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Hoefer, Edmund: Rolof, der Rekrut. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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hansigen Buben? Ja, du -- morden könnt' ich dich, morden! Erst so groß und nun so klein! Wozu hat dir unser Herrgott denn einen gesunden, rechtschaffenen Verstand gegeben, daß du ihn so nichtswürdig verhunzen mußtest?

Ich weiß nicht mehr, was ich noch weiter sagte, ich hab' es nie gewußt, ich war toll, und als ich meine fünf Sinne endlich wieder fand, als ich ihn nun da vor mir sitzen sah, die Augen jetzt geöffnet und auf mich gerichtet -- fest, ernsthaft, drohend, bittend, müd bis zum Sterben -- Alles, was ein paar Augen sagen können, wenn der Wahnsinn um den Kopf freist, und nun gar seine Augen, Rolof's, den ich trotz alledem lieber hatte als mein Herzblut -- als ich sein wackeres Aeußere so nichtswürdig wüst und verstört sah -- da brach ich in helle Thränen aus. Ja, schaut mich an, wie ihr wollt, ich sag's und schäme mich dessen nicht, ich, der Ralow, der starke, gesetzte, vernünftige Kerl, ich weinte wie ein Weib, schier trostlos, und rang meine Hände und wußte mir nicht zu rathen noch zu helfen. Rolof! rief ich und fiel ihm um den Hals und herzte und hielt ihn, wie seine Mutter ihn nie herziger an ihre Brust, in ihren Arm gedrückt, Rolof, teuflischer Nichtsnutz, kommst du so zu mir und bringst meinen Augen solch ein Elend!

Ja, schaut mich nur an, Ohm, sagte er finster, und er weinte nicht; ich bin's, ich, der Rolof van der Kerken, Eurer Schwester Kind, der freie Mann, der

hansigen Buben? Ja, du — morden könnt' ich dich, morden! Erst so groß und nun so klein! Wozu hat dir unser Herrgott denn einen gesunden, rechtschaffenen Verstand gegeben, daß du ihn so nichtswürdig verhunzen mußtest?

Ich weiß nicht mehr, was ich noch weiter sagte, ich hab' es nie gewußt, ich war toll, und als ich meine fünf Sinne endlich wieder fand, als ich ihn nun da vor mir sitzen sah, die Augen jetzt geöffnet und auf mich gerichtet — fest, ernsthaft, drohend, bittend, müd bis zum Sterben — Alles, was ein paar Augen sagen können, wenn der Wahnsinn um den Kopf freist, und nun gar seine Augen, Rolof's, den ich trotz alledem lieber hatte als mein Herzblut — als ich sein wackeres Aeußere so nichtswürdig wüst und verstört sah — da brach ich in helle Thränen aus. Ja, schaut mich an, wie ihr wollt, ich sag's und schäme mich dessen nicht, ich, der Ralow, der starke, gesetzte, vernünftige Kerl, ich weinte wie ein Weib, schier trostlos, und rang meine Hände und wußte mir nicht zu rathen noch zu helfen. Rolof! rief ich und fiel ihm um den Hals und herzte und hielt ihn, wie seine Mutter ihn nie herziger an ihre Brust, in ihren Arm gedrückt, Rolof, teuflischer Nichtsnutz, kommst du so zu mir und bringst meinen Augen solch ein Elend!

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[0026] hansigen Buben? Ja, du — morden könnt' ich dich, morden! Erst so groß und nun so klein! Wozu hat dir unser Herrgott denn einen gesunden, rechtschaffenen Verstand gegeben, daß du ihn so nichtswürdig verhunzen mußtest? Ich weiß nicht mehr, was ich noch weiter sagte, ich hab' es nie gewußt, ich war toll, und als ich meine fünf Sinne endlich wieder fand, als ich ihn nun da vor mir sitzen sah, die Augen jetzt geöffnet und auf mich gerichtet — fest, ernsthaft, drohend, bittend, müd bis zum Sterben — Alles, was ein paar Augen sagen können, wenn der Wahnsinn um den Kopf freist, und nun gar seine Augen, Rolof's, den ich trotz alledem lieber hatte als mein Herzblut — als ich sein wackeres Aeußere so nichtswürdig wüst und verstört sah — da brach ich in helle Thränen aus. Ja, schaut mich an, wie ihr wollt, ich sag's und schäme mich dessen nicht, ich, der Ralow, der starke, gesetzte, vernünftige Kerl, ich weinte wie ein Weib, schier trostlos, und rang meine Hände und wußte mir nicht zu rathen noch zu helfen. Rolof! rief ich und fiel ihm um den Hals und herzte und hielt ihn, wie seine Mutter ihn nie herziger an ihre Brust, in ihren Arm gedrückt, Rolof, teuflischer Nichtsnutz, kommst du so zu mir und bringst meinen Augen solch ein Elend! Ja, schaut mich nur an, Ohm, sagte er finster, und er weinte nicht; ich bin's, ich, der Rolof van der Kerken, Eurer Schwester Kind, der freie Mann, der

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:37:13Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T11:37:13Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Hoefer, Edmund: Rolof, der Rekrut. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoefer_rekrut_1910/26>, abgerufen am 18.04.2024.