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Hoefer, Edmund: Rolof, der Rekrut. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Schnurrbart links und rechts auseinander, und nachdem er auf seine beiden besorgten Zuhörer einen flüchtigen Blick gerichtet, warf er die Augen gedankenvoll in die Ferne und begann seine Erzählung.

Wie ihr wißt, bin ich nicht aus dieser verfluchten Sandbüchse, sondern von der See her, und mein Geburtsort ist ein Dorf am Strande, nicht über ein paar Meilen von S. Es ist von hier nur eine gute Tagereise entfernt, dennoch bin ich seit vierzig Jahren nicht mehr dort gewesen, und ich kann daher auch nicht sagen, wie das alte gute Nest sich jetzo anläßt. Damals aber war das Dorf reich und belebt. Es war voll von Schiffern und Matrosen, die so kühn und brav waren, wie irgend welche auf der Welt; denn die See dort ist eine heimtückische Creatur, jetzt wie Milch so glatt, und gleich darauf unter einem plötzlichen Windstoß aufbrausend und heulend, als säßen zehntausend Schock Teufel drin. Da sind Männer nöthig, wie es unsere Burschen waren. Viele fuhren mit den Schiffen der Kaufherren von S., Andere trieben Fischerei, Andere andere Geschäfte auf eigene Rechnung; denn es gab bei uns viel zu thun. Der Hafen des Dorfs war ausgesucht, bequemer als der zu S., wenn auch nicht so groß, und bei weitem nicht so leicht dem Versanden ausgesetzt. Deßhalb richteten denn auch manche Kaufleute bei uns Nebencomptoirs ein, andere brachten sogar ihr ganzes Geschäft herüber, denn die schweren Schiffe, die nach den Indien, nach Brasilienland und da herum fahren,

Schnurrbart links und rechts auseinander, und nachdem er auf seine beiden besorgten Zuhörer einen flüchtigen Blick gerichtet, warf er die Augen gedankenvoll in die Ferne und begann seine Erzählung.

Wie ihr wißt, bin ich nicht aus dieser verfluchten Sandbüchse, sondern von der See her, und mein Geburtsort ist ein Dorf am Strande, nicht über ein paar Meilen von S. Es ist von hier nur eine gute Tagereise entfernt, dennoch bin ich seit vierzig Jahren nicht mehr dort gewesen, und ich kann daher auch nicht sagen, wie das alte gute Nest sich jetzo anläßt. Damals aber war das Dorf reich und belebt. Es war voll von Schiffern und Matrosen, die so kühn und brav waren, wie irgend welche auf der Welt; denn die See dort ist eine heimtückische Creatur, jetzt wie Milch so glatt, und gleich darauf unter einem plötzlichen Windstoß aufbrausend und heulend, als säßen zehntausend Schock Teufel drin. Da sind Männer nöthig, wie es unsere Burschen waren. Viele fuhren mit den Schiffen der Kaufherren von S., Andere trieben Fischerei, Andere andere Geschäfte auf eigene Rechnung; denn es gab bei uns viel zu thun. Der Hafen des Dorfs war ausgesucht, bequemer als der zu S., wenn auch nicht so groß, und bei weitem nicht so leicht dem Versanden ausgesetzt. Deßhalb richteten denn auch manche Kaufleute bei uns Nebencomptoirs ein, andere brachten sogar ihr ganzes Geschäft herüber, denn die schweren Schiffe, die nach den Indien, nach Brasilienland und da herum fahren,

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:37:13Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Hoefer, Edmund: Rolof, der Rekrut. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoefer_rekrut_1910/11>, abgerufen am 28.03.2024.