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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 1. Riga, 1767.

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hafte Ausdrücke, die man beibehielt: sonst
wurde alles wässerich, und eben, durch eine
gedankenlose Schreibart, und durch schlechte
Uebersezzungen Französischer Bücher. Man
entmannete sie völlig, die schon durch den
Weisischen, Talandrischen, und Menantischen
Stil wenig Mannheit behalten hatte: man
machte so wohl die Jnversionen, als Jdiotis-
men der Schweizer lächerlich, statt sie zu prü-
fen: Kurz, diese Sekte hat sich der Deutschen
Sprache mit Willen der irrdischen, nicht aber
himmlischen Muse angenommen, und von
ihr gilts, was jener Griechische König auf ei-
nen schwindsüchtigen und doch gefräßigen
Bettler sagte:

Amphoterous adikeis, ton Ploutea, kai Phae-
thonta;
Ton men, et' eisoroon, ton de apoleipo-
menos.

"Beiden thust du Unrecht, dem Pluto, und
"Phaeton; diesem, daß du ihn noch anblickst;
"jenem, daß er dich noch nicht hat."

Man muß den Schweizern wirklich das
Recht lassen, daß sie den Kern der Deutschen
Sprache mehr unter sich erhalten haben. So

wie

hafte Ausdruͤcke, die man beibehielt: ſonſt
wurde alles waͤſſerich, und eben, durch eine
gedankenloſe Schreibart, und durch ſchlechte
Ueberſezzungen Franzoͤſiſcher Buͤcher. Man
entmannete ſie voͤllig, die ſchon durch den
Weiſiſchen, Talandriſchen, und Menantiſchen
Stil wenig Mannheit behalten hatte: man
machte ſo wohl die Jnverſionen, als Jdiotis-
men der Schweizer laͤcherlich, ſtatt ſie zu pruͤ-
fen: Kurz, dieſe Sekte hat ſich der Deutſchen
Sprache mit Willen der irrdiſchen, nicht aber
himmliſchen Muſe angenommen, und von
ihr gilts, was jener Griechiſche Koͤnig auf ei-
nen ſchwindſuͤchtigen und doch gefraͤßigen
Bettler ſagte:

Αμφοτερους αδικεις, τον Πλουτεα, και Φαε-
ϑοντα;
Τον μεν, ετ’ εισοροων, τον δε απολειπο-
μενος.

„Beiden thuſt du Unrecht, dem Pluto, und
„Phaeton; dieſem, daß du ihn noch anblickſt;
„jenem, daß er dich noch nicht hat.„

Man muß den Schweizern wirklich das
Recht laſſen, daß ſie den Kern der Deutſchen
Sprache mehr unter ſich erhalten haben. So

wie
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[47/0051] hafte Ausdruͤcke, die man beibehielt: ſonſt wurde alles waͤſſerich, und eben, durch eine gedankenloſe Schreibart, und durch ſchlechte Ueberſezzungen Franzoͤſiſcher Buͤcher. Man entmannete ſie voͤllig, die ſchon durch den Weiſiſchen, Talandriſchen, und Menantiſchen Stil wenig Mannheit behalten hatte: man machte ſo wohl die Jnverſionen, als Jdiotis- men der Schweizer laͤcherlich, ſtatt ſie zu pruͤ- fen: Kurz, dieſe Sekte hat ſich der Deutſchen Sprache mit Willen der irrdiſchen, nicht aber himmliſchen Muſe angenommen, und von ihr gilts, was jener Griechiſche Koͤnig auf ei- nen ſchwindſuͤchtigen und doch gefraͤßigen Bettler ſagte: Αμφοτερους αδικεις, τον Πλουτεα, και Φαε- ϑοντα; Τον μεν, ετ’ εισοροων, τον δε απολειπο- μενος. „Beiden thuſt du Unrecht, dem Pluto, und „Phaeton; dieſem, daß du ihn noch anblickſt; „jenem, daß er dich noch nicht hat.„ Man muß den Schweizern wirklich das Recht laſſen, daß ſie den Kern der Deutſchen Sprache mehr unter ſich erhalten haben. So wie

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 1. Riga, 1767, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur01_1767/51>, abgerufen am 29.04.2024.