Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 8. Riga, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

war, eben so gehen wir mit den Alten
um. Gar anders sitzt ein Mahler zu sei-
nem eignen Bilde."

"Da ich blos dem Geist der Alten nach-
spüre: so geht mich das Schulmeistergesicht
nichts an, womit die ** ihren Autor
Lesern und Zuhörern vereckeln. Ich will
sehr zufrieden seyn, wenn ich mein Grie-
chisch nur ungefähr so verstehe, wie Ueber-
bringer dieses seine Muttersprache. Wer
die Alten ohne die Natur zu kennen stu-
dirt, lieset Noten ohne Text, und an Pe-
trons Ausgabe in groß Quart über ein
klein Fragment sich wenigstens zu einem
Doctor. Wer kein Fell überm Auge hat,
für den hat Homer keine Decke. Wer
aber den hellen Tag noch nie gesehen, an
dem werden weder Didymus noch Eu-
stathius Wunder thun. -- -- Der Zorn
benimmt mir alle Ueberlegung, wenn ich

daran

war, eben ſo gehen wir mit den Alten
um. Gar anders ſitzt ein Mahler zu ſei-
nem eignen Bilde.“

„Da ich blos dem Geiſt der Alten nach-
ſpuͤre: ſo geht mich das Schulmeiſtergeſicht
nichts an, womit die ** ihren Autor
Leſern und Zuhoͤrern vereckeln. Ich will
ſehr zufrieden ſeyn, wenn ich mein Grie-
chiſch nur ungefaͤhr ſo verſtehe, wie Ueber-
bringer dieſes ſeine Mutterſprache. Wer
die Alten ohne die Natur zu kennen ſtu-
dirt, lieſet Noten ohne Text, und an Pe-
trons Ausgabe in groß Quart uͤber ein
klein Fragment ſich wenigſtens zu einem
Doctor. Wer kein Fell uͤberm Auge hat,
fuͤr den hat Homer keine Decke. Wer
aber den hellen Tag noch nie geſehen, an
dem werden weder Didymus noch Eu-
ſtathius Wunder thun. — — Der Zorn
benimmt mir alle Ueberlegung, wenn ich

daran
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0051" n="32"/>
war, eben &#x017F;o gehen wir mit den Alten<lb/>
um. Gar anders &#x017F;itzt ein Mahler zu &#x017F;ei-<lb/>
nem eignen Bilde.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Da ich blos dem Gei&#x017F;t der Alten nach-<lb/>
&#x017F;pu&#x0364;re: &#x017F;o geht mich das Schulmei&#x017F;terge&#x017F;icht<lb/>
nichts an, womit die ** ihren Autor<lb/>
Le&#x017F;ern und Zuho&#x0364;rern vereckeln. Ich will<lb/>
&#x017F;ehr zufrieden &#x017F;eyn, wenn ich mein Grie-<lb/>
chi&#x017F;ch nur ungefa&#x0364;hr &#x017F;o ver&#x017F;tehe, wie Ueber-<lb/>
bringer die&#x017F;es &#x017F;eine Mutter&#x017F;prache. Wer<lb/>
die Alten ohne die <hi rendition="#g">Natur</hi> zu kennen &#x017F;tu-<lb/>
dirt, lie&#x017F;et Noten ohne Text, und an <hi rendition="#g">Pe</hi>-<lb/><hi rendition="#g">trons</hi> Ausgabe in groß Quart u&#x0364;ber ein<lb/>
klein Fragment &#x017F;ich wenig&#x017F;tens zu einem<lb/>
Doctor. Wer kein Fell u&#x0364;berm Auge hat,<lb/>
fu&#x0364;r den hat <hi rendition="#g">Homer</hi> keine Decke. Wer<lb/>
aber den hellen Tag noch nie ge&#x017F;ehen, an<lb/>
dem werden weder <hi rendition="#g">Didymus</hi> noch <hi rendition="#g">Eu</hi>-<lb/><hi rendition="#g">&#x017F;tathius</hi> Wunder thun. &#x2014; &#x2014; Der Zorn<lb/>
benimmt mir alle Ueberlegung, wenn ich<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">daran</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[32/0051] war, eben ſo gehen wir mit den Alten um. Gar anders ſitzt ein Mahler zu ſei- nem eignen Bilde.“ „Da ich blos dem Geiſt der Alten nach- ſpuͤre: ſo geht mich das Schulmeiſtergeſicht nichts an, womit die ** ihren Autor Leſern und Zuhoͤrern vereckeln. Ich will ſehr zufrieden ſeyn, wenn ich mein Grie- chiſch nur ungefaͤhr ſo verſtehe, wie Ueber- bringer dieſes ſeine Mutterſprache. Wer die Alten ohne die Natur zu kennen ſtu- dirt, lieſet Noten ohne Text, und an Pe- trons Ausgabe in groß Quart uͤber ein klein Fragment ſich wenigſtens zu einem Doctor. Wer kein Fell uͤberm Auge hat, fuͤr den hat Homer keine Decke. Wer aber den hellen Tag noch nie geſehen, an dem werden weder Didymus noch Eu- ſtathius Wunder thun. — — Der Zorn benimmt mir alle Ueberlegung, wenn ich daran

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet08_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet08_1796/51
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 8. Riga, 1796, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet08_1796/51>, abgerufen am 18.04.2024.