Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heyse, Paul: Der Weinhüter von Meran. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 173–319. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Schwester anfangen, die keine Stütze hat als dich, wenn die Mutter die Augen schließt.

Die Glut schoß dem Jüngling ins Gesicht und er wandte sich ab. Es ist einmal nicht zu ändern, sagte er dumpf. Hier bleiben, Rede stehen, bestraft und bedauert werden? Lieber gleich in die Hölle fahren, -- Gott verzeih' mir die Sünde! Wenn Sie mir nicht beistehen wollen, Hochwürden, so sag' ich Behüt' Gott! und geh' meiner Wege. 's ist was -- fuhr er zögernder fort -- was ich Ihnen nicht sagen kann, das stößt mich fort von hier, daß mir ist, als müßt' ich grad' ersticken, wenn ich zwischen diesen Bergen noch länger Odem holen sollt'. Und wenn auch Alles glatt abginge beim Amt, ich bliebe doch nicht, ich ginge ins Kloster so wie so, da's unser Herrgott verboten hat, sich selbst aus der Welt zu helfen, was ich freilich am liebsten that'. Aber irgendwo muß ich hin, wo ich für Alle und Jedermann wie todt und begraben bin und auch ganz vergesse, daß noch Menschen auf der Welt sind. Dann kann ich's vielleicht aushalten, sonst nicht, so wahr ich hier vor Ihnen stehe.

Der Priester zog die dünnen Augenbrauen mit einem lauschenden Ausdruck von Wichtigkeit in die Höhe und wiegte den Kopf hin und her. Was sind das für secreta und mysteria? sagte er mißbilligend Auch deinem Beichtvater willst du's nicht sagen?

Dem wohl, erwiderte der Jüngling ausweichend

Schwester anfangen, die keine Stütze hat als dich, wenn die Mutter die Augen schließt.

Die Glut schoß dem Jüngling ins Gesicht und er wandte sich ab. Es ist einmal nicht zu ändern, sagte er dumpf. Hier bleiben, Rede stehen, bestraft und bedauert werden? Lieber gleich in die Hölle fahren, — Gott verzeih' mir die Sünde! Wenn Sie mir nicht beistehen wollen, Hochwürden, so sag' ich Behüt' Gott! und geh' meiner Wege. 's ist was — fuhr er zögernder fort — was ich Ihnen nicht sagen kann, das stößt mich fort von hier, daß mir ist, als müßt' ich grad' ersticken, wenn ich zwischen diesen Bergen noch länger Odem holen sollt'. Und wenn auch Alles glatt abginge beim Amt, ich bliebe doch nicht, ich ginge ins Kloster so wie so, da's unser Herrgott verboten hat, sich selbst aus der Welt zu helfen, was ich freilich am liebsten that'. Aber irgendwo muß ich hin, wo ich für Alle und Jedermann wie todt und begraben bin und auch ganz vergesse, daß noch Menschen auf der Welt sind. Dann kann ich's vielleicht aushalten, sonst nicht, so wahr ich hier vor Ihnen stehe.

Der Priester zog die dünnen Augenbrauen mit einem lauschenden Ausdruck von Wichtigkeit in die Höhe und wiegte den Kopf hin und her. Was sind das für secreta und mysteria? sagte er mißbilligend Auch deinem Beichtvater willst du's nicht sagen?

Dem wohl, erwiderte der Jüngling ausweichend

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="1">
        <p><pb facs="#f0074"/>
Schwester anfangen, die keine Stütze hat als     dich, wenn die Mutter die Augen schließt.</p><lb/>
        <p>Die Glut schoß dem Jüngling ins Gesicht und er wandte sich ab. Es ist einmal nicht zu ändern,     sagte er dumpf. Hier bleiben, Rede stehen, bestraft und bedauert werden? Lieber gleich in die     Hölle fahren, &#x2014; Gott verzeih' mir die Sünde! Wenn Sie mir nicht beistehen wollen, Hochwürden, so     sag' ich Behüt' Gott! und geh' meiner Wege. 's ist was &#x2014; fuhr er zögernder fort &#x2014; was ich Ihnen     nicht sagen kann, das stößt mich fort von hier, daß mir ist, als müßt' ich grad' ersticken, wenn     ich zwischen diesen Bergen noch länger Odem holen sollt'. Und wenn auch Alles glatt abginge beim     Amt, ich bliebe doch nicht, ich ginge ins Kloster so wie so, da's unser Herrgott verboten hat,     sich selbst aus der Welt zu helfen, was ich freilich am liebsten that'. Aber irgendwo muß ich     hin, wo ich für Alle und Jedermann wie todt und begraben bin und auch ganz vergesse, daß noch     Menschen auf der Welt sind. Dann kann ich's vielleicht aushalten, sonst nicht, so wahr ich hier     vor Ihnen stehe.</p><lb/>
        <p>Der Priester zog die dünnen Augenbrauen mit einem lauschenden Ausdruck von Wichtigkeit in die     Höhe und wiegte den Kopf hin und her. Was sind das für secreta und mysteria? sagte er     mißbilligend Auch deinem Beichtvater willst du's nicht sagen?</p><lb/>
        <p>Dem wohl, erwiderte der Jüngling ausweichend<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0074] Schwester anfangen, die keine Stütze hat als dich, wenn die Mutter die Augen schließt. Die Glut schoß dem Jüngling ins Gesicht und er wandte sich ab. Es ist einmal nicht zu ändern, sagte er dumpf. Hier bleiben, Rede stehen, bestraft und bedauert werden? Lieber gleich in die Hölle fahren, — Gott verzeih' mir die Sünde! Wenn Sie mir nicht beistehen wollen, Hochwürden, so sag' ich Behüt' Gott! und geh' meiner Wege. 's ist was — fuhr er zögernder fort — was ich Ihnen nicht sagen kann, das stößt mich fort von hier, daß mir ist, als müßt' ich grad' ersticken, wenn ich zwischen diesen Bergen noch länger Odem holen sollt'. Und wenn auch Alles glatt abginge beim Amt, ich bliebe doch nicht, ich ginge ins Kloster so wie so, da's unser Herrgott verboten hat, sich selbst aus der Welt zu helfen, was ich freilich am liebsten that'. Aber irgendwo muß ich hin, wo ich für Alle und Jedermann wie todt und begraben bin und auch ganz vergesse, daß noch Menschen auf der Welt sind. Dann kann ich's vielleicht aushalten, sonst nicht, so wahr ich hier vor Ihnen stehe. Der Priester zog die dünnen Augenbrauen mit einem lauschenden Ausdruck von Wichtigkeit in die Höhe und wiegte den Kopf hin und her. Was sind das für secreta und mysteria? sagte er mißbilligend Auch deinem Beichtvater willst du's nicht sagen? Dem wohl, erwiderte der Jüngling ausweichend

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:27:07Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T11:27:07Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_weinhueter_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_weinhueter_1910/74
Zitationshilfe: Heyse, Paul: Der Weinhüter von Meran. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 173–319. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_weinhueter_1910/74>, abgerufen am 26.04.2024.