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Hoefer, Edmund: Rolof, der Rekrut. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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da vor Euch sitzt wie ein Verbrecher, zerschlagen, zerrauft, in Ketten, ja in Eisen, wie ein Meuterer, wie ein Hund. Und ich habe doch nur mein Recht gewahrt, meine Freiheit, mein Recht! -- So? entgegnete ich, indem ich ihm ernsthaft und fest in die brennenden Augen schaute, also nun ist dein Recht geworden, was doch nur deine baare Thorheit war! Bist du nicht Unterthan des Staates? nicht cantonpflichtig? Willst du was voraus haben vor uns Andern? willst du neue Gesetze haben nur für dich? Knabe, man hört dir des Vaters tolle Schule an.

Er hatte seine Augen vor meinem Blick eine Minute gesenkt; aber da ich schwieg, hob er sie wieder auf, und wild sprach er: Neue Gesetze will ich nicht, ich will nur, daß, die da sind, auch für mich gelten so gut wie für Andere. Was haben die hohen Herren, die Edelleute, die Bürger vor uns voraus, die wir im Dorf wohnen statt in der Stadt, und in der Hütte statt im Schloß? Ich bin ein freier Mann so gut wie sie, und Keinem Unterthan, ich bin das einzige Kind meiner Eltern und ein Seemann so gut wie einer von den Prahlhänsen, und besser, obgleich ich nicht Jahre lang in der Nordsee umherlungerte. Und nun in Eisen!

Ja, meinte ich, nach deiner Manier zu reden hätte der Staat gar keine Soldaten, oder nur das zusammengelaufene Gesindel, wie es vor Zeiten gewesen ist. Und dann, mein' ich, hast du vergessen, daß

da vor Euch sitzt wie ein Verbrecher, zerschlagen, zerrauft, in Ketten, ja in Eisen, wie ein Meuterer, wie ein Hund. Und ich habe doch nur mein Recht gewahrt, meine Freiheit, mein Recht! — So? entgegnete ich, indem ich ihm ernsthaft und fest in die brennenden Augen schaute, also nun ist dein Recht geworden, was doch nur deine baare Thorheit war! Bist du nicht Unterthan des Staates? nicht cantonpflichtig? Willst du was voraus haben vor uns Andern? willst du neue Gesetze haben nur für dich? Knabe, man hört dir des Vaters tolle Schule an.

Er hatte seine Augen vor meinem Blick eine Minute gesenkt; aber da ich schwieg, hob er sie wieder auf, und wild sprach er: Neue Gesetze will ich nicht, ich will nur, daß, die da sind, auch für mich gelten so gut wie für Andere. Was haben die hohen Herren, die Edelleute, die Bürger vor uns voraus, die wir im Dorf wohnen statt in der Stadt, und in der Hütte statt im Schloß? Ich bin ein freier Mann so gut wie sie, und Keinem Unterthan, ich bin das einzige Kind meiner Eltern und ein Seemann so gut wie einer von den Prahlhänsen, und besser, obgleich ich nicht Jahre lang in der Nordsee umherlungerte. Und nun in Eisen!

Ja, meinte ich, nach deiner Manier zu reden hätte der Staat gar keine Soldaten, oder nur das zusammengelaufene Gesindel, wie es vor Zeiten gewesen ist. Und dann, mein' ich, hast du vergessen, daß

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:37:13Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T11:37:13Z)

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Zitationshilfe: Hoefer, Edmund: Rolof, der Rekrut. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoefer_rekrut_1910/27>, abgerufen am 29.03.2024.