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Heyse, Paul: Der Weinhüter von Meran. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 173–319. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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kleine Priester nach einer Pause wieder an, sollst du auch wissen, wie das Alles gekommen ist, denn sonst dächtest du, auch das sei nur eine Vorspiegelung. Du weißt aber wohl, daß deine Mutter den kleinen Andree damals von der Alm mit heruntergebracht hat. Auf selbiger Alm hat ihn die Anna Hirzer geboren. Ein Jahr zuvor nämlich ist ein fremder Herr aus Deutschland nach Innsbruck gekommen, ein Offizier, der hatte einen Feldzug gegen den Napoleon mitgemacht, und wie seine Wunden geheilt waren, schickten ihn die Aerzte ins Tirol hinein, weil die Luft droben, wo er zu Hause war, ihm nicht gut that. Nun, da hat er die Anna Hirzer auf der Straße gesehn, und es ist bald richtig zwischen ihnen geworden, denn er war ein rascher und ritterlicher Herr, und was er sich in den Kopf gesetzt hatte, das mußte geschehen, grad wie der Andree es von klein auf gemacht hat. Aber die Sache hatte noch einen schlimmen Haken; denn der Offizier -- du hörst doch, was ich sage, Moidi?

Sie nickte rasch mit dem Kopf und hob beide Hände auf, als wollte sie ihn bitten, sich nicht über ihr starres Wesen zu verwundern, sondern ruhig fortzuerzählen.

Ja siehe, Kind, sagte er, der Herr war sonst ein wackrer Herr, von Adel und reich, und gedachte die Anna auch zu heirathen. Aber er war ein Lutheraner und wollte von unserer heiligen Kirche nichts wissen, und die Anna weinte Tage und Nächte, daß sie ihn in der Verdammniß wissen und ihm nicht helfen sollte.

kleine Priester nach einer Pause wieder an, sollst du auch wissen, wie das Alles gekommen ist, denn sonst dächtest du, auch das sei nur eine Vorspiegelung. Du weißt aber wohl, daß deine Mutter den kleinen Andree damals von der Alm mit heruntergebracht hat. Auf selbiger Alm hat ihn die Anna Hirzer geboren. Ein Jahr zuvor nämlich ist ein fremder Herr aus Deutschland nach Innsbruck gekommen, ein Offizier, der hatte einen Feldzug gegen den Napoleon mitgemacht, und wie seine Wunden geheilt waren, schickten ihn die Aerzte ins Tirol hinein, weil die Luft droben, wo er zu Hause war, ihm nicht gut that. Nun, da hat er die Anna Hirzer auf der Straße gesehn, und es ist bald richtig zwischen ihnen geworden, denn er war ein rascher und ritterlicher Herr, und was er sich in den Kopf gesetzt hatte, das mußte geschehen, grad wie der Andree es von klein auf gemacht hat. Aber die Sache hatte noch einen schlimmen Haken; denn der Offizier — du hörst doch, was ich sage, Moidi?

Sie nickte rasch mit dem Kopf und hob beide Hände auf, als wollte sie ihn bitten, sich nicht über ihr starres Wesen zu verwundern, sondern ruhig fortzuerzählen.

Ja siehe, Kind, sagte er, der Herr war sonst ein wackrer Herr, von Adel und reich, und gedachte die Anna auch zu heirathen. Aber er war ein Lutheraner und wollte von unserer heiligen Kirche nichts wissen, und die Anna weinte Tage und Nächte, daß sie ihn in der Verdammniß wissen und ihm nicht helfen sollte.

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[0129] kleine Priester nach einer Pause wieder an, sollst du auch wissen, wie das Alles gekommen ist, denn sonst dächtest du, auch das sei nur eine Vorspiegelung. Du weißt aber wohl, daß deine Mutter den kleinen Andree damals von der Alm mit heruntergebracht hat. Auf selbiger Alm hat ihn die Anna Hirzer geboren. Ein Jahr zuvor nämlich ist ein fremder Herr aus Deutschland nach Innsbruck gekommen, ein Offizier, der hatte einen Feldzug gegen den Napoleon mitgemacht, und wie seine Wunden geheilt waren, schickten ihn die Aerzte ins Tirol hinein, weil die Luft droben, wo er zu Hause war, ihm nicht gut that. Nun, da hat er die Anna Hirzer auf der Straße gesehn, und es ist bald richtig zwischen ihnen geworden, denn er war ein rascher und ritterlicher Herr, und was er sich in den Kopf gesetzt hatte, das mußte geschehen, grad wie der Andree es von klein auf gemacht hat. Aber die Sache hatte noch einen schlimmen Haken; denn der Offizier — du hörst doch, was ich sage, Moidi? Sie nickte rasch mit dem Kopf und hob beide Hände auf, als wollte sie ihn bitten, sich nicht über ihr starres Wesen zu verwundern, sondern ruhig fortzuerzählen. Ja siehe, Kind, sagte er, der Herr war sonst ein wackrer Herr, von Adel und reich, und gedachte die Anna auch zu heirathen. Aber er war ein Lutheraner und wollte von unserer heiligen Kirche nichts wissen, und die Anna weinte Tage und Nächte, daß sie ihn in der Verdammniß wissen und ihm nicht helfen sollte.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:27:07Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T11:27:07Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Heyse, Paul: Der Weinhüter von Meran. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 173–319. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_weinhueter_1910/129>, abgerufen am 24.04.2024.