Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

Himmelschlüßelchen und Krausemünze. Sie
hatte mit Schmerzen ein Kind gebohren; al-
lein dafür hatte sie auch einen Sohn. Dieser
hies zwar Alexander; allein er studirte Theo-
logie. Ihr Ehemann sagte zwar nicht, wo
fein Vaterland wäre; indeßen war er doch
rein und lauter in Lehr und Leben. Zwar
konnte sie eine Zeitlang keinen Menschen aufs
Kanapee nöthigen, der Name Melchisedech
ward nicht anders als bey gedeckten Thüren
ausgesprochen, und selbst alsdenn noch nur
ins Ohr; indeßen schlug mein Vater doch
durch eine einzige Predigt so viele Blutgierige
und Falsche, und befreyte das Kanapee, das,
wie ein verfluchtes Schloß, wüste war, vom
Fluch. -- Ein Weib, wie meine Mutter, war
mit allen Wegen Gottes kindlich zufrieden. --
Wenn sie unter den Israeliten gewesen, so
hätte sie nach keinen Wachteln verlangt, ob-
gleich sie ein Priesterweib und aus dem Stamme
Levi war. Mit Manna hätte sie sich begnügt,
so daß ihr nie ein Fleischtopf eingefallen wäre.
Sie war nicht wachtellüstern. Viel für eine
Paftorin! Da ich in meinem vierzehnten Jahr
ohne Hofnung krank danieder lag, und mein
Vater Licht! Licht! Licht! rief; sang sie
mit einer Seelenfaßung:

Gott

Himmelſchluͤßelchen und Krauſemuͤnze. Sie
hatte mit Schmerzen ein Kind gebohren; al-
lein dafuͤr hatte ſie auch einen Sohn. Dieſer
hies zwar Alexander; allein er ſtudirte Theo-
logie. Ihr Ehemann ſagte zwar nicht, wo
fein Vaterland waͤre; indeßen war er doch
rein und lauter in Lehr und Leben. Zwar
konnte ſie eine Zeitlang keinen Menſchen aufs
Kanapee noͤthigen, der Name Melchiſedech
ward nicht anders als bey gedeckten Thuͤren
ausgeſprochen, und ſelbſt alsdenn noch nur
ins Ohr; indeßen ſchlug mein Vater doch
durch eine einzige Predigt ſo viele Blutgierige
und Falſche, und befreyte das Kanapee, das,
wie ein verfluchtes Schloß, wuͤſte war, vom
Fluch. — Ein Weib, wie meine Mutter, war
mit allen Wegen Gottes kindlich zufrieden. —
Wenn ſie unter den Iſraeliten geweſen, ſo
haͤtte ſie nach keinen Wachteln verlangt, ob-
gleich ſie ein Prieſterweib und aus dem Stamme
Levi war. Mit Manna haͤtte ſie ſich begnuͤgt,
ſo daß ihr nie ein Fleiſchtopf eingefallen waͤre.
Sie war nicht wachtelluͤſtern. Viel fuͤr eine
Paftorin! Da ich in meinem vierzehnten Jahr
ohne Hofnung krank danieder lag, und mein
Vater Licht! Licht! Licht! rief; ſang ſie
mit einer Seelenfaßung:

Gott
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0046" n="40"/>
Himmel&#x017F;chlu&#x0364;ßelchen und Krau&#x017F;emu&#x0364;nze. Sie<lb/>
hatte mit Schmerzen ein Kind gebohren; al-<lb/>
lein dafu&#x0364;r hatte &#x017F;ie auch einen Sohn. Die&#x017F;er<lb/>
hies zwar Alexander; allein er &#x017F;tudirte Theo-<lb/>
logie. Ihr Ehemann &#x017F;agte zwar nicht, wo<lb/>
fein Vaterland wa&#x0364;re; indeßen war er doch<lb/>
rein und lauter in Lehr und Leben. Zwar<lb/>
konnte &#x017F;ie eine Zeitlang keinen Men&#x017F;chen aufs<lb/>
Kanapee no&#x0364;thigen, der Name Melchi&#x017F;edech<lb/>
ward nicht anders als bey gedeckten Thu&#x0364;ren<lb/>
ausge&#x017F;prochen, und &#x017F;elb&#x017F;t alsdenn noch nur<lb/>
ins Ohr; indeßen &#x017F;chlug mein Vater doch<lb/>
durch eine einzige Predigt &#x017F;o viele Blutgierige<lb/>
und Fal&#x017F;che, und befreyte das Kanapee, das,<lb/>
wie ein verfluchtes Schloß, wu&#x0364;&#x017F;te war, vom<lb/>
Fluch. &#x2014; Ein Weib, wie meine Mutter, war<lb/>
mit allen Wegen Gottes kindlich zufrieden. &#x2014;<lb/>
Wenn &#x017F;ie unter den I&#x017F;raeliten gewe&#x017F;en, &#x017F;o<lb/>
ha&#x0364;tte &#x017F;ie nach keinen Wachteln verlangt, ob-<lb/>
gleich &#x017F;ie ein Prie&#x017F;terweib und aus dem Stamme<lb/>
Levi war. Mit Manna ha&#x0364;tte &#x017F;ie &#x017F;ich begnu&#x0364;gt,<lb/>
&#x017F;o daß ihr nie ein Flei&#x017F;chtopf eingefallen wa&#x0364;re.<lb/>
Sie war nicht wachtellu&#x0364;&#x017F;tern. Viel fu&#x0364;r eine<lb/>
Paftorin! Da ich in meinem vierzehnten Jahr<lb/>
ohne Hofnung krank danieder lag, und mein<lb/><hi rendition="#fr">Vater Licht! Licht! Licht</hi>! rief; &#x017F;ang &#x017F;ie<lb/>
mit einer Seelenfaßung:</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">Gott</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[40/0046] Himmelſchluͤßelchen und Krauſemuͤnze. Sie hatte mit Schmerzen ein Kind gebohren; al- lein dafuͤr hatte ſie auch einen Sohn. Dieſer hies zwar Alexander; allein er ſtudirte Theo- logie. Ihr Ehemann ſagte zwar nicht, wo fein Vaterland waͤre; indeßen war er doch rein und lauter in Lehr und Leben. Zwar konnte ſie eine Zeitlang keinen Menſchen aufs Kanapee noͤthigen, der Name Melchiſedech ward nicht anders als bey gedeckten Thuͤren ausgeſprochen, und ſelbſt alsdenn noch nur ins Ohr; indeßen ſchlug mein Vater doch durch eine einzige Predigt ſo viele Blutgierige und Falſche, und befreyte das Kanapee, das, wie ein verfluchtes Schloß, wuͤſte war, vom Fluch. — Ein Weib, wie meine Mutter, war mit allen Wegen Gottes kindlich zufrieden. — Wenn ſie unter den Iſraeliten geweſen, ſo haͤtte ſie nach keinen Wachteln verlangt, ob- gleich ſie ein Prieſterweib und aus dem Stamme Levi war. Mit Manna haͤtte ſie ſich begnuͤgt, ſo daß ihr nie ein Fleiſchtopf eingefallen waͤre. Sie war nicht wachtelluͤſtern. Viel fuͤr eine Paftorin! Da ich in meinem vierzehnten Jahr ohne Hofnung krank danieder lag, und mein Vater Licht! Licht! Licht! rief; ſang ſie mit einer Seelenfaßung: Gott

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/46
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/46>, abgerufen am 25.04.2024.