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[Herder, Johann Gottfried von]: Plastik. Riga u. a., 1778.

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mit welchem Zauber thut sies! Die sind nicht
klug, die die Landschaftsmahlerei, die Naturstücke
des großen Zusammenhanges der Schöpfung
verachten, herunter setzen, oder gar dem Künstler
Affenernstlich untersagen. Ein Mahler, und soll
kein Mahler seyn? Ein Schilderer, und soll nicht
schildern? Bildsäulen drechseln soll er mit seinem
Pinsel und mit seinen Farben geigen, wie's ihrem
ächten antiken Geschmacke behagt. Die Tafel der
Schöpfung schildern, ist ihnen unedel; als ob nicht
Himmel und Erde besser wäre und mehr auf sich
hätte, als ein Krüppel, der zwischen ihnen schleicht,
und dessen Konterfeyung mit Gewalt einzige wür-
dige Mahlerei seyn soll.

Bildnerei schafft schöne Formen, sie drängt
in einander
und stellt dar; nothwendig muß sie
also schaffen, was ihre Darstellung verdient, und
was für sich da steht. Sie kann nicht durch das
Nebeneinander gewinnen, daß Eins dem Andern
aushelfe und doch also Alles so schlecht nicht sey:
denn in ihr ist Eins Alles und Alles nur Eins.
Jst dies unwürdig, leblos, schlecht, nichts sagend;
Schade um Meißel und Marmor! Kröte und
Frosch, Fels und Matratze zu bilden, war der Rede
nicht werth, wenn sie nicht etwa einem höhern Werk
als Beigehörde dienen, und also nicht Hauptwerk
seyn wollen. Wo Seele lebt und einen edlen Kör-
per durchhaucht und die Kunst wetteifern kann.

Seele

mit welchem Zauber thut ſies! Die ſind nicht
klug, die die Landſchaftsmahlerei, die Naturſtuͤcke
des großen Zuſammenhanges der Schoͤpfung
verachten, herunter ſetzen, oder gar dem Kuͤnſtler
Affenernſtlich unterſagen. Ein Mahler, und ſoll
kein Mahler ſeyn? Ein Schilderer, und ſoll nicht
ſchildern? Bildſaͤulen drechſeln ſoll er mit ſeinem
Pinſel und mit ſeinen Farben geigen, wie’s ihrem
aͤchten antiken Geſchmacke behagt. Die Tafel der
Schoͤpfung ſchildern, iſt ihnen unedel; als ob nicht
Himmel und Erde beſſer waͤre und mehr auf ſich
haͤtte, als ein Kruͤppel, der zwiſchen ihnen ſchleicht,
und deſſen Konterfeyung mit Gewalt einzige wuͤr-
dige Mahlerei ſeyn ſoll.

Bildnerei ſchafft ſchoͤne Formen, ſie draͤngt
in einander
und ſtellt dar; nothwendig muß ſie
alſo ſchaffen, was ihre Darſtellung verdient, und
was fuͤr ſich da ſteht. Sie kann nicht durch das
Nebeneinander gewinnen, daß Eins dem Andern
aushelfe und doch alſo Alles ſo ſchlecht nicht ſey:
denn in ihr iſt Eins Alles und Alles nur Eins.
Jſt dies unwuͤrdig, leblos, ſchlecht, nichts ſagend;
Schade um Meißel und Marmor! Kroͤte und
Froſch, Fels und Matratze zu bilden, war der Rede
nicht werth, wenn ſie nicht etwa einem hoͤhern Werk
als Beigehoͤrde dienen, und alſo nicht Hauptwerk
ſeyn wollen. Wo Seele lebt und einen edlen Koͤr-
per durchhaucht und die Kunſt wetteifern kann.

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[27/0030] mit welchem Zauber thut ſies! Die ſind nicht klug, die die Landſchaftsmahlerei, die Naturſtuͤcke des großen Zuſammenhanges der Schoͤpfung verachten, herunter ſetzen, oder gar dem Kuͤnſtler Affenernſtlich unterſagen. Ein Mahler, und ſoll kein Mahler ſeyn? Ein Schilderer, und ſoll nicht ſchildern? Bildſaͤulen drechſeln ſoll er mit ſeinem Pinſel und mit ſeinen Farben geigen, wie’s ihrem aͤchten antiken Geſchmacke behagt. Die Tafel der Schoͤpfung ſchildern, iſt ihnen unedel; als ob nicht Himmel und Erde beſſer waͤre und mehr auf ſich haͤtte, als ein Kruͤppel, der zwiſchen ihnen ſchleicht, und deſſen Konterfeyung mit Gewalt einzige wuͤr- dige Mahlerei ſeyn ſoll. Bildnerei ſchafft ſchoͤne Formen, ſie draͤngt in einander und ſtellt dar; nothwendig muß ſie alſo ſchaffen, was ihre Darſtellung verdient, und was fuͤr ſich da ſteht. Sie kann nicht durch das Nebeneinander gewinnen, daß Eins dem Andern aushelfe und doch alſo Alles ſo ſchlecht nicht ſey: denn in ihr iſt Eins Alles und Alles nur Eins. Jſt dies unwuͤrdig, leblos, ſchlecht, nichts ſagend; Schade um Meißel und Marmor! Kroͤte und Froſch, Fels und Matratze zu bilden, war der Rede nicht werth, wenn ſie nicht etwa einem hoͤhern Werk als Beigehoͤrde dienen, und alſo nicht Hauptwerk ſeyn wollen. Wo Seele lebt und einen edlen Koͤr- per durchhaucht und die Kunſt wetteifern kann. Seele

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Zitationshilfe: [Herder, Johann Gottfried von]: Plastik. Riga u. a., 1778, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_plastik_1778/30>, abgerufen am 28.03.2024.