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Heyse, Paul: Der Weinhüter von Meran. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 173–319. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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fand, obwohl Alles von seiner Seite ganz ernstlich gemeint war. Moidi, sagte die Rosine eines Tages zu ihr, ist's wahr, daß du mit dem Franz im Reinen bist? Er sagt's, und ich würde es ja gewiß wünschen, aber ich weiß nicht, ich kann es nicht glauben. Warum nicht? sagte die Moidi trutzig und strich sich mit gleichgültiger Miene die Haare hinters Ohr. Einen muß ich doch einmal nehmen, und der Franz ist so gut wie ein Anderer. Aber das letzte Wort ist noch nicht gesprochen, und du weißt, Rosel, ich kann nicht fort von der Mutter. Mir eilt's auch gar nicht, 's ist nur so langweilig auf der Welt, seit der Andree fort ist, und wenn der Franz kommt und mir was Neues erzählt, oder auch nur da ans die Bank hinsitzt und mich verliebt anschaut und sich dabei die Nasenspitze fast verbrennt mit dem Pfeisel, hab' ich doch dabei was zu lachen.

Die Andere hörte das still mit an. Sie begriff nicht, wie einem die Liebe so lustig vorkommen könne.

Darüber ward es Frühling, die Wiesen waren längst wieder grün, die Kastanienbäume trugen frische Sprossen, und die Passer rauschte mit so hohen Schneewassern unten am Damm vorbei, daß man den Lärm bis oben in dem kleinen Hause auf dem Küchelberg donnern hörte und die letzten Nächte der schwarzen Moidi auch für ihre arme Tochter schlaflos vergingen. Sie hatte dem Bruder nicht gemeldet, daß es mit der Mutter trübselig stehe. Sie wußte, er werde doch nicht kommen, und auch die Mutter bezeigte kein Ver-

fand, obwohl Alles von seiner Seite ganz ernstlich gemeint war. Moidi, sagte die Rosine eines Tages zu ihr, ist's wahr, daß du mit dem Franz im Reinen bist? Er sagt's, und ich würde es ja gewiß wünschen, aber ich weiß nicht, ich kann es nicht glauben. Warum nicht? sagte die Moidi trutzig und strich sich mit gleichgültiger Miene die Haare hinters Ohr. Einen muß ich doch einmal nehmen, und der Franz ist so gut wie ein Anderer. Aber das letzte Wort ist noch nicht gesprochen, und du weißt, Rosel, ich kann nicht fort von der Mutter. Mir eilt's auch gar nicht, 's ist nur so langweilig auf der Welt, seit der Andree fort ist, und wenn der Franz kommt und mir was Neues erzählt, oder auch nur da ans die Bank hinsitzt und mich verliebt anschaut und sich dabei die Nasenspitze fast verbrennt mit dem Pfeisel, hab' ich doch dabei was zu lachen.

Die Andere hörte das still mit an. Sie begriff nicht, wie einem die Liebe so lustig vorkommen könne.

Darüber ward es Frühling, die Wiesen waren längst wieder grün, die Kastanienbäume trugen frische Sprossen, und die Passer rauschte mit so hohen Schneewassern unten am Damm vorbei, daß man den Lärm bis oben in dem kleinen Hause auf dem Küchelberg donnern hörte und die letzten Nächte der schwarzen Moidi auch für ihre arme Tochter schlaflos vergingen. Sie hatte dem Bruder nicht gemeldet, daß es mit der Mutter trübselig stehe. Sie wußte, er werde doch nicht kommen, und auch die Mutter bezeigte kein Ver-

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[0085] fand, obwohl Alles von seiner Seite ganz ernstlich gemeint war. Moidi, sagte die Rosine eines Tages zu ihr, ist's wahr, daß du mit dem Franz im Reinen bist? Er sagt's, und ich würde es ja gewiß wünschen, aber ich weiß nicht, ich kann es nicht glauben. Warum nicht? sagte die Moidi trutzig und strich sich mit gleichgültiger Miene die Haare hinters Ohr. Einen muß ich doch einmal nehmen, und der Franz ist so gut wie ein Anderer. Aber das letzte Wort ist noch nicht gesprochen, und du weißt, Rosel, ich kann nicht fort von der Mutter. Mir eilt's auch gar nicht, 's ist nur so langweilig auf der Welt, seit der Andree fort ist, und wenn der Franz kommt und mir was Neues erzählt, oder auch nur da ans die Bank hinsitzt und mich verliebt anschaut und sich dabei die Nasenspitze fast verbrennt mit dem Pfeisel, hab' ich doch dabei was zu lachen. Die Andere hörte das still mit an. Sie begriff nicht, wie einem die Liebe so lustig vorkommen könne. Darüber ward es Frühling, die Wiesen waren längst wieder grün, die Kastanienbäume trugen frische Sprossen, und die Passer rauschte mit so hohen Schneewassern unten am Damm vorbei, daß man den Lärm bis oben in dem kleinen Hause auf dem Küchelberg donnern hörte und die letzten Nächte der schwarzen Moidi auch für ihre arme Tochter schlaflos vergingen. Sie hatte dem Bruder nicht gemeldet, daß es mit der Mutter trübselig stehe. Sie wußte, er werde doch nicht kommen, und auch die Mutter bezeigte kein Ver-

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:27:07Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T11:27:07Z)

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Zitationshilfe: Heyse, Paul: Der Weinhüter von Meran. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 173–319. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heyse_weinhueter_1910/85>, abgerufen am 24.04.2024.