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Herzl, Theodor: Der Judenstaat. Versuch einer modernen Lösung der Judenfrage. Leipzig u. a., 1896.

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Vermögensgewinn ziehen können und dürfen. Obwohl die Society
am Beginn keine andere als eine moralische Autorität besitzen
kann, wird diese dennoch hinreichen, um die Jewish Company
dem Judenvolke gegenüber zu beglaubigen. Die Jewish Company
wird nur dann Aussicht auf geschäftliches Gelingen haben, wenn
sie von der Society sozusagen gestempelt ist. Es wird sich also
nicht eine beliebige Gruppe von Geldleuten zusammenthun
können, um die Jewish Company zu bilden. Die Society wird
prüfen, wählen und bestimmen, und sich vor der Gutheissung
der Gründung alle nöthigen Bürgschaften für die gewissenhafte
Durchführung des Planes sichern lassen. Experimente mit ungenügenden
Kräften dürfen nicht gemacht werden, denn diese
Unternehmung muss gleich auf den ersten Schlag gelingen. Das
Misslingen der Sache würde die ganze Idee auf Jahrzehnte hinaus
compromittiren und sie vielleicht für immer unmöglich machen.

Die drei Formen der Aufbringung des Actiencapitals sind:
1. durch die Hochbank; 2. durch die Mittelbank; 3. durch eine
volksthümliche Subscription.

Am leichtesten, schnellsten und sichersten wäre die
Gründung durch die Hochbank. Da kann das erforderliche Geld
innerhalb der bestehenden grossen Finanzgruppen durch einfache
Berathung in kürzester Zeit aufgebracht werden. Es hätte den
grossen Vortheil, dass die Milliarde - um bei diesem einmal
angenommenen Betrage zu bleiben - nicht sofort gänzlich eingezahlt
werden müsste. Es hätte den weiteren Vortheil, dass auch
der Credit dieser mächtigen Finanzgruppen der Unternehmung zuflösse.
In der jüdischen Finanzmacht schlummern noch sehr viele
ungenützte politische Kräfte. Von den Feinden des Judenthums wird
diese Finanzmacht als so wirksam dargestellt, wie sie sein könnte,
aber thatsächlich nicht ist. Die armen Juden spüren nur den Hass,
den diese Finanzmacht erregt; den Nutzen, die Linderung ihrer
Leiden, welche bewirkt werden könnte, haben die armen Juden
nicht. Die Creditpolitik der grossen Finanzjuden müsste sich in
den Dienst der Volksidee stellen. Finden aber diese mit ihrer
Lage ganz zufriedenen Herren sich nicht bewogen, etwas
für ihre Stammesbrüder zu thun, die man mit Unrecht für
die grossen Vermögen Einzelner verantwortlich macht, so wird
die Verwirklichung dieses Planes Gelegenheit geben, eine reinliche
Scheidung zwischen ihnen und dem übrigen Theile des
Judenthums durchzuführen.

Die Hochbank wird übrigens durchaus nicht aufgefordert,
einen so enormen Betrag aus Wohlthätigkeit zu beschaffen. Das
wäre eine thörichte Zumuthung. Die Gründer und Actionäre der
Jewish Company sollen vielmehr ein gutes Geschäft machen,
und sie werden sich im vorhinein davon Rechenschaft geben

Vermögensgewinn ziehen können und dürfen. Obwohl die Society
am Beginn keine andere als eine moralische Autorität besitzen
kann, wird diese dennoch hinreichen, um die Jewish Company
dem Judenvolke gegenüber zu beglaubigen. Die Jewish Company
wird nur dann Aussicht auf geschäftliches Gelingen haben, wenn
sie von der Society sozusagen gestempelt ist. Es wird sich also
nicht eine beliebige Gruppe von Geldleuten zusammenthun
können, um die Jewish Company zu bilden. Die Society wird
prüfen, wählen und bestimmen, und sich vor der Gutheissung
der Gründung alle nöthigen Bürgschaften für die gewissenhafte
Durchführung des Planes sichern lassen. Experimente mit ungenügenden
Kräften dürfen nicht gemacht werden, denn diese
Unternehmung muss gleich auf den ersten Schlag gelingen. Das
Misslingen der Sache würde die ganze Idee auf Jahrzehnte hinaus
compromittiren und sie vielleicht für immer unmöglich machen.

Die drei Formen der Aufbringung des Actiencapitals sind:
1. durch die Hochbank; 2. durch die Mittelbank; 3. durch eine
volksthümliche Subscription.

Am leichtesten, schnellsten und sichersten wäre die
Gründung durch die Hochbank. Da kann das erforderliche Geld
innerhalb der bestehenden grossen Finanzgruppen durch einfache
Berathung in kürzester Zeit aufgebracht werden. Es hätte den
grossen Vortheil, dass die Milliarde – um bei diesem einmal
angenommenen Betrage zu bleiben – nicht sofort gänzlich eingezahlt
werden müsste. Es hätte den weiteren Vortheil, dass auch
der Credit dieser mächtigen Finanzgruppen der Unternehmung zuflösse.
In der jüdischen Finanzmacht schlummern noch sehr viele
ungenützte politische Kräfte. Von den Feinden des Judenthums wird
diese Finanzmacht als so wirksam dargestellt, wie sie sein könnte,
aber thatsächlich nicht ist. Die armen Juden spüren nur den Hass,
den diese Finanzmacht erregt; den Nutzen, die Linderung ihrer
Leiden, welche bewirkt werden könnte, haben die armen Juden
nicht. Die Creditpolitik der grossen Finanzjuden müsste sich in
den Dienst der Volksidee stellen. Finden aber diese mit ihrer
Lage ganz zufriedenen Herren sich nicht bewogen, etwas
für ihre Stammesbrüder zu thun, die man mit Unrecht für
die grossen Vermögen Einzelner verantwortlich macht, so wird
die Verwirklichung dieses Planes Gelegenheit geben, eine reinliche
Scheidung zwischen ihnen und dem übrigen Theile des
Judenthums durchzuführen.

Die Hochbank wird übrigens durchaus nicht aufgefordert,
einen so enormen Betrag aus Wohlthätigkeit zu beschaffen. Das
wäre eine thörichte Zumuthung. Die Gründer und Actionäre der
Jewish Company sollen vielmehr ein gutes Geschäft machen,
und sie werden sich im vorhinein davon Rechenschaft geben

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Zitationshilfe: Herzl, Theodor: Der Judenstaat. Versuch einer modernen Lösung der Judenfrage. Leipzig u. a., 1896, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herzl_judenstaat_1896/50>, abgerufen am 25.04.2024.