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Herzl, Theodor: Der Judenstaat. Versuch einer modernen Lösung der Judenfrage. Leipzig u. a., 1896.

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Dieser Gestor darf nun freilich nicht ein einzelnes Individuum
sein. Ein solches wäre lächerlich oder - weil es auf
seinen eigenen Vortheil auszugehen schiene - verächtlich.

Der Gestor der Juden muss in jedem Sinne des Wortes
eine moralische Person sein.

Und das ist die Society of Jews.



Der Gestor der Juden.

Dieses Organ der Volksbewegung, dessen Art und Aufgaben wir
erst jetzt erörtern, wird thatsächlich vor allem Anderen entstehen.
Die Entstehung ist eine überaus einfache. Aus dem
Kreise der wackeren englischen Juden, denen ich in London
den Plan mittheilte, wird sich diese moralische Person bilden.

Die Society of Jews ist die Centralstelle der beginnenden
Judenbewegung.

Die Society hat wissenschaftliche und politische Aufgaben.
Die Gründung des Judenstaates, wie ich mir sie denke, hat
moderne wissenschaftliche Voraussetzungen. Wenn wir heute aus
Mizraim wandern, kann es nicht in der naiven Weise der alten
Zeit geschehen. Wir werden uns vorher anders Rechenschaft
geben von unserer Zahl und Kraft. Die Society of Jews ist
der neue Moses der Juden. Die Unternehmung des alten grossen
Gestors der Juden in den einfachen Zeiten verhält sich zur
unserigen, wie ein wunderschönes altes Singspiel zu einer modernen
Oper. Wir spielen dieselbe Melodie mit viel, viel mehr
Violinen, Flöten, Harfen, Knie- und Bassgeigen, elektrischem
Licht, Decorationen, Chören, herrlicher Ausstattung und mit den
ersten Sängern.

Diese Schrift soll die allgemeine Discussion über die
Judenfrage eröffnen. Freunde und Feinde werden sich daran
betheiligen - ich hoffe, nicht mehr in der bisherigen Form
sentimentaler Vertheidigungen und wüster Beschimpfungen. Die
Debatte soll sachlich, gross, ernst und politisch geführt
werden.

Die Society of Jews wird alle Kundgebungen der Staatsmänner,
Parlamente, Judengemeinden, Vereine, die in Wort
und Schrift, in Versammlungen, Zeitungen und Büchern hervorkommen,
sammeln.

Dieser Gestor darf nun freilich nicht ein einzelnes Individuum
sein. Ein solches wäre lächerlich oder – weil es auf
seinen eigenen Vortheil auszugehen schiene – verächtlich.

Der Gestor der Juden muss in jedem Sinne des Wortes
eine moralische Person sein.

Und das ist die Society of Jews.



Der Gestor der Juden.

Dieses Organ der Volksbewegung, dessen Art und Aufgaben wir
erst jetzt erörtern, wird thatsächlich vor allem Anderen entstehen.
Die Entstehung ist eine überaus einfache. Aus dem
Kreise der wackeren englischen Juden, denen ich in London
den Plan mittheilte, wird sich diese moralische Person bilden.

Die Society of Jews ist die Centralstelle der beginnenden
Judenbewegung.

Die Society hat wissenschaftliche und politische Aufgaben.
Die Gründung des Judenstaates, wie ich mir sie denke, hat
moderne wissenschaftliche Voraussetzungen. Wenn wir heute aus
Mizraim wandern, kann es nicht in der naiven Weise der alten
Zeit geschehen. Wir werden uns vorher anders Rechenschaft
geben von unserer Zahl und Kraft. Die Society of Jews ist
der neue Moses der Juden. Die Unternehmung des alten grossen
Gestors der Juden in den einfachen Zeiten verhält sich zur
unserigen, wie ein wunderschönes altes Singspiel zu einer modernen
Oper. Wir spielen dieselbe Melodie mit viel, viel mehr
Violinen, Flöten, Harfen, Knie- und Bassgeigen, elektrischem
Licht, Decorationen, Chören, herrlicher Ausstattung und mit den
ersten Sängern.

Diese Schrift soll die allgemeine Discussion über die
Judenfrage eröffnen. Freunde und Feinde werden sich daran
betheiligen – ich hoffe, nicht mehr in der bisherigen Form
sentimentaler Vertheidigungen und wüster Beschimpfungen. Die
Debatte soll sachlich, gross, ernst und politisch geführt
werden.

Die Society of Jews wird alle Kundgebungen der Staatsmänner,
Parlamente, Judengemeinden, Vereine, die in Wort
und Schrift, in Versammlungen, Zeitungen und Büchern hervorkommen,
sammeln.

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[0070] Dieser Gestor darf nun freilich nicht ein einzelnes Individuum sein. Ein solches wäre lächerlich oder – weil es auf seinen eigenen Vortheil auszugehen schiene – verächtlich. Der Gestor der Juden muss in jedem Sinne des Wortes eine moralische Person sein. Und das ist die Society of Jews. Der Gestor der Juden. Dieses Organ der Volksbewegung, dessen Art und Aufgaben wir erst jetzt erörtern, wird thatsächlich vor allem Anderen entstehen. Die Entstehung ist eine überaus einfache. Aus dem Kreise der wackeren englischen Juden, denen ich in London den Plan mittheilte, wird sich diese moralische Person bilden. Die Society of Jews ist die Centralstelle der beginnenden Judenbewegung. Die Society hat wissenschaftliche und politische Aufgaben. Die Gründung des Judenstaates, wie ich mir sie denke, hat moderne wissenschaftliche Voraussetzungen. Wenn wir heute aus Mizraim wandern, kann es nicht in der naiven Weise der alten Zeit geschehen. Wir werden uns vorher anders Rechenschaft geben von unserer Zahl und Kraft. Die Society of Jews ist der neue Moses der Juden. Die Unternehmung des alten grossen Gestors der Juden in den einfachen Zeiten verhält sich zur unserigen, wie ein wunderschönes altes Singspiel zu einer modernen Oper. Wir spielen dieselbe Melodie mit viel, viel mehr Violinen, Flöten, Harfen, Knie- und Bassgeigen, elektrischem Licht, Decorationen, Chören, herrlicher Ausstattung und mit den ersten Sängern. Diese Schrift soll die allgemeine Discussion über die Judenfrage eröffnen. Freunde und Feinde werden sich daran betheiligen – ich hoffe, nicht mehr in der bisherigen Form sentimentaler Vertheidigungen und wüster Beschimpfungen. Die Debatte soll sachlich, gross, ernst und politisch geführt werden. Die Society of Jews wird alle Kundgebungen der Staatsmänner, Parlamente, Judengemeinden, Vereine, die in Wort und Schrift, in Versammlungen, Zeitungen und Büchern hervorkommen, sammeln.

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Zitationshilfe: Herzl, Theodor: Der Judenstaat. Versuch einer modernen Lösung der Judenfrage. Leipzig u. a., 1896, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herzl_judenstaat_1896/70>, abgerufen am 28.03.2024.