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Heymann, Lida Gustava: Frauenstimmrecht, eine Forderung der Gerechtigkeit! Frauenstimmrecht, eine Forderung sozialer Notwendigkeit! Frauenstimmrecht, eine Forderung der Kultur! München, 1907.

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Ist es nicht ein Hohn auf alles, was Gerechtigkeit
heisst, Männer allein Recht sprechen zu lassen und nur
männliche Verteidiger zuzulassen, wenn es sich um Ehe-
konflikte oder geschlechtliche Verbrechen handelt, deren
Aburteilung nur dann eine gerechte sein kann, wenn beide
Geschlechter sich an dem Urteilsspruch beteiligen.

Die grösste Schmach, die tiefste Erniedrigung der
deutschen Frau im herrschenden Männerstaat ist die Auf-
fassung der doppelten Moral, welche bei dem Manne ent-
schuldigt, ja selbst gut heisst, was sie bei der Frau ver-
dammt und diese zur Dirne erniedrigt. Diese entsittlichende
Auffassung findet ihren Ausdruck in den Gesetzen, welche
die Prostitution reglementieren und dadurch zugleich die
Frauen aller Stände schutz- und wehrlos der Willkür der
niederen Polizeiorgane ausliefert, sie vogelfrei erklärt.

Alle Bestrebungen der Frauen, diesen unwürdigen
Zustand zu beseitigen, sind erfolglos geblieben, mussten
erfolglos bleiben, aus dem einfachen Grunde, weil die
Frauen keine Möglichkeit haben, durch das passive und
aktive Wahlrecht auf die gesetzgebenden Körperschaften
einzuwirken. Deshalb Frauen aller Berufe, aller Stände
fordert für euch das Stimmrecht!

Fordert es nicht nur im Interesse der Frauen, sondern
auch im Interesse der Männer selbst, denn die gemeinsame
Beteiligung von Männern und Frauen an der Gesetzgebung
wird allen Staatsangehörigen Gerechtigkeit zu schaffen
suchen.

Gerechtigkeit aber erhöhet ein Volk.

[Abbildung]

Ist es nicht ein Hohn auf alles, was Gerechtigkeit
heisst, Männer allein Recht sprechen zu lassen und nur
männliche Verteidiger zuzulassen, wenn es sich um Ehe-
konflikte oder geschlechtliche Verbrechen handelt, deren
Aburteilung nur dann eine gerechte sein kann, wenn beide
Geschlechter sich an dem Urteilsspruch beteiligen.

Die grösste Schmach, die tiefste Erniedrigung der
deutschen Frau im herrschenden Männerstaat ist die Auf-
fassung der doppelten Moral, welche bei dem Manne ent-
schuldigt, ja selbst gut heisst, was sie bei der Frau ver-
dammt und diese zur Dirne erniedrigt. Diese entsittlichende
Auffassung findet ihren Ausdruck in den Gesetzen, welche
die Prostitution reglementieren und dadurch zugleich die
Frauen aller Stände schutz- und wehrlos der Willkür der
niederen Polizeiorgane ausliefert, sie vogelfrei erklärt.

Alle Bestrebungen der Frauen, diesen unwürdigen
Zustand zu beseitigen, sind erfolglos geblieben, mussten
erfolglos bleiben, aus dem einfachen Grunde, weil die
Frauen keine Möglichkeit haben, durch das passive und
aktive Wahlrecht auf die gesetzgebenden Körperschaften
einzuwirken. Deshalb Frauen aller Berufe, aller Stände
fordert für euch das Stimmrecht!

Fordert es nicht nur im Interesse der Frauen, sondern
auch im Interesse der Männer selbst, denn die gemeinsame
Beteiligung von Männern und Frauen an der Gesetzgebung
wird allen Staatsangehörigen Gerechtigkeit zu schaffen
suchen.

Gerechtigkeit aber erhöhet ein Volk.

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Zitationshilfe: Heymann, Lida Gustava: Frauenstimmrecht, eine Forderung der Gerechtigkeit! Frauenstimmrecht, eine Forderung sozialer Notwendigkeit! Frauenstimmrecht, eine Forderung der Kultur! München, 1907, S. [12]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heymann_frauenstimmrecht_1907/12>, abgerufen am 28.03.2024.