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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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"Eher hätt' ich das bedenken sollen?"
und wenn ichs bedacht hätte, gestrenger Herr,
bin ich denn nicht auf der Akademie? und
sollte man, so bald man der Sache näher
tritt, nicht finden, daß ich auch hier handle,
und nicht erzähle! Hier ist Vivat und Pe-
reat, hoch und tief! -- eine Serenade und
eine Stunde im Anditorio.

Wollen Ew. Gestrengigkeit alles mit Ei-
nem von hohen Schulen? Wir haben ihnen
die Absonderung der Wissenschaften, die Be-
völkerung derselben zu danken, und ein ge-
wißes Stellen in Reih und Glieder. Zwar
weiß ich den Einwand dagegen; allein wird
dieser Maurbrecher unserm System Schaden
zufügen? Freylich ist alles in der Welt in
der Gemeinheit, und freylich ist noch die Fra-
ge: ob es denn so gut sey, daß alles und je-
des aus der Gemeinheit gesetzt werde? Frey-
lich kann man auch seine Lieblingswißenschaft
nicht ganz aus aller Gemeinheit bringen, da
selbst Leib und Seele in einander wirken; in-
deßen ist doch ein Tausendkünstler gemeinhin
ein schlechter Künstler! -- Der Schuster kann
dem Mahler nicht verbieten, einen Schuh zu
treffen, und der Schneider nicht, wenn der
Mahler ein Kleid fertiget; allein gemahlt ist

nicht

„Eher haͤtt’ ich das bedenken ſollen?“
und wenn ichs bedacht haͤtte, geſtrenger Herr,
bin ich denn nicht auf der Akademie? und
ſollte man, ſo bald man der Sache naͤher
tritt, nicht finden, daß ich auch hier handle,
und nicht erzaͤhle! Hier iſt Vivat und Pe-
reat, hoch und tief! — eine Serenade und
eine Stunde im Anditorio.

Wollen Ew. Geſtrengigkeit alles mit Ei-
nem von hohen Schulen? Wir haben ihnen
die Abſonderung der Wiſſenſchaften, die Be-
voͤlkerung derſelben zu danken, und ein ge-
wißes Stellen in Reih und Glieder. Zwar
weiß ich den Einwand dagegen; allein wird
dieſer Maurbrecher unſerm Syſtem Schaden
zufuͤgen? Freylich iſt alles in der Welt in
der Gemeinheit, und freylich iſt noch die Fra-
ge: ob es denn ſo gut ſey, daß alles und je-
des aus der Gemeinheit geſetzt werde? Frey-
lich kann man auch ſeine Lieblingswißenſchaft
nicht ganz aus aller Gemeinheit bringen, da
ſelbſt Leib und Seele in einander wirken; in-
deßen iſt doch ein Tauſendkuͤnſtler gemeinhin
ein ſchlechter Kuͤnſtler! — Der Schuſter kann
dem Mahler nicht verbieten, einen Schuh zu
treffen, und der Schneider nicht, wenn der
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[20/0026] „Eher haͤtt’ ich das bedenken ſollen?“ und wenn ichs bedacht haͤtte, geſtrenger Herr, bin ich denn nicht auf der Akademie? und ſollte man, ſo bald man der Sache naͤher tritt, nicht finden, daß ich auch hier handle, und nicht erzaͤhle! Hier iſt Vivat und Pe- reat, hoch und tief! — eine Serenade und eine Stunde im Anditorio. Wollen Ew. Geſtrengigkeit alles mit Ei- nem von hohen Schulen? Wir haben ihnen die Abſonderung der Wiſſenſchaften, die Be- voͤlkerung derſelben zu danken, und ein ge- wißes Stellen in Reih und Glieder. Zwar weiß ich den Einwand dagegen; allein wird dieſer Maurbrecher unſerm Syſtem Schaden zufuͤgen? Freylich iſt alles in der Welt in der Gemeinheit, und freylich iſt noch die Fra- ge: ob es denn ſo gut ſey, daß alles und je- des aus der Gemeinheit geſetzt werde? Frey- lich kann man auch ſeine Lieblingswißenſchaft nicht ganz aus aller Gemeinheit bringen, da ſelbſt Leib und Seele in einander wirken; in- deßen iſt doch ein Tauſendkuͤnſtler gemeinhin ein ſchlechter Kuͤnſtler! — Der Schuſter kann dem Mahler nicht verbieten, einen Schuh zu treffen, und der Schneider nicht, wenn der Mahler ein Kleid fertiget; allein gemahlt iſt nicht

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/26>, abgerufen am 23.04.2024.