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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 1. Riga, 1767.

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den höchsten Wohlklang: Wird sie Sprache
des sittlichen Volks: so bekommt sie mehr
Reichthum an Politischen Ausdrücken, allein
der hohe Wohlklang und das Bildervolle mil-
dert sich: Als Büchersprache wird sie rei-
cher an Begriffen; allein der Poetische Wohl-
klang wird Prose; das Bild wird Gleichniß:
die malenden klingenden Beiwörter verlie-
ren sich: Als Philosophische Sprache wird
sie bestimmt, aber arm; verliert Synonymen;
und Bilder und Wohlklang achtet sle nicht.
Dichterisch ist eine Sprache am vollkom-
mensten, ehe sie; und Philosophisch am voll-
kommensten, wenn sie blos geschrieben wird:
am brauchbarsten und bequemsten, wenn
sie gesprochen und geschrieben wird. Die An-
wendung auf die Deutsche Sprache macht
das 3te bis 5te und 8te Fragment.

"Es ist doch unstreitig, daß ausser den fünf
"Selbstlautern noch viele Zwischenlaute hät-
"ten angebracht werden können; so wie die
"vorhergehende und nachfolgende Bewegung
"der Redewerkzeuge zu solchen Lauten noch
"weit mannichfaltiger einzurichten wäre.)"
Nach der Bewegung der Redewerkzeuge ha-

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den hoͤchſten Wohlklang: Wird ſie Sprache
des ſittlichen Volks: ſo bekommt ſie mehr
Reichthum an Politiſchen Ausdruͤcken, allein
der hohe Wohlklang und das Bildervolle mil-
dert ſich: Als Buͤcherſprache wird ſie rei-
cher an Begriffen; allein der Poetiſche Wohl-
klang wird Proſe; das Bild wird Gleichniß:
die malenden klingenden Beiwoͤrter verlie-
ren ſich: Als Philoſophiſche Sprache wird
ſie beſtimmt, aber arm; verliert Synonymen;
und Bilder und Wohlklang achtet ſle nicht.
Dichteriſch iſt eine Sprache am vollkom-
menſten, ehe ſie; und Philoſophiſch am voll-
kommenſten, wenn ſie blos geſchrieben wird:
am brauchbarſten und bequemſten, wenn
ſie geſprochen und geſchrieben wird. Die An-
wendung auf die Deutſche Sprache macht
das 3te bis 5te und 8te Fragment.

„Es iſt doch unſtreitig, daß auſſer den fuͤnf
„Selbſtlautern noch viele Zwiſchenlaute haͤt-
„ten angebracht werden koͤnnen; ſo wie die
„vorhergehende und nachfolgende Bewegung
„der Redewerkzeuge zu ſolchen Lauten noch
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[165/0169] den hoͤchſten Wohlklang: Wird ſie Sprache des ſittlichen Volks: ſo bekommt ſie mehr Reichthum an Politiſchen Ausdruͤcken, allein der hohe Wohlklang und das Bildervolle mil- dert ſich: Als Buͤcherſprache wird ſie rei- cher an Begriffen; allein der Poetiſche Wohl- klang wird Proſe; das Bild wird Gleichniß: die malenden klingenden Beiwoͤrter verlie- ren ſich: Als Philoſophiſche Sprache wird ſie beſtimmt, aber arm; verliert Synonymen; und Bilder und Wohlklang achtet ſle nicht. Dichteriſch iſt eine Sprache am vollkom- menſten, ehe ſie; und Philoſophiſch am voll- kommenſten, wenn ſie blos geſchrieben wird: am brauchbarſten und bequemſten, wenn ſie geſprochen und geſchrieben wird. Die An- wendung auf die Deutſche Sprache macht das 3te bis 5te und 8te Fragment. „Es iſt doch unſtreitig, daß auſſer den fuͤnf „Selbſtlautern noch viele Zwiſchenlaute haͤt- „ten angebracht werden koͤnnen; ſo wie die „vorhergehende und nachfolgende Bewegung „der Redewerkzeuge zu ſolchen Lauten noch „weit mannichfaltiger einzurichten waͤre.)„ Nach der Bewegung der Redewerkzeuge ha- ben L 3

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 1. Riga, 1767, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur01_1767/169>, abgerufen am 30.04.2024.