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Hoefer, Edmund: Rolof, der Rekrut. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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-- so nannte man die Officianten ihrer Uniform wegen -- haßten ihn ärger als die Pest, die Behörden waren ihm nicht grün, und lieben that ihn Keiner, wenn nicht die Weibsleute, die er schier alle mit einander im Sack hatte. Schon da er zu uns gekommen, war er kein Knabe mehr, und jetzt hatte er der Jahre und Mühseligkeiten noch manche dazu auf dem Rücken. Er war ein starker, knochiger Mann und nicht schön, von den Pocken zerrissen, vom Wetter gebräunt und zerschlagen; seine Augen schauten immer wild und finster, seine Sprache war hart und rauh; von seinem frühern Leben sagte man, daß er entweder mit Menschenfleisch gehandelt oder Seeräuberei getrieben in den fernen Gewässern; sein jetziges Treiben zog ihm den Ruf eines Hexenmeisters zu -- und dennoch hatte er die Wahl unter den Dirnen -- und seine Wahl traf meine Schwester.

Meine Alten mochten den Holländer nicht und verweigerten ihm die Tochter rundweg; da ging die Marie in das Haus desselben und erklärte, sie bleibe bei ihm so wie so. Um nun von so einem wilden Leben keine Schande für ihre ehrlichen grauen Haare zu haben, gaben die Eltern nach. Allein sie gingen nicht zur Schwester, und sie und ihr Mann kamen nicht zu uns, bis nach Jahr und Tag die Marie ihr erstes und emsiges Kind gebar. Am Tage der Taufe sah man meinen Alten zum erstenmal im Hause des Schwiegersohns, glücklich und erfreut über den derben Enkel; Marie war glückselig und flügg wie ein Bootswimpel; Jan,

— so nannte man die Officianten ihrer Uniform wegen — haßten ihn ärger als die Pest, die Behörden waren ihm nicht grün, und lieben that ihn Keiner, wenn nicht die Weibsleute, die er schier alle mit einander im Sack hatte. Schon da er zu uns gekommen, war er kein Knabe mehr, und jetzt hatte er der Jahre und Mühseligkeiten noch manche dazu auf dem Rücken. Er war ein starker, knochiger Mann und nicht schön, von den Pocken zerrissen, vom Wetter gebräunt und zerschlagen; seine Augen schauten immer wild und finster, seine Sprache war hart und rauh; von seinem frühern Leben sagte man, daß er entweder mit Menschenfleisch gehandelt oder Seeräuberei getrieben in den fernen Gewässern; sein jetziges Treiben zog ihm den Ruf eines Hexenmeisters zu — und dennoch hatte er die Wahl unter den Dirnen — und seine Wahl traf meine Schwester.

Meine Alten mochten den Holländer nicht und verweigerten ihm die Tochter rundweg; da ging die Marie in das Haus desselben und erklärte, sie bleibe bei ihm so wie so. Um nun von so einem wilden Leben keine Schande für ihre ehrlichen grauen Haare zu haben, gaben die Eltern nach. Allein sie gingen nicht zur Schwester, und sie und ihr Mann kamen nicht zu uns, bis nach Jahr und Tag die Marie ihr erstes und emsiges Kind gebar. Am Tage der Taufe sah man meinen Alten zum erstenmal im Hause des Schwiegersohns, glücklich und erfreut über den derben Enkel; Marie war glückselig und flügg wie ein Bootswimpel; Jan,

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:37:13Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Hoefer, Edmund: Rolof, der Rekrut. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoefer_rekrut_1910/15>, abgerufen am 24.04.2024.