Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heyse, Paul: Der Weinhüter von Meran. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 173–319. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

aus der aus der Thür. Andree saß noch draußen auf der Bank, stand aber nicht auf, als der geistliche Freund herauskam. Auch er, da er sein armes Weib in treuer Hut wußte, hatte die überwachten Sinne nach so langer Anspannung endlich wieder sich selbst überlassen, und so war der Schlaf über ihn gekommen, der beste Seelsorger der Jugend.

Zu derselben Stunde dachte droben auf Schloß Goyen Niemand an Schlaf. Am späten Abend war ein Bursch aus Dorf Tirol, der auch vor Zeiten der Moidi nachgegangen war, zum Franz gekommen und hatte ihm die Neuigkeit von der Heimkehr der beiden Verschollenen und wie es um die Moidi stehe, hinterbracht. Es sei ein großer Zorn unter allen Leuten und ein allgemeines Gerede, das dürfe nicht geduldet werden, die Geistlichkeit müsse einschreiten und solchen Gräuel mit Bann und Feuer von der Erde tilgen, zum furchtbaren Exempel für alle Zeiten.

Den Franz traf diese Nachricht gerade in der übelsten Laune. Er war frischweg von einem Bräutigamszwist mit der jungen Wittwe nach Haus gekommen, und da man ihm droben in solchen Stimmungen sorgfältig aus dem Wege ging, griff er begierig nach dem neuen Anlaß, seine Galle zu erleichtern. Er konnte sich's nicht versagen, in das

aus der aus der Thür. Andree saß noch draußen auf der Bank, stand aber nicht auf, als der geistliche Freund herauskam. Auch er, da er sein armes Weib in treuer Hut wußte, hatte die überwachten Sinne nach so langer Anspannung endlich wieder sich selbst überlassen, und so war der Schlaf über ihn gekommen, der beste Seelsorger der Jugend.

Zu derselben Stunde dachte droben auf Schloß Goyen Niemand an Schlaf. Am späten Abend war ein Bursch aus Dorf Tirol, der auch vor Zeiten der Moidi nachgegangen war, zum Franz gekommen und hatte ihm die Neuigkeit von der Heimkehr der beiden Verschollenen und wie es um die Moidi stehe, hinterbracht. Es sei ein großer Zorn unter allen Leuten und ein allgemeines Gerede, das dürfe nicht geduldet werden, die Geistlichkeit müsse einschreiten und solchen Gräuel mit Bann und Feuer von der Erde tilgen, zum furchtbaren Exempel für alle Zeiten.

Den Franz traf diese Nachricht gerade in der übelsten Laune. Er war frischweg von einem Bräutigamszwist mit der jungen Wittwe nach Haus gekommen, und da man ihm droben in solchen Stimmungen sorgfältig aus dem Wege ging, griff er begierig nach dem neuen Anlaß, seine Galle zu erleichtern. Er konnte sich's nicht versagen, in das

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="3">
        <p><pb facs="#f0135"/>
aus der aus der Thür. Andree saß noch draußen auf     der Bank, stand aber nicht auf, als der geistliche Freund herauskam. Auch er, da er sein armes     Weib in treuer Hut wußte, hatte die überwachten Sinne nach so langer Anspannung endlich wieder     sich selbst überlassen, und so war der Schlaf über ihn gekommen, der beste Seelsorger der     Jugend.</p><lb/>
      </div>
      <div type="chapter" n="4">
        <p>Zu derselben Stunde dachte droben auf Schloß Goyen Niemand an Schlaf. Am späten Abend war ein     Bursch aus Dorf Tirol, der auch vor Zeiten der Moidi nachgegangen war, zum Franz gekommen und     hatte ihm die Neuigkeit von der Heimkehr der beiden Verschollenen und wie es um die Moidi stehe,     hinterbracht. Es sei ein großer Zorn unter allen Leuten und ein allgemeines Gerede, das dürfe     nicht geduldet werden, die Geistlichkeit müsse einschreiten und solchen Gräuel mit Bann und     Feuer von der Erde tilgen, zum furchtbaren Exempel für alle Zeiten.</p><lb/>
        <p>Den Franz traf diese Nachricht gerade in der übelsten Laune. Er war frischweg von einem     Bräutigamszwist mit der jungen Wittwe nach Haus gekommen, und da man ihm droben in solchen     Stimmungen sorgfältig aus dem Wege ging, griff er begierig nach dem neuen Anlaß, seine Galle zu     erleichtern. Er konnte sich's nicht versagen, in das<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0135] aus der aus der Thür. Andree saß noch draußen auf der Bank, stand aber nicht auf, als der geistliche Freund herauskam. Auch er, da er sein armes Weib in treuer Hut wußte, hatte die überwachten Sinne nach so langer Anspannung endlich wieder sich selbst überlassen, und so war der Schlaf über ihn gekommen, der beste Seelsorger der Jugend. Zu derselben Stunde dachte droben auf Schloß Goyen Niemand an Schlaf. Am späten Abend war ein Bursch aus Dorf Tirol, der auch vor Zeiten der Moidi nachgegangen war, zum Franz gekommen und hatte ihm die Neuigkeit von der Heimkehr der beiden Verschollenen und wie es um die Moidi stehe, hinterbracht. Es sei ein großer Zorn unter allen Leuten und ein allgemeines Gerede, das dürfe nicht geduldet werden, die Geistlichkeit müsse einschreiten und solchen Gräuel mit Bann und Feuer von der Erde tilgen, zum furchtbaren Exempel für alle Zeiten. Den Franz traf diese Nachricht gerade in der übelsten Laune. Er war frischweg von einem Bräutigamszwist mit der jungen Wittwe nach Haus gekommen, und da man ihm droben in solchen Stimmungen sorgfältig aus dem Wege ging, griff er begierig nach dem neuen Anlaß, seine Galle zu erleichtern. Er konnte sich's nicht versagen, in das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:27:07Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T11:27:07Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_weinhueter_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_weinhueter_1910/135
Zitationshilfe: Heyse, Paul: Der Weinhüter von Meran. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 173–319. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_weinhueter_1910/135>, abgerufen am 20.04.2024.