſehung ſeines Geſchmacks zu bilden und fortzubilden uns unterfangen duͤrfen. Wir muntern es auf,
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[53/0068]
ſchreibet oder handelt, zu bezeichnen
ſcheinet. Es giebt ein reales und idea-
les Publicum; jenes, das gegenwaͤrtig
um uns iſt, und uns ſeine Stimme wo
nicht zukommen laͤßt, ſo doch zukommen
laſſen kann; das ideale Publicum iſt zu-
weilen ſo zerſtreut, ſo verbreitet, daß kein
Luͤftchen uns aus der Entfernung oder
aus der Nachwelt, den Laut ſeiner Ge-
danken zufuͤhren mag. Bei jeder Gattung
des Publicums aber denket man ſich ein
verſtaͤndiges, moraliſches Weſen,
das an unſern Gedanken, an unſerm
Vortrage, an unſern Handlungen Theil
nimmt, ihren Werth und Unwerth zu ſchaͤ-
tzen vermag, das billiget oder mißbilliget,
das wir alſo auch zu unterrichten, eines
Beſſern zu belehren, in Anſehung ſeines
Geſchmacks zu bilden und fortzubilden uns
unterfangen duͤrfen. Wir muntern es auf,
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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 5. Riga, 1795, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet05_1795/68>, abgerufen am 29.05.2023.
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