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[Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 1. Berlin, 1815.

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len, noch salbungsreiche Worte von mir zu
vernehmen. Meine Mutter schien einen heim¬
lichen Gram in sich zu tragen, nach dessen
Ursache ich mich nicht unterstand zu forschen,
weil ein geheimes Gefühl mir selbst die
Schuld davon aufbürdete, ohne daß ich mir
dies hätte deutlicher enträthseln können. Sie
gab mir ein kleines Billet von der Fürstin,
das ich erst im Kloster öffnen sollte: kaum
war ich in meiner Zelle, als ich zu meinem
Erstaunen folgendes las:

"Du hast mich, mein lieber Sohn
(denn noch will ich Dich so nennen)
durch die Rede, die Du in der Kirche
unseres Klosters hieltest, in die tiefste Be¬
trübniß gesetzt. Deine Worte kommen
nicht aus dem andächtigen ganz dem
himmlischen zugewandten Gemüthe, Dei¬
ne Begeisterung war nicht diejenige,
welche den Frommen auf Seraphsfittigen
emporträgt, daß er in heiliger Verzük¬
kung, das himmlische Reich zu schauen

I. [ 6 ]

len, noch ſalbungsreiche Worte von mir zu
vernehmen. Meine Mutter ſchien einen heim¬
lichen Gram in ſich zu tragen, nach deſſen
Urſache ich mich nicht unterſtand zu forſchen,
weil ein geheimes Gefuͤhl mir ſelbſt die
Schuld davon aufbuͤrdete, ohne daß ich mir
dies haͤtte deutlicher entraͤthſeln koͤnnen. Sie
gab mir ein kleines Billet von der Fuͤrſtin,
das ich erſt im Kloſter oͤffnen ſollte: kaum
war ich in meiner Zelle, als ich zu meinem
Erſtaunen folgendes las:

„Du haſt mich, mein lieber Sohn
(denn noch will ich Dich ſo nennen)
durch die Rede, die Du in der Kirche
unſeres Kloſters hielteſt, in die tiefſte Be¬
truͤbniß geſetzt. Deine Worte kommen
nicht aus dem andaͤchtigen ganz dem
himmlischen zugewandten Gemuͤthe, Dei¬
ne Begeiſterung war nicht diejenige,
welche den Frommen auf Seraphsfittigen
emportraͤgt, daß er in heiliger Verzuͤk¬
kung, das himmliſche Reich zu ſchauen

I. [ 6 ]
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[81/0097] len, noch ſalbungsreiche Worte von mir zu vernehmen. Meine Mutter ſchien einen heim¬ lichen Gram in ſich zu tragen, nach deſſen Urſache ich mich nicht unterſtand zu forſchen, weil ein geheimes Gefuͤhl mir ſelbſt die Schuld davon aufbuͤrdete, ohne daß ich mir dies haͤtte deutlicher entraͤthſeln koͤnnen. Sie gab mir ein kleines Billet von der Fuͤrſtin, das ich erſt im Kloſter oͤffnen ſollte: kaum war ich in meiner Zelle, als ich zu meinem Erſtaunen folgendes las: „Du haſt mich, mein lieber Sohn (denn noch will ich Dich ſo nennen) durch die Rede, die Du in der Kirche unſeres Kloſters hielteſt, in die tiefſte Be¬ truͤbniß geſetzt. Deine Worte kommen nicht aus dem andaͤchtigen ganz dem himmlischen zugewandten Gemuͤthe, Dei¬ ne Begeiſterung war nicht diejenige, welche den Frommen auf Seraphsfittigen emportraͤgt, daß er in heiliger Verzuͤk¬ kung, das himmliſche Reich zu ſchauen I. [ 6 ]

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Die Elixiere des Teufels. Bd. 1. Berlin, 1815, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_elixiere01_1815/97>, abgerufen am 28.03.2024.