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Heyde, Ludwig: Jesuitenfrage und Frauenstimmrecht. In: Die Frauenbewegung 4 (1913), S. 25-26.

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Männerwahlrecht festhalten mag, auf den schlüpfrigen Boden der
Wahlrechtsopportunisten, die von dem vorgefaßten
Wunsche, ein Parlament so oder so zusammengesetzt wissen
zu wollen, sich hinsichtlich der Art des von ihnen geforderten
Wahlrechts bestimmen lassen. Wem hingegen der Gedanke,
das Parlament müsse das Spiegelbild des Volkes sein, ein
unverrückbarer Grundsatz ist, der muß konsequenter Weise
auch für das allgemeine usw. Frauenstimmrecht eintreten,
gleichviel, ob ihm die Folgen sympathisch sind, ob er Frauen-
feind schlechthin ist, ob er meint, die Frauen "läsen die
Zeitungen von hinten", oder wie immer sonst er steht. Er
hat kein Recht zuzulassen, daß irgend welche - und wäre
es auch die geringe oder gar eine negative - Potenz bei
der Reflexion aufs Parlament ins Leere fällt.

So liegt denn also bei der Jesuitenfrage und beim
Frauenstimmrecht die Sache ganz gleichartig. Wer keine
politischen Grundsätze hat, möge nach Gutdünken für Auf-
hebung des Jesuitengesetzes und gegen Frauenstimmrecht
oder auch gegen beides, für beides oder gegen die erstere
und für das letztere sein. Wer aber das gleiche Recht
für alle fordert
und kein Ausnahmegesetz
zulassen will - und so viel Grundsätzlichkeit bringen doch
eigentlich eine ganze Anzahl Menschen fertig -, für den
gibt es nur einen gangbaren Weg; gegen das Jesuiten-
gesetz und für das Frauenstimmrecht.

Wir werden voraussichtlich in allernächster Zeit im
Reichstag eine Abstimmung über die Jesuitenfrage erleben
und dann beobachten können, inwieweit grundsätzliche Be-
trachtung oder Einflüsse der Erziehung, Vorurteile, berech-
tigte Bedenken, ehrliche Furcht ums Staatswohl usw. die
Stellungnahme der Politiker beeinflussen werden. Was uns
vom Standpunkt der Frauenstimmrechts-
bewegung
aus daran interessiert, das wird der
Umstand sein, daß - wenn es sich auch nicht gewisser-
maßen um eine Probeabstimmung zur Stimmrechts-
frage handelt, da das Zentrum im vorliegenden
Falle neben den grundsätzlichen mindestens gleich starke auf
den zufälligen Gegenstand der Streitfrage, die Jesuiten, ge-
richtete Gründe für die Abstimmung zugunsten der Beseiti-
gung des Ausnahmegesetzes hat, - man immerhin bei einer
ganzen Anzahl von Abgeordneten die Kraft ihrer grund-
sätzlichen Überzeugung
wird einschätzen lernen.
Das ist für die Beurteilung der Aussichten der Stimmrechts-
bewegung bei den gesetzgebenden Körperschaften von vielleicht
größerer Bedeutung als bisherige gelegentliche Abstimmungen
über Stimmrechtspetitionen, weil es mehr Schlüsse auf die
Zukunft zulassen wird.



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Männerwahlrecht festhalten mag, auf den schlüpfrigen Boden der
Wahlrechtsopportunisten, die von dem vorgefaßten
Wunsche, ein Parlament so oder so zusammengesetzt wissen
zu wollen, sich hinsichtlich der Art des von ihnen geforderten
Wahlrechts bestimmen lassen. Wem hingegen der Gedanke,
das Parlament müsse das Spiegelbild des Volkes sein, ein
unverrückbarer Grundsatz ist, der muß konsequenter Weise
auch für das allgemeine usw. Frauenstimmrecht eintreten,
gleichviel, ob ihm die Folgen sympathisch sind, ob er Frauen-
feind schlechthin ist, ob er meint, die Frauen „läsen die
Zeitungen von hinten‟, oder wie immer sonst er steht. Er
hat kein Recht zuzulassen, daß irgend welche – und wäre
es auch die geringe oder gar eine negative – Potenz bei
der Reflexion aufs Parlament ins Leere fällt.

So liegt denn also bei der Jesuitenfrage und beim
Frauenstimmrecht die Sache ganz gleichartig. Wer keine
politischen Grundsätze hat, möge nach Gutdünken für Auf-
hebung des Jesuitengesetzes und gegen Frauenstimmrecht
oder auch gegen beides, für beides oder gegen die erstere
und für das letztere sein. Wer aber das gleiche Recht
für alle fordert
und kein Ausnahmegesetz
zulassen will – und so viel Grundsätzlichkeit bringen doch
eigentlich eine ganze Anzahl Menschen fertig –, für den
gibt es nur einen gangbaren Weg; gegen das Jesuiten-
gesetz und für das Frauenstimmrecht.

Wir werden voraussichtlich in allernächster Zeit im
Reichstag eine Abstimmung über die Jesuitenfrage erleben
und dann beobachten können, inwieweit grundsätzliche Be-
trachtung oder Einflüsse der Erziehung, Vorurteile, berech-
tigte Bedenken, ehrliche Furcht ums Staatswohl usw. die
Stellungnahme der Politiker beeinflussen werden. Was uns
vom Standpunkt der Frauenstimmrechts-
bewegung
aus daran interessiert, das wird der
Umstand sein, daß – wenn es sich auch nicht gewisser-
maßen um eine Probeabstimmung zur Stimmrechts-
frage handelt, da das Zentrum im vorliegenden
Falle neben den grundsätzlichen mindestens gleich starke auf
den zufälligen Gegenstand der Streitfrage, die Jesuiten, ge-
richtete Gründe für die Abstimmung zugunsten der Beseiti-
gung des Ausnahmegesetzes hat, – man immerhin bei einer
ganzen Anzahl von Abgeordneten die Kraft ihrer grund-
sätzlichen Überzeugung
wird einschätzen lernen.
Das ist für die Beurteilung der Aussichten der Stimmrechts-
bewegung bei den gesetzgebenden Körperschaften von vielleicht
größerer Bedeutung als bisherige gelegentliche Abstimmungen
über Stimmrechtspetitionen, weil es mehr Schlüsse auf die
Zukunft zulassen wird.



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[26/0002] Männerwahlrecht festhalten mag, auf den schlüpfrigen Boden der Wahlrechtsopportunisten, die von dem vorgefaßten Wunsche, ein Parlament so oder so zusammengesetzt wissen zu wollen, sich hinsichtlich der Art des von ihnen geforderten Wahlrechts bestimmen lassen. Wem hingegen der Gedanke, das Parlament müsse das Spiegelbild des Volkes sein, ein unverrückbarer Grundsatz ist, der muß konsequenter Weise auch für das allgemeine usw. Frauenstimmrecht eintreten, gleichviel, ob ihm die Folgen sympathisch sind, ob er Frauen- feind schlechthin ist, ob er meint, die Frauen „läsen die Zeitungen von hinten‟, oder wie immer sonst er steht. Er hat kein Recht zuzulassen, daß irgend welche – und wäre es auch die geringe oder gar eine negative – Potenz bei der Reflexion aufs Parlament ins Leere fällt. So liegt denn also bei der Jesuitenfrage und beim Frauenstimmrecht die Sache ganz gleichartig. Wer keine politischen Grundsätze hat, möge nach Gutdünken für Auf- hebung des Jesuitengesetzes und gegen Frauenstimmrecht oder auch gegen beides, für beides oder gegen die erstere und für das letztere sein. Wer aber das gleiche Recht für alle fordert und kein Ausnahmegesetz zulassen will – und so viel Grundsätzlichkeit bringen doch eigentlich eine ganze Anzahl Menschen fertig –, für den gibt es nur einen gangbaren Weg; gegen das Jesuiten- gesetz und für das Frauenstimmrecht. Wir werden voraussichtlich in allernächster Zeit im Reichstag eine Abstimmung über die Jesuitenfrage erleben und dann beobachten können, inwieweit grundsätzliche Be- trachtung oder Einflüsse der Erziehung, Vorurteile, berech- tigte Bedenken, ehrliche Furcht ums Staatswohl usw. die Stellungnahme der Politiker beeinflussen werden. Was uns vom Standpunkt der Frauenstimmrechts- bewegung aus daran interessiert, das wird der Umstand sein, daß – wenn es sich auch nicht gewisser- maßen um eine Probeabstimmung zur Stimmrechts- frage handelt, da das Zentrum im vorliegenden Falle neben den grundsätzlichen mindestens gleich starke auf den zufälligen Gegenstand der Streitfrage, die Jesuiten, ge- richtete Gründe für die Abstimmung zugunsten der Beseiti- gung des Ausnahmegesetzes hat, – man immerhin bei einer ganzen Anzahl von Abgeordneten die Kraft ihrer grund- sätzlichen Überzeugung wird einschätzen lernen. Das ist für die Beurteilung der Aussichten der Stimmrechts- bewegung bei den gesetzgebenden Körperschaften von vielleicht größerer Bedeutung als bisherige gelegentliche Abstimmungen über Stimmrechtspetitionen, weil es mehr Schlüsse auf die Zukunft zulassen wird. ______________________ _________________________________________________________________________

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Zitationshilfe: Heyde, Ludwig: Jesuitenfrage und Frauenstimmrecht. In: Die Frauenbewegung 4 (1913), S. 25-26, hier S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyde_jesuitenfrage_1913/2>, abgerufen am 16.04.2024.