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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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dem Menschen, für ein Ende haben werde;
so wär' es doch noch ein Erfinder gewesen;
allein so gehts! Wenn die Menschen sich
zeigen, kehren sie wohl vor ihrer eigenen
Thür?

Seht, wie die Natur es zur Menschen-
kenntnis recht geflißentlich angelegt hat! Die
Menschen sind gesellig, wie man sagt. Wenn
wir nach Menschen auslaufen, wollen wir
die meiste Zeit nicht den Menschen, sondern
diese oder jene That. Nur wenn man was
Großes von Jemanden gehört, ist man begie-
rig, ihn zu sehen, und wenn man ihn sieht,
sieht man denn wohl den Menschen? -- Fast
nicht, sondern seinen Geist, (sein Gespenst,)
die That, die ihn vergrößerte. Es ist eine
Erscheinung! Ein Gesicht! Schurken dren-
gen sich vielleicht, große Leute zu sehen, weil
sie sich nicht vorstellen können, daß es solche
Menschen gebe. Der Edle sieht im Spiegel.

Auch den Bösartigsten will man sehen;
vielleicht um seine Pfosten zu sichern, daß der
Würgengel vorüber gehe! Akademien sind
selbst, um zu sehen. Das Gehör ist ein Stück
vom Gesicht. Im Othem liegt die Liebe, in
der Rede die Probe von Weisheit und Thor-
heit. Rede und du bist, hab' ich schon sonst

wo

dem Menſchen, fuͤr ein Ende haben werde;
ſo waͤr’ es doch noch ein Erfinder geweſen;
allein ſo gehts! Wenn die Menſchen ſich
zeigen, kehren ſie wohl vor ihrer eigenen
Thuͤr?

Seht, wie die Natur es zur Menſchen-
kenntnis recht geflißentlich angelegt hat! Die
Menſchen ſind geſellig, wie man ſagt. Wenn
wir nach Menſchen auslaufen, wollen wir
die meiſte Zeit nicht den Menſchen, ſondern
dieſe oder jene That. Nur wenn man was
Großes von Jemanden gehoͤrt, iſt man begie-
rig, ihn zu ſehen, und wenn man ihn ſieht,
ſieht man denn wohl den Menſchen? — Faſt
nicht, ſondern ſeinen Geiſt, (ſein Geſpenſt,)
die That, die ihn vergroͤßerte. Es iſt eine
Erſcheinung! Ein Geſicht! Schurken dren-
gen ſich vielleicht, große Leute zu ſehen, weil
ſie ſich nicht vorſtellen koͤnnen, daß es ſolche
Menſchen gebe. Der Edle ſieht im Spiegel.

Auch den Boͤsartigſten will man ſehen;
vielleicht um ſeine Pfoſten zu ſichern, daß der
Wuͤrgengel voruͤber gehe! Akademien ſind
ſelbſt, um zu ſehen. Das Gehoͤr iſt ein Stuͤck
vom Geſicht. Im Othem liegt die Liebe, in
der Rede die Probe von Weisheit und Thor-
heit. Rede und du biſt, hab’ ich ſchon ſonſt

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[18/0024] dem Menſchen, fuͤr ein Ende haben werde; ſo waͤr’ es doch noch ein Erfinder geweſen; allein ſo gehts! Wenn die Menſchen ſich zeigen, kehren ſie wohl vor ihrer eigenen Thuͤr? Seht, wie die Natur es zur Menſchen- kenntnis recht geflißentlich angelegt hat! Die Menſchen ſind geſellig, wie man ſagt. Wenn wir nach Menſchen auslaufen, wollen wir die meiſte Zeit nicht den Menſchen, ſondern dieſe oder jene That. Nur wenn man was Großes von Jemanden gehoͤrt, iſt man begie- rig, ihn zu ſehen, und wenn man ihn ſieht, ſieht man denn wohl den Menſchen? — Faſt nicht, ſondern ſeinen Geiſt, (ſein Geſpenſt,) die That, die ihn vergroͤßerte. Es iſt eine Erſcheinung! Ein Geſicht! Schurken dren- gen ſich vielleicht, große Leute zu ſehen, weil ſie ſich nicht vorſtellen koͤnnen, daß es ſolche Menſchen gebe. Der Edle ſieht im Spiegel. Auch den Boͤsartigſten will man ſehen; vielleicht um ſeine Pfoſten zu ſichern, daß der Wuͤrgengel voruͤber gehe! Akademien ſind ſelbſt, um zu ſehen. Das Gehoͤr iſt ein Stuͤck vom Geſicht. Im Othem liegt die Liebe, in der Rede die Probe von Weisheit und Thor- heit. Rede und du biſt, hab’ ich ſchon ſonſt wo

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/24>, abgerufen am 18.04.2024.