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Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 1. Riga, 1767.

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mehr verdient, und weil für die Deutschen
eine ausgebildete Poesie und Prose des gu-
ten Verstandes,
ohnstreitig die beste Spra-
che ist.

Heilmann, der Uebersezzer des Thucydi-
des,
der gewiß seinen Autor, und die Kunst zu
übersezzen gekannt hat: scheint die Biegsamkeit
der Deutschen Sprache nicht genug in seiner
Gewalt gehabt zu haben, um sie mit der Grie-
chischen zusammen zu passen. Jndessen hat
freilich dieser Baumgartensche Philolog noch
ziemlich seinen Mann gewählt, da er uns den
körnichten Thucydides liefert, dessen Schreib-
art er uns mit Meisterzügen geschildert hat: *

"Man siehet überall die Miene des großen,
"des vornehmen Mannes, der als ein Staats-
"mann schreibt, der aber auch nur für Staats-
"leute schreiben will; der nichts weniger im
"Sinne hat, als ein klaßischer Schriftsteller
"zu werden, aus welchem einmal künftig Red-
"ner Beispiele zu ihren Vorschriften samm-
"len sollten. Er siehet also überall nur auf
"die Würde in den Gedanken, und auf den

"Adel
* s. Litt. Br. Th. 3. p. 202.

mehr verdient, und weil fuͤr die Deutſchen
eine ausgebildete Poeſie und Proſe des gu-
ten Verſtandes,
ohnſtreitig die beſte Spra-
che iſt.

Heilmann, der Ueberſezzer des Thucydi-
des,
der gewiß ſeinen Autor, und die Kunſt zu
uͤberſezzen gekannt hat: ſcheint die Biegſamkeit
der Deutſchen Sprache nicht genug in ſeiner
Gewalt gehabt zu haben, um ſie mit der Grie-
chiſchen zuſammen zu paſſen. Jndeſſen hat
freilich dieſer Baumgartenſche Philolog noch
ziemlich ſeinen Mann gewaͤhlt, da er uns den
koͤrnichten Thucydides liefert, deſſen Schreib-
art er uns mit Meiſterzuͤgen geſchildert hat: *

„Man ſiehet uͤberall die Miene des großen,
„des vornehmen Mannes, der als ein Staats-
„mann ſchreibt, der aber auch nur fuͤr Staats-
„leute ſchreiben will; der nichts weniger im
„Sinne hat, als ein klaßiſcher Schriftſteller
„zu werden, aus welchem einmal kuͤnftig Red-
„ner Beiſpiele zu ihren Vorſchriften ſamm-
„len ſollten. Er ſiehet alſo uͤberall nur auf
„die Wuͤrde in den Gedanken, und auf den

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* ſ. Litt. Br. Th. 3. p. 202.
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[75/0079] mehr verdient, und weil fuͤr die Deutſchen eine ausgebildete Poeſie und Proſe des gu- ten Verſtandes, ohnſtreitig die beſte Spra- che iſt. Heilmann, der Ueberſezzer des Thucydi- des, der gewiß ſeinen Autor, und die Kunſt zu uͤberſezzen gekannt hat: ſcheint die Biegſamkeit der Deutſchen Sprache nicht genug in ſeiner Gewalt gehabt zu haben, um ſie mit der Grie- chiſchen zuſammen zu paſſen. Jndeſſen hat freilich dieſer Baumgartenſche Philolog noch ziemlich ſeinen Mann gewaͤhlt, da er uns den koͤrnichten Thucydides liefert, deſſen Schreib- art er uns mit Meiſterzuͤgen geſchildert hat: * „Man ſiehet uͤberall die Miene des großen, „des vornehmen Mannes, der als ein Staats- „mann ſchreibt, der aber auch nur fuͤr Staats- „leute ſchreiben will; der nichts weniger im „Sinne hat, als ein klaßiſcher Schriftſteller „zu werden, aus welchem einmal kuͤnftig Red- „ner Beiſpiele zu ihren Vorſchriften ſamm- „len ſollten. Er ſiehet alſo uͤberall nur auf „die Wuͤrde in den Gedanken, und auf den „Adel * ſ. Litt. Br. Th. 3. p. 202.

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Bd. 1. Riga, 1767, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_litteratur01_1767/79>, abgerufen am 29.04.2024.