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Heyse, Paul: Der Weinhüter von Meran. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 173–319. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Treppenhohlweg hinunter, daß die Mauer, auf der Andree stand, wie von einem Erdbeben erschwankte.

Sofort wurde Alles still, nur ein schwaches Gestöhn drang zu den Ohren des Lauschenden aus der Tiefe herauf, wo die schwere Maste zusammengestürzt war. Der Bursch war nicht mehr im Zweifel darüber, daß es eine von den Kühen des Nachbarn sei, deren Stall an den Rebengarten gränzte. Ein grimmiger Verdacht loderte in ihm auf. Er pfiff zweimal gellend auf den Fingern, sprang dann hinab und schwang sich über die Mauer auf die Straße.

Das gestürzte Thier lag am Rande des Weges halb zwischen den Steinen eingeklemmt und schlug mit den Beinen um sich, die Hörner in den Boden einwühlend. Doch schien es von der Qual befreit, die es vorhin durch die Lauben gehetzt hatte; es stieß nur dann und wann ein dumpfes Brüllen aus, als wollte es Hülfe herbeilocken, und war zahm und geduldig, als Andres herantrat.

Drei oder vier von den andern Burschen kamen jetzt von verschiedenen Seiten herbei, sie wechselten heftige halblaute Reden, ehe sie Anstalten machten, dem Thier wieder auf die Beine zu helfen. Andree schwieg und spähte am Boden umher. Plötzlich hob er mit dem Eisen seiner Waffe etwas Glimmendes vom Boden auf. Es ist richtig! sagte er, ich dachte mir's gleich und roch es, wie ich herunterkam. 's ist eins ihrer Bubenstücke. Da seht!

Treppenhohlweg hinunter, daß die Mauer, auf der Andree stand, wie von einem Erdbeben erschwankte.

Sofort wurde Alles still, nur ein schwaches Gestöhn drang zu den Ohren des Lauschenden aus der Tiefe herauf, wo die schwere Maste zusammengestürzt war. Der Bursch war nicht mehr im Zweifel darüber, daß es eine von den Kühen des Nachbarn sei, deren Stall an den Rebengarten gränzte. Ein grimmiger Verdacht loderte in ihm auf. Er pfiff zweimal gellend auf den Fingern, sprang dann hinab und schwang sich über die Mauer auf die Straße.

Das gestürzte Thier lag am Rande des Weges halb zwischen den Steinen eingeklemmt und schlug mit den Beinen um sich, die Hörner in den Boden einwühlend. Doch schien es von der Qual befreit, die es vorhin durch die Lauben gehetzt hatte; es stieß nur dann und wann ein dumpfes Brüllen aus, als wollte es Hülfe herbeilocken, und war zahm und geduldig, als Andres herantrat.

Drei oder vier von den andern Burschen kamen jetzt von verschiedenen Seiten herbei, sie wechselten heftige halblaute Reden, ehe sie Anstalten machten, dem Thier wieder auf die Beine zu helfen. Andree schwieg und spähte am Boden umher. Plötzlich hob er mit dem Eisen seiner Waffe etwas Glimmendes vom Boden auf. Es ist richtig! sagte er, ich dachte mir's gleich und roch es, wie ich herunterkam. 's ist eins ihrer Bubenstücke. Da seht!

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[0060] Treppenhohlweg hinunter, daß die Mauer, auf der Andree stand, wie von einem Erdbeben erschwankte. Sofort wurde Alles still, nur ein schwaches Gestöhn drang zu den Ohren des Lauschenden aus der Tiefe herauf, wo die schwere Maste zusammengestürzt war. Der Bursch war nicht mehr im Zweifel darüber, daß es eine von den Kühen des Nachbarn sei, deren Stall an den Rebengarten gränzte. Ein grimmiger Verdacht loderte in ihm auf. Er pfiff zweimal gellend auf den Fingern, sprang dann hinab und schwang sich über die Mauer auf die Straße. Das gestürzte Thier lag am Rande des Weges halb zwischen den Steinen eingeklemmt und schlug mit den Beinen um sich, die Hörner in den Boden einwühlend. Doch schien es von der Qual befreit, die es vorhin durch die Lauben gehetzt hatte; es stieß nur dann und wann ein dumpfes Brüllen aus, als wollte es Hülfe herbeilocken, und war zahm und geduldig, als Andres herantrat. Drei oder vier von den andern Burschen kamen jetzt von verschiedenen Seiten herbei, sie wechselten heftige halblaute Reden, ehe sie Anstalten machten, dem Thier wieder auf die Beine zu helfen. Andree schwieg und spähte am Boden umher. Plötzlich hob er mit dem Eisen seiner Waffe etwas Glimmendes vom Boden auf. Es ist richtig! sagte er, ich dachte mir's gleich und roch es, wie ich herunterkam. 's ist eins ihrer Bubenstücke. Da seht!

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:27:07Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T11:27:07Z)

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Zitationshilfe: Heyse, Paul: Der Weinhüter von Meran. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 173–319. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_weinhueter_1910/60>, abgerufen am 28.03.2024.