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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 7. Riga, 1796.

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von Bildern und Empfindungen durch
Worte und Töne darzustellen und zwar
also dazustellen, daß auch ihre Folge spre-
chend, daß ihre Veränderung in Licht
und Farben
bis zum Kleinsten empfun-
den oder bemerkt werde; diese Versuche,
in einer gegebnen langen Zeit zu Meister-
werken der poetischen Kunst erhöhet,
von einer Nation, der die Kunst Natur,
der Geschmack am Schönen Charakter
gewesen zu seyn scheinet, werden ihres
gleichen schwerlich in Zeiten finden, die
Ihre angeführte Hymnen eingeläutet haben.

Nichts ist von zarterem Wesen, als der
ächte Natur- und Kunstgeschmack.
Durch Frömmigkeit und Andacht, selbst
durch Gelehrsamkeit und Fleiß läßt er sich
nicht erlangen; er ist eine himmlische Gra-
zie, die auf unsrer Erde nur hie und da,
dann und wann erscheinet. Sie kann eben

von Bildern und Empfindungen durch
Worte und Toͤne darzuſtellen und zwar
alſo dazuſtellen, daß auch ihre Folge ſpre-
chend, daß ihre Veraͤnderung in Licht
und Farben
bis zum Kleinſten empfun-
den oder bemerkt werde; dieſe Verſuche,
in einer gegebnen langen Zeit zu Meiſter-
werken der poetiſchen Kunſt erhoͤhet,
von einer Nation, der die Kunſt Natur,
der Geſchmack am Schoͤnen Charakter
geweſen zu ſeyn ſcheinet, werden ihres
gleichen ſchwerlich in Zeiten finden, die
Ihre angefuͤhrte Hymnen eingelaͤutet haben.

Nichts iſt von zarterem Weſen, als der
aͤchte Natur- und Kunſtgeſchmack.
Durch Froͤmmigkeit und Andacht, ſelbſt
durch Gelehrſamkeit und Fleiß laͤßt er ſich
nicht erlangen; er iſt eine himmliſche Gra-
zie, die auf unſrer Erde nur hie und da,
dann und wann erſcheinet. Sie kann eben

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[53/0070] von Bildern und Empfindungen durch Worte und Toͤne darzuſtellen und zwar alſo dazuſtellen, daß auch ihre Folge ſpre- chend, daß ihre Veraͤnderung in Licht und Farben bis zum Kleinſten empfun- den oder bemerkt werde; dieſe Verſuche, in einer gegebnen langen Zeit zu Meiſter- werken der poetiſchen Kunſt erhoͤhet, von einer Nation, der die Kunſt Natur, der Geſchmack am Schoͤnen Charakter geweſen zu ſeyn ſcheinet, werden ihres gleichen ſchwerlich in Zeiten finden, die Ihre angefuͤhrte Hymnen eingelaͤutet haben. Nichts iſt von zarterem Weſen, als der aͤchte Natur- und Kunſtgeſchmack. Durch Froͤmmigkeit und Andacht, ſelbſt durch Gelehrſamkeit und Fleiß laͤßt er ſich nicht erlangen; er iſt eine himmliſche Gra- zie, die auf unſrer Erde nur hie und da, dann und wann erſcheinet. Sie kann eben

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 7. Riga, 1796, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet07_1796/70>, abgerufen am 25.04.2024.