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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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In Göttingen spielt' ich auf Fechtboden
und Reithaus Alexander, wiewohl ohne an
jene jugendliche Ritterspiele zu denken, deren
vorgestecktes Kleinod Mine war. Berlin
aber sah ich vor mir; den Paradeplatz nem-
lich in Berlin und in Potsdam, wo der Kö-
nig, wie die Sonn' auf ein Geländer Pfir-
schen, wirkt; dann schien es, daß sich ein Ge-
danke in mir hob, der wollte und noch nicht
konnte. Man muß ihm seine neun Monden
Zeit lassen! -- Getauft soll er werden, wenn
er zur Welt kommt. --

Ich studirte die Mathematik. Sie, dacht'
ich, ist zu allen Dingen nütze. Sie ist das
Lineal, und lehrt, sich bey allen Wissenschaf-
ten gerade halten. Selbst Cicero maaß --
-- Doch hatt' er nicht zu viel Mathematik
in seinen Reden?

Zu viel Mathematik im Felde taugt nicht.
Was meynen meine Leser vom ciceroniani-
schen Kriege?

Mein Vater war mit dem ganzen Gange
meiner Studien, den ich ihm getreulich und
sonder Gefehrde vorlegte, zufrieden. Meine
Mutter empfahl mir, große Männer zu hö-
ren, die sich hören ließen, um ihren Aus-
druck beyzubehalten, und ich lernte hier einen

kennen,

In Goͤttingen ſpielt’ ich auf Fechtboden
und Reithaus Alexander, wiewohl ohne an
jene jugendliche Ritterſpiele zu denken, deren
vorgeſtecktes Kleinod Mine war. Berlin
aber ſah ich vor mir; den Paradeplatz nem-
lich in Berlin und in Potsdam, wo der Koͤ-
nig, wie die Sonn’ auf ein Gelaͤnder Pfir-
ſchen, wirkt; dann ſchien es, daß ſich ein Ge-
danke in mir hob, der wollte und noch nicht
konnte. Man muß ihm ſeine neun Monden
Zeit laſſen! — Getauft ſoll er werden, wenn
er zur Welt kommt. —

Ich ſtudirte die Mathematik. Sie, dacht’
ich, iſt zu allen Dingen nuͤtze. Sie iſt das
Lineal, und lehrt, ſich bey allen Wiſſenſchaf-
ten gerade halten. Selbſt Cicero maaß —
— Doch hatt’ er nicht zu viel Mathematik
in ſeinen Reden?

Zu viel Mathematik im Felde taugt nicht.
Was meynen meine Leſer vom ciceroniani-
ſchen Kriege?

Mein Vater war mit dem ganzen Gange
meiner Studien, den ich ihm getreulich und
ſonder Gefehrde vorlegte, zufrieden. Meine
Mutter empfahl mir, große Maͤnner zu hoͤ-
ren, die ſich hoͤren ließen, um ihren Aus-
druck beyzubehalten, und ich lernte hier einen

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[10/0018] In Goͤttingen ſpielt’ ich auf Fechtboden und Reithaus Alexander, wiewohl ohne an jene jugendliche Ritterſpiele zu denken, deren vorgeſtecktes Kleinod Mine war. Berlin aber ſah ich vor mir; den Paradeplatz nem- lich in Berlin und in Potsdam, wo der Koͤ- nig, wie die Sonn’ auf ein Gelaͤnder Pfir- ſchen, wirkt; dann ſchien es, daß ſich ein Ge- danke in mir hob, der wollte und noch nicht konnte. Man muß ihm ſeine neun Monden Zeit laſſen! — Getauft ſoll er werden, wenn er zur Welt kommt. — Ich ſtudirte die Mathematik. Sie, dacht’ ich, iſt zu allen Dingen nuͤtze. Sie iſt das Lineal, und lehrt, ſich bey allen Wiſſenſchaf- ten gerade halten. Selbſt Cicero maaß — — Doch hatt’ er nicht zu viel Mathematik in ſeinen Reden? Zu viel Mathematik im Felde taugt nicht. Was meynen meine Leſer vom ciceroniani- ſchen Kriege? Mein Vater war mit dem ganzen Gange meiner Studien, den ich ihm getreulich und ſonder Gefehrde vorlegte, zufrieden. Meine Mutter empfahl mir, große Maͤnner zu hoͤ- ren, die ſich hoͤren ließen, um ihren Aus- druck beyzubehalten, und ich lernte hier einen kennen,

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/18>, abgerufen am 19.04.2024.