Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herzl, Theodor: Der Judenstaat. Versuch einer modernen Lösung der Judenfrage. Leipzig u. a., 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Einzelne, der auch nur Miene machte, ein solches
Riesenwerk zu unternehmen, könnte ein Betrüger oder ein
Wahnsinniger sein. Für die Reinheit der moralischen Person
bürgt der Charakter ihrer Mitglieder. Die ausreichende Kraft
der juristischen Person ist erwiesen durch ihr Capital.



Durch die bisherigen Vorbemerkungen wollte ich nur in
aller Eile den ersten Schwarm von Einwendungen abwehren,
den schon das Wort "Judenstaat" hervorrufen muss. Von hier
weiter wollen wir uns mit mehr Ruhe auseinandersetzen, andere
Einwände bekämpfen und manches schon Angedeutete gründlicher
ausführen, wenn auch die Schwerfälligkeit im Interesse
der Schrift, die fliegen soll, nach Möglichkeit zu vermeiden sein
wird. Kurze aphoristische Capitel dienen einem solchen Zweck
wohl am besten.

Wenn ich an die Stelle eines alten Baues einen neuen
setzen will, muss ich zuerst demoliren und dann construiren.
Diese vernünftige Reihenfolge werde ich also einhalten. Zuerst
im allgemeinen Theil sind die Begriffe zu klären, dumpfe alte
Vorstellungen hinwegzuräumen, die politischen und nationalökonomischen
Vorbedingungen festzustellen und der Plan zu
entwickeln.

Im besonderen Theil, der in drei Hauptabschnitte zerfällt,
ist die Ausführung darzustellen. Diese Hauptabschnitte sind:
Jewish Company, Ortsgruppen und Society of Jews. Die Society
soll zwar zuerst entstehen, und die Company zuletzt; aber
im Entwurf empfiehlt sich die umgekehrte Ordnung, weil gegen
die finanzielle Durchführbarkeit sich die grössten Bedenken
erheben werden, die also zunächst zu widerlegen sind.

Im Schlusswort wird dann den noch übrigen vermuthbaren
Einwendungen ein letztes Treffen zu liefern sein. Meine
jüdischen Leser mögen mir geduldig bis an's Ende folgen. Bei
Manchem werden die Einwendungen in anderer Reihenfolge entstehen,
als in der hier gewählten der Widerlegung. Wessen
Bedenken aber vernünftig besiegt sind, der soll sich zur Sache
bekennen.

Der Einzelne, der auch nur Miene machte, ein solches
Riesenwerk zu unternehmen, könnte ein Betrüger oder ein
Wahnsinniger sein. Für die Reinheit der moralischen Person
bürgt der Charakter ihrer Mitglieder. Die ausreichende Kraft
der juristischen Person ist erwiesen durch ihr Capital.



Durch die bisherigen Vorbemerkungen wollte ich nur in
aller Eile den ersten Schwarm von Einwendungen abwehren,
den schon das Wort „Judenstaat“ hervorrufen muss. Von hier
weiter wollen wir uns mit mehr Ruhe auseinandersetzen, andere
Einwände bekämpfen und manches schon Angedeutete gründlicher
ausführen, wenn auch die Schwerfälligkeit im Interesse
der Schrift, die fliegen soll, nach Möglichkeit zu vermeiden sein
wird. Kurze aphoristische Capitel dienen einem solchen Zweck
wohl am besten.

Wenn ich an die Stelle eines alten Baues einen neuen
setzen will, muss ich zuerst demoliren und dann construiren.
Diese vernünftige Reihenfolge werde ich also einhalten. Zuerst
im allgemeinen Theil sind die Begriffe zu klären, dumpfe alte
Vorstellungen hinwegzuräumen, die politischen und nationalökonomischen
Vorbedingungen festzustellen und der Plan zu
entwickeln.

Im besonderen Theil, der in drei Hauptabschnitte zerfällt,
ist die Ausführung darzustellen. Diese Hauptabschnitte sind:
Jewish Company, Ortsgruppen und Society of Jews. Die Society
soll zwar zuerst entstehen, und die Company zuletzt; aber
im Entwurf empfiehlt sich die umgekehrte Ordnung, weil gegen
die finanzielle Durchführbarkeit sich die grössten Bedenken
erheben werden, die also zunächst zu widerlegen sind.

Im Schlusswort wird dann den noch übrigen vermuthbaren
Einwendungen ein letztes Treffen zu liefern sein. Meine
jüdischen Leser mögen mir geduldig bis an's Ende folgen. Bei
Manchem werden die Einwendungen in anderer Reihenfolge entstehen,
als in der hier gewählten der Widerlegung. Wessen
Bedenken aber vernünftig besiegt sind, der soll sich zur Sache
bekennen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0017"/>
        <p>Der Einzelne, der auch nur Miene machte, ein solches<lb/>
Riesenwerk zu unternehmen, könnte ein Betrüger oder ein<lb/>
Wahnsinniger sein. Für die Reinheit der moralischen Person<lb/>
bürgt der Charakter ihrer Mitglieder. Die ausreichende Kraft<lb/>
der juristischen Person ist erwiesen durch ihr Capital.<lb/></p>
      </div>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div n="1">
        <p>Durch die bisherigen Vorbemerkungen wollte ich nur in<lb/>
aller Eile den ersten Schwarm von Einwendungen abwehren,<lb/>
den schon das Wort &#x201E;Judenstaat&#x201C; hervorrufen muss. Von hier<lb/>
weiter wollen wir uns mit mehr Ruhe auseinandersetzen, andere<lb/>
Einwände bekämpfen und manches schon Angedeutete gründlicher<lb/>
ausführen, wenn auch die Schwerfälligkeit im Interesse<lb/>
der Schrift, die fliegen soll, nach Möglichkeit zu vermeiden sein<lb/>
wird. Kurze aphoristische Capitel dienen einem solchen Zweck<lb/>
wohl am besten.<lb/></p>
        <p>Wenn ich an die Stelle eines alten Baues einen neuen<lb/>
setzen will, muss ich zuerst demoliren und dann construiren.<lb/>
Diese vernünftige Reihenfolge werde ich also einhalten. Zuerst<lb/>
im allgemeinen Theil sind die Begriffe zu klären, dumpfe alte<lb/>
Vorstellungen hinwegzuräumen, die politischen und nationalökonomischen<lb/>
Vorbedingungen festzustellen und der Plan zu<lb/>
entwickeln.<lb/></p>
        <p>Im besonderen Theil, der in drei Hauptabschnitte zerfällt,<lb/>
ist die Ausführung darzustellen. Diese Hauptabschnitte sind:<lb/>
Jewish Company, Ortsgruppen und Society of Jews. Die Society<lb/>
soll zwar zuerst entstehen, und die Company zuletzt; aber<lb/>
im Entwurf empfiehlt sich die umgekehrte Ordnung, weil gegen<lb/>
die finanzielle Durchführbarkeit sich die grössten Bedenken<lb/>
erheben werden, die also zunächst zu widerlegen sind.<lb/></p>
        <p>Im Schlusswort wird dann den noch übrigen vermuthbaren<lb/>
Einwendungen ein letztes Treffen zu liefern sein. Meine<lb/>
jüdischen Leser mögen mir geduldig bis an's Ende folgen. Bei<lb/>
Manchem werden die Einwendungen in anderer Reihenfolge entstehen,<lb/>
als in der hier gewählten der Widerlegung. Wessen<lb/>
Bedenken aber vernünftig besiegt sind, der soll sich zur Sache<lb/>
bekennen.<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0017] Der Einzelne, der auch nur Miene machte, ein solches Riesenwerk zu unternehmen, könnte ein Betrüger oder ein Wahnsinniger sein. Für die Reinheit der moralischen Person bürgt der Charakter ihrer Mitglieder. Die ausreichende Kraft der juristischen Person ist erwiesen durch ihr Capital. Durch die bisherigen Vorbemerkungen wollte ich nur in aller Eile den ersten Schwarm von Einwendungen abwehren, den schon das Wort „Judenstaat“ hervorrufen muss. Von hier weiter wollen wir uns mit mehr Ruhe auseinandersetzen, andere Einwände bekämpfen und manches schon Angedeutete gründlicher ausführen, wenn auch die Schwerfälligkeit im Interesse der Schrift, die fliegen soll, nach Möglichkeit zu vermeiden sein wird. Kurze aphoristische Capitel dienen einem solchen Zweck wohl am besten. Wenn ich an die Stelle eines alten Baues einen neuen setzen will, muss ich zuerst demoliren und dann construiren. Diese vernünftige Reihenfolge werde ich also einhalten. Zuerst im allgemeinen Theil sind die Begriffe zu klären, dumpfe alte Vorstellungen hinwegzuräumen, die politischen und nationalökonomischen Vorbedingungen festzustellen und der Plan zu entwickeln. Im besonderen Theil, der in drei Hauptabschnitte zerfällt, ist die Ausführung darzustellen. Diese Hauptabschnitte sind: Jewish Company, Ortsgruppen und Society of Jews. Die Society soll zwar zuerst entstehen, und die Company zuletzt; aber im Entwurf empfiehlt sich die umgekehrte Ordnung, weil gegen die finanzielle Durchführbarkeit sich die grössten Bedenken erheben werden, die also zunächst zu widerlegen sind. Im Schlusswort wird dann den noch übrigen vermuthbaren Einwendungen ein letztes Treffen zu liefern sein. Meine jüdischen Leser mögen mir geduldig bis an's Ende folgen. Bei Manchem werden die Einwendungen in anderer Reihenfolge entstehen, als in der hier gewählten der Widerlegung. Wessen Bedenken aber vernünftig besiegt sind, der soll sich zur Sache bekennen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

gutenberg.org: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in HTML. (2012-11-06T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus gutenberg.org entsprechen muss.
Austrian Literature Online: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-06T13:54:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von HTML nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-06T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Schreibweise und Interpunktion des Originaltextes wurden übernommen.
  • Der Zeilenfall wurde beibehalten, die Silbentrennung aber wurde aufgehoben.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herzl_judenstaat_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herzl_judenstaat_1896/17
Zitationshilfe: Herzl, Theodor: Der Judenstaat. Versuch einer modernen Lösung der Judenfrage. Leipzig u. a., 1896, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herzl_judenstaat_1896/17>, abgerufen am 29.03.2024.