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Hoefer, Edmund: Rolof, der Rekrut. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Kerle davongemacht, daß man aus ihnen ein neues Bataillon hätte formiren können. Aber was gingen mich Die an? Nichts! Und wenn wir sie wieder kriegten, rührte ich meine Trommel gleichgültig zum Gassenlaufen. Aber nun war es der Rolof -- und Der durch die Gasse! Herr mein Gott! ich konnte davon nicht loskommen, nicht eine Minute, wenn ich wachte, nicht einen Augenblick, wenn ich einmal einnickte.

Am Abend des achten Tages nach seiner Desertion saß ich wie gewöhnlich in jenen Tagen auf meinem Posten am Seethor und wartete, diesmal nicht vergebens. Gegen Dunkelwerden kam ein offener Bauerwagen mit Stroh herangefahren; darin lag der Rolof, auch wieder in Ketten, voll Schmutz und Blut, Arm und Kopf in Binden. Vorn und hinten saßen ein Unteroffizier und drei Mann Füsiliere, die Gewehre zwischen den Knieen, den Hahn gespannt. Da der Thorposten ihnen sagte, wie es mit uns Beiden wäre, ließen sie mich herantreten, während der Wagen einen Augenblick anhielt. Als ich den Unglücklichen so vor mir sah, dachte ich wieder weinen zu müssen; die Thränen waren auch da, sie wollten aber nicht heraus, und unser Herrgott weiß es und ich auch, es sind nicht die beißendsten Zähren, die aus den Augen fließen.

Rolof -- sagte ich, und weiter ging es nimmermehr. Er schlug die Augen auf, sah mich an, bewegte leise den Kopf und sprach: Wieder da, Ohm. Und das war auch das Ganze. Es rührte sich kein Muskel in

Kerle davongemacht, daß man aus ihnen ein neues Bataillon hätte formiren können. Aber was gingen mich Die an? Nichts! Und wenn wir sie wieder kriegten, rührte ich meine Trommel gleichgültig zum Gassenlaufen. Aber nun war es der Rolof — und Der durch die Gasse! Herr mein Gott! ich konnte davon nicht loskommen, nicht eine Minute, wenn ich wachte, nicht einen Augenblick, wenn ich einmal einnickte.

Am Abend des achten Tages nach seiner Desertion saß ich wie gewöhnlich in jenen Tagen auf meinem Posten am Seethor und wartete, diesmal nicht vergebens. Gegen Dunkelwerden kam ein offener Bauerwagen mit Stroh herangefahren; darin lag der Rolof, auch wieder in Ketten, voll Schmutz und Blut, Arm und Kopf in Binden. Vorn und hinten saßen ein Unteroffizier und drei Mann Füsiliere, die Gewehre zwischen den Knieen, den Hahn gespannt. Da der Thorposten ihnen sagte, wie es mit uns Beiden wäre, ließen sie mich herantreten, während der Wagen einen Augenblick anhielt. Als ich den Unglücklichen so vor mir sah, dachte ich wieder weinen zu müssen; die Thränen waren auch da, sie wollten aber nicht heraus, und unser Herrgott weiß es und ich auch, es sind nicht die beißendsten Zähren, die aus den Augen fließen.

Rolof — sagte ich, und weiter ging es nimmermehr. Er schlug die Augen auf, sah mich an, bewegte leise den Kopf und sprach: Wieder da, Ohm. Und das war auch das Ganze. Es rührte sich kein Muskel in

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[0050] Kerle davongemacht, daß man aus ihnen ein neues Bataillon hätte formiren können. Aber was gingen mich Die an? Nichts! Und wenn wir sie wieder kriegten, rührte ich meine Trommel gleichgültig zum Gassenlaufen. Aber nun war es der Rolof — und Der durch die Gasse! Herr mein Gott! ich konnte davon nicht loskommen, nicht eine Minute, wenn ich wachte, nicht einen Augenblick, wenn ich einmal einnickte. Am Abend des achten Tages nach seiner Desertion saß ich wie gewöhnlich in jenen Tagen auf meinem Posten am Seethor und wartete, diesmal nicht vergebens. Gegen Dunkelwerden kam ein offener Bauerwagen mit Stroh herangefahren; darin lag der Rolof, auch wieder in Ketten, voll Schmutz und Blut, Arm und Kopf in Binden. Vorn und hinten saßen ein Unteroffizier und drei Mann Füsiliere, die Gewehre zwischen den Knieen, den Hahn gespannt. Da der Thorposten ihnen sagte, wie es mit uns Beiden wäre, ließen sie mich herantreten, während der Wagen einen Augenblick anhielt. Als ich den Unglücklichen so vor mir sah, dachte ich wieder weinen zu müssen; die Thränen waren auch da, sie wollten aber nicht heraus, und unser Herrgott weiß es und ich auch, es sind nicht die beißendsten Zähren, die aus den Augen fließen. Rolof — sagte ich, und weiter ging es nimmermehr. Er schlug die Augen auf, sah mich an, bewegte leise den Kopf und sprach: Wieder da, Ohm. Und das war auch das Ganze. Es rührte sich kein Muskel in

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:37:13Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Hoefer, Edmund: Rolof, der Rekrut. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoefer_rekrut_1910/50>, abgerufen am 28.03.2024.