Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heyse, Paul: Der Weinhüter von Meran. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 173–319. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

stehen geblieben; es überlief ihn kalt und heiß. Alles, was er in der ersten Bestürzung sagen konnte, war: Und die Moidi?

Sie ist auch hier, Sie sollen Alles wissen, denn ich habe Niemand als Sie, und wenn Sie mir nicht rathen können, bin ich ein elender Mensch in dieser und in jener Welt.

Indem hörten sie die Schritte der Magd auf der Treppe, und während die Alte, die den Andree mit nicht geringerem Schrecken, aber freudiger, wiedererkannte, den Tisch zum Nachtmahl rüstete, die Kerze hinstellte und ihrer Ueberraschung in wunderlichen Ausrufungen Luft machte, hatten die beiden Männer Zeit, sich zu sammeln und auf das Gespräch, das nun folgen sollte, im Stillen vorzubereiten. Die Magd ging zögernd wieder hinaus. Sie hätte gern auf hundert Fragen Bescheid gehabt. Indessen fürchtete sie sich vor der ungewöhnlich feierlichen Miene ihres hochwürdigen Herrn, der hinter dem Tische Platz genommen hatte, sich öfters die Stirn mit dem bunten Taschentuch trocknete und stumm das erste Glas des rothen Valentiners einschenkte, aber ohne es mit dem gewohnten Kennerzug an die Lippen zu führen. Denn seine Zunge war bitter von dem Vorgeschmack vieler unliebsamer Worte, die nun in der nächsten Zeit gesprochen werden mußten.

Andree aber brach das Schweigen und sagte: Sie verzeihen wohl, hochwürdiger Herr, wenn ich mich setzen

stehen geblieben; es überlief ihn kalt und heiß. Alles, was er in der ersten Bestürzung sagen konnte, war: Und die Moidi?

Sie ist auch hier, Sie sollen Alles wissen, denn ich habe Niemand als Sie, und wenn Sie mir nicht rathen können, bin ich ein elender Mensch in dieser und in jener Welt.

Indem hörten sie die Schritte der Magd auf der Treppe, und während die Alte, die den Andree mit nicht geringerem Schrecken, aber freudiger, wiedererkannte, den Tisch zum Nachtmahl rüstete, die Kerze hinstellte und ihrer Ueberraschung in wunderlichen Ausrufungen Luft machte, hatten die beiden Männer Zeit, sich zu sammeln und auf das Gespräch, das nun folgen sollte, im Stillen vorzubereiten. Die Magd ging zögernd wieder hinaus. Sie hätte gern auf hundert Fragen Bescheid gehabt. Indessen fürchtete sie sich vor der ungewöhnlich feierlichen Miene ihres hochwürdigen Herrn, der hinter dem Tische Platz genommen hatte, sich öfters die Stirn mit dem bunten Taschentuch trocknete und stumm das erste Glas des rothen Valentiners einschenkte, aber ohne es mit dem gewohnten Kennerzug an die Lippen zu führen. Denn seine Zunge war bitter von dem Vorgeschmack vieler unliebsamer Worte, die nun in der nächsten Zeit gesprochen werden mußten.

Andree aber brach das Schweigen und sagte: Sie verzeihen wohl, hochwürdiger Herr, wenn ich mich setzen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="3">
        <p><pb facs="#f0106"/>
stehen geblieben; es überlief ihn kalt und heiß.     Alles, was er in der ersten Bestürzung sagen konnte, war: Und die Moidi?</p><lb/>
        <p>Sie ist auch hier, Sie sollen Alles wissen, denn ich habe Niemand als Sie, und wenn Sie mir     nicht rathen können, bin ich ein elender Mensch in dieser und in jener Welt.</p><lb/>
        <p>Indem hörten sie die Schritte der Magd auf der Treppe, und während die Alte, die den Andree     mit nicht geringerem Schrecken, aber freudiger, wiedererkannte, den Tisch zum Nachtmahl rüstete,     die Kerze hinstellte und ihrer Ueberraschung in wunderlichen Ausrufungen Luft machte, hatten die     beiden Männer Zeit, sich zu sammeln und auf das Gespräch, das nun folgen sollte, im Stillen     vorzubereiten. Die Magd ging zögernd wieder hinaus. Sie hätte gern auf hundert Fragen Bescheid     gehabt. Indessen fürchtete sie sich vor der ungewöhnlich feierlichen Miene ihres hochwürdigen     Herrn, der hinter dem Tische Platz genommen hatte, sich öfters die Stirn mit dem bunten     Taschentuch trocknete und stumm das erste Glas des rothen Valentiners einschenkte, aber ohne es     mit dem gewohnten Kennerzug an die Lippen zu führen. Denn seine Zunge war bitter von dem     Vorgeschmack vieler unliebsamer Worte, die nun in der nächsten Zeit gesprochen werden     mußten.</p><lb/>
        <p>Andree aber brach das Schweigen und sagte: Sie verzeihen wohl, hochwürdiger Herr, wenn ich     mich setzen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0106] stehen geblieben; es überlief ihn kalt und heiß. Alles, was er in der ersten Bestürzung sagen konnte, war: Und die Moidi? Sie ist auch hier, Sie sollen Alles wissen, denn ich habe Niemand als Sie, und wenn Sie mir nicht rathen können, bin ich ein elender Mensch in dieser und in jener Welt. Indem hörten sie die Schritte der Magd auf der Treppe, und während die Alte, die den Andree mit nicht geringerem Schrecken, aber freudiger, wiedererkannte, den Tisch zum Nachtmahl rüstete, die Kerze hinstellte und ihrer Ueberraschung in wunderlichen Ausrufungen Luft machte, hatten die beiden Männer Zeit, sich zu sammeln und auf das Gespräch, das nun folgen sollte, im Stillen vorzubereiten. Die Magd ging zögernd wieder hinaus. Sie hätte gern auf hundert Fragen Bescheid gehabt. Indessen fürchtete sie sich vor der ungewöhnlich feierlichen Miene ihres hochwürdigen Herrn, der hinter dem Tische Platz genommen hatte, sich öfters die Stirn mit dem bunten Taschentuch trocknete und stumm das erste Glas des rothen Valentiners einschenkte, aber ohne es mit dem gewohnten Kennerzug an die Lippen zu führen. Denn seine Zunge war bitter von dem Vorgeschmack vieler unliebsamer Worte, die nun in der nächsten Zeit gesprochen werden mußten. Andree aber brach das Schweigen und sagte: Sie verzeihen wohl, hochwürdiger Herr, wenn ich mich setzen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:27:07Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T11:27:07Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_weinhueter_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_weinhueter_1910/106
Zitationshilfe: Heyse, Paul: Der Weinhüter von Meran. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 173–319. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_weinhueter_1910/106>, abgerufen am 16.04.2024.