Herzl, Theodor: Der Judenstaat. Versuch einer modernen Lösung der Judenfrage. Leipzig u. a., 1896.rung von christlichen Proletariern nach anderen Welttheilen Die Staaten hätten ferner den Vortheil, dass ihr Exporthandel Einer der grössten Vortheile wäre wohl die sociale Erleichterung. Die Gestaltung der socialen Frage hängt nur von der Entwicklung Schon scheint das Wort "unmöglich" aus der Sprache der Wir selbst möchten im Judenlande alle neuen Versuche rung von christlichen Proletariern nach anderen Welttheilen Die Staaten hätten ferner den Vortheil, dass ihr Exporthandel Einer der grössten Vortheile wäre wohl die sociale Erleichterung. Die Gestaltung der socialen Frage hängt nur von der Entwicklung Schon scheint das Wort „unmöglich“ aus der Sprache der Wir selbst möchten im Judenlande alle neuen Versuche <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0079"/> rung von christlichen Proletariern nach anderen Welttheilen<lb/> käme durch die Judenbewegung zum Stillstande.<lb/></p> <p>Die Staaten hätten ferner den Vortheil, dass ihr Exporthandel<lb/> gewaltig wüchse, denn da die ausgewanderten Juden<lb/> drüben noch lange auf die europäischen Erzeugnisse angewiesen<lb/> wären, müssten sie sie nothwendig beziehen. Durch die Ortsgruppen<lb/> würde ein gerechter Ausgleich geschaffen, die gewohnten<lb/> Bedürfnisse müssten sich noch lange an den gewohnten Orten<lb/> decken.<lb/></p> <p>Einer der grössten Vortheile wäre wohl die sociale Erleichterung.<lb/> Die sociale Unzufriedenheit könnte auf eine Zeit<lb/> hinaus beschwichtigt werden, die vielleicht 20 Jahre, vielleicht<lb/> länger dauern würde, jedenfalls aber die ganze Zeit der Judenwanderung<lb/> hindurch anhielte.<lb/></p> <p>Die Gestaltung der socialen Frage hängt nur von der Entwicklung<lb/> der technischen Mittel ab. Der Dampf hat die Menschen<lb/> um die Maschinen herum in den Fabriken versammelt, wo sie<lb/> aneinander gedrückt sind und durch einander unglücklich werden.<lb/> Die Production ist eine ungeheure, wahllose, planlose, führt<lb/> jeden Augenblick zu schweren Krisen, durch die mit den Unternehmern<lb/> auch die Arbeiter zugrunde gehen. Der Dampf hat die<lb/> Menschen aneinandergepresst, die Anwendung der Elektricität<lb/> wird sie vermuthlich wieder auseinander streuen und vielleicht<lb/> in glücklichere Arbeitszustände bringen. Jedenfalls werden die<lb/> technischen Erfinder, die wahren Wohlthäter der Menschheit,<lb/> auch nach Beginn der Judenwanderung weiterarbeiten und hoffentlich<lb/> so wunderbare Dinge finden wie bisher, nein, immer wunderbarere.<lb/></p> <p>Schon scheint das Wort „unmöglich“ aus der Sprache der<lb/> Technik verschwunden zu sein. Käme ein Mann des vorigen<lb/> Jahrhunderts wieder, er fände unser ganzes Leben voll unbegreiflicher<lb/> Zaubereien. Wo wir Modernen mit unseren Hilfsmitteln<lb/> erscheinen, verwandeln wir die Wüste in einen Garten. Zur Errichtung<lb/> von Städten genügen uns jetzt soviele Jahre, als man<lb/> in früheren Epochen der Geschichte Jahrhunderte brauchte –<lb/> dafür zahllose Beispiele in Amerika. Die Entfernungen sind als<lb/> Hinderniss überwunden. Die Schatzkammer des modernen Geistes<lb/> enthält schon unermessliche Reichthümer; jeder Tag vermehrt<lb/> sie, hunderttausend Köpfe sinnen, suchen auf allen Punkten der<lb/> Erde, und was einer entdeckt hat, gehört im nächsten Augenblick<lb/> der ganzen Welt.<lb/></p> <p>Wir selbst möchten im Judenlande alle neuen Versuche<lb/> benützen, fortbilden, und wie wir im Siebenstundentage ein Experiment<lb/> zum Wohle der ganzen Menschheit machen, so wollen<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0079]
rung von christlichen Proletariern nach anderen Welttheilen
käme durch die Judenbewegung zum Stillstande.
Die Staaten hätten ferner den Vortheil, dass ihr Exporthandel
gewaltig wüchse, denn da die ausgewanderten Juden
drüben noch lange auf die europäischen Erzeugnisse angewiesen
wären, müssten sie sie nothwendig beziehen. Durch die Ortsgruppen
würde ein gerechter Ausgleich geschaffen, die gewohnten
Bedürfnisse müssten sich noch lange an den gewohnten Orten
decken.
Einer der grössten Vortheile wäre wohl die sociale Erleichterung.
Die sociale Unzufriedenheit könnte auf eine Zeit
hinaus beschwichtigt werden, die vielleicht 20 Jahre, vielleicht
länger dauern würde, jedenfalls aber die ganze Zeit der Judenwanderung
hindurch anhielte.
Die Gestaltung der socialen Frage hängt nur von der Entwicklung
der technischen Mittel ab. Der Dampf hat die Menschen
um die Maschinen herum in den Fabriken versammelt, wo sie
aneinander gedrückt sind und durch einander unglücklich werden.
Die Production ist eine ungeheure, wahllose, planlose, führt
jeden Augenblick zu schweren Krisen, durch die mit den Unternehmern
auch die Arbeiter zugrunde gehen. Der Dampf hat die
Menschen aneinandergepresst, die Anwendung der Elektricität
wird sie vermuthlich wieder auseinander streuen und vielleicht
in glücklichere Arbeitszustände bringen. Jedenfalls werden die
technischen Erfinder, die wahren Wohlthäter der Menschheit,
auch nach Beginn der Judenwanderung weiterarbeiten und hoffentlich
so wunderbare Dinge finden wie bisher, nein, immer wunderbarere.
Schon scheint das Wort „unmöglich“ aus der Sprache der
Technik verschwunden zu sein. Käme ein Mann des vorigen
Jahrhunderts wieder, er fände unser ganzes Leben voll unbegreiflicher
Zaubereien. Wo wir Modernen mit unseren Hilfsmitteln
erscheinen, verwandeln wir die Wüste in einen Garten. Zur Errichtung
von Städten genügen uns jetzt soviele Jahre, als man
in früheren Epochen der Geschichte Jahrhunderte brauchte –
dafür zahllose Beispiele in Amerika. Die Entfernungen sind als
Hinderniss überwunden. Die Schatzkammer des modernen Geistes
enthält schon unermessliche Reichthümer; jeder Tag vermehrt
sie, hunderttausend Köpfe sinnen, suchen auf allen Punkten der
Erde, und was einer entdeckt hat, gehört im nächsten Augenblick
der ganzen Welt.
Wir selbst möchten im Judenlande alle neuen Versuche
benützen, fortbilden, und wie wir im Siebenstundentage ein Experiment
zum Wohle der ganzen Menschheit machen, so wollen
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