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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 1. Riga, 1767.

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sche Schriftsteller unserer Nation, der sie mit
der Schönheit des Stils vermält haben soll:
der Verfasser der Philosophischen
Schriften.
* Ja er ists, der seine Welt-
weisheit in ein Licht der Deutlichkeit zu stel-
len weiß; als hätte es die Muse selbst gesagt:
er denkt da, wo andere sich begnügen, Schön-
heiten zu empfinden: er hat unter den Deut-
schen die Critik der schönen Wissenschaften
ausgebreitet, die Baumgarten in Absicht
der Lateinischen Schriftsteller so vorzüglich
bewies; und --

Jch fühle es doch bei seinen Philosophi-
schen Schriften manchmal, was er selbst
fühlte: "ich bekenne es, daß sich zu blos spe-
"kulativen Untersuchungen kein Vortrag bes-
"ser schickt, als der strenge Systematische. Jch
"trauete mir aber das Vermögen und die Fer-
"tigkeit nicht zu, meine Gedanken beständig
"an eine so strenge Ordnung zu kehren."
Man hat ihm hierüber, als über ein Kompli-
ment, Gegenkomplimente gemacht; allein wenn
Moses unter dem Systematischen Vortrage

mehr
* Th. 23. p. 59.

ſche Schriftſteller unſerer Nation, der ſie mit
der Schoͤnheit des Stils vermaͤlt haben ſoll:
der Verfaſſer der Philoſophiſchen
Schriften.
* Ja er iſts, der ſeine Welt-
weisheit in ein Licht der Deutlichkeit zu ſtel-
len weiß; als haͤtte es die Muſe ſelbſt geſagt:
er denkt da, wo andere ſich begnuͤgen, Schoͤn-
heiten zu empfinden: er hat unter den Deut-
ſchen die Critik der ſchoͤnen Wiſſenſchaften
ausgebreitet, die Baumgarten in Abſicht
der Lateiniſchen Schriftſteller ſo vorzuͤglich
bewies; und —

Jch fuͤhle es doch bei ſeinen Philoſophi-
ſchen Schriften manchmal, was er ſelbſt
fuͤhlte: „ich bekenne es, daß ſich zu blos ſpe-
„kulativen Unterſuchungen kein Vortrag beſ-
„ſer ſchickt, als der ſtrenge Syſtematiſche. Jch
„trauete mir aber das Vermoͤgen und die Fer-
„tigkeit nicht zu, meine Gedanken beſtaͤndig
„an eine ſo ſtrenge Ordnung zu kehren.„
Man hat ihm hieruͤber, als uͤber ein Kompli-
ment, Gegenkomplimente gemacht; allein wenn
Moſes unter dem Syſtematiſchen Vortrage

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* Th. 23. p. 59.
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[155/0159] ſche Schriftſteller unſerer Nation, der ſie mit der Schoͤnheit des Stils vermaͤlt haben ſoll: der Verfaſſer der Philoſophiſchen Schriften. * Ja er iſts, der ſeine Welt- weisheit in ein Licht der Deutlichkeit zu ſtel- len weiß; als haͤtte es die Muſe ſelbſt geſagt: er denkt da, wo andere ſich begnuͤgen, Schoͤn- heiten zu empfinden: er hat unter den Deut- ſchen die Critik der ſchoͤnen Wiſſenſchaften ausgebreitet, die Baumgarten in Abſicht der Lateiniſchen Schriftſteller ſo vorzuͤglich bewies; und — Jch fuͤhle es doch bei ſeinen Philoſophi- ſchen Schriften manchmal, was er ſelbſt fuͤhlte: „ich bekenne es, daß ſich zu blos ſpe- „kulativen Unterſuchungen kein Vortrag beſ- „ſer ſchickt, als der ſtrenge Syſtematiſche. Jch „trauete mir aber das Vermoͤgen und die Fer- „tigkeit nicht zu, meine Gedanken beſtaͤndig „an eine ſo ſtrenge Ordnung zu kehren.„ Man hat ihm hieruͤber, als uͤber ein Kompli- ment, Gegenkomplimente gemacht; allein wenn Moſes unter dem Syſtematiſchen Vortrage mehr * Th. 23. p. 59.

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 1. Riga, 1767, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur01_1767/159>, abgerufen am 30.04.2024.