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Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822.

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Den Peregrinus entzückte des holden Mädchens
Beginnen, ohne daß ihm dabei Werthers Lotte und
ihre Butterbrote in den Sinn kamen.

Lämmerhirt näherte sich dem Peregrinus und
begann halb leise von Röschen zu reden, was sie für
ein frommes gutes liebes Kind sey, der der Himmel
auch die Gabe äußerer Schönheit verliehen, und wie
er nur Freude an dem holden Kinde zu erleben hoffe.
Was, setzte er hinzu, indem sein Gesicht sich in
Wonne verklärte, was ihm aber so recht im innersten
Herzen wohl thue, sey, daß Röschen sich auch zur
edlen Buchbinderkunst hinneige und seit den wenigen
Wochen, während sie sich bei ihm befinde, in feiner
zierlicher Arbeit ungemein viel profitirt habe, so, daß
sie bereits viel geschickter sey, als mancher Lümmel
von Lehrbursche, der Jahre hindurch Maroquin und
Gold vergeude und die Buchstaben schief und krumm
stelle, daß sie aussähen wie betrunkene Bauern, die
aus der Schenke torkeln.

Ganz zutraulich flüsterte der entzückte Vater dem
Peregrinus ins Ohr: Es muß heraus, Herr Tyß,
es drückt mir sonst das Herz ab, ich kann mir nicht
helfen. -- Wissen Sie wohl, daß mein Röschen
den Schnitt des Ariosto vergoldet hat?

Den Peregrinus entzückte des holden Mädchens
Beginnen, ohne daß ihm dabei Werthers Lotte und
ihre Butterbrote in den Sinn kamen.

Lämmerhirt näherte ſich dem Peregrinus und
begann halb leiſe von Röschen zu reden, was ſie für
ein frommes gutes liebes Kind ſey, der der Himmel
auch die Gabe äußerer Schönheit verliehen, und wie
er nur Freude an dem holden Kinde zu erleben hoffe.
Was, ſetzte er hinzu, indem ſein Geſicht ſich in
Wonne verklärte, was ihm aber ſo recht im innerſten
Herzen wohl thue, ſey, daß Röschen ſich auch zur
edlen Buchbinderkunſt hinneige und ſeit den wenigen
Wochen, während ſie ſich bei ihm befinde, in feiner
zierlicher Arbeit ungemein viel profitirt habe, ſo, daß
ſie bereits viel geſchickter ſey, als mancher Lümmel
von Lehrburſche, der Jahre hindurch Maroquin und
Gold vergeude und die Buchſtaben ſchief und krumm
ſtelle, daß ſie ausſähen wie betrunkene Bauern, die
aus der Schenke torkeln.

Ganz zutraulich flüſterte der entzückte Vater dem
Peregrinus ins Ohr: Es muß heraus, Herr Tyß,
es drückt mir ſonſt das Herz ab, ich kann mir nicht
helfen. — Wiſſen Sie wohl, daß mein Röschen
den Schnitt des Arioſto vergoldet hat?

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[235/0240] Den Peregrinus entzückte des holden Mädchens Beginnen, ohne daß ihm dabei Werthers Lotte und ihre Butterbrote in den Sinn kamen. Lämmerhirt näherte ſich dem Peregrinus und begann halb leiſe von Röschen zu reden, was ſie für ein frommes gutes liebes Kind ſey, der der Himmel auch die Gabe äußerer Schönheit verliehen, und wie er nur Freude an dem holden Kinde zu erleben hoffe. Was, ſetzte er hinzu, indem ſein Geſicht ſich in Wonne verklärte, was ihm aber ſo recht im innerſten Herzen wohl thue, ſey, daß Röschen ſich auch zur edlen Buchbinderkunſt hinneige und ſeit den wenigen Wochen, während ſie ſich bei ihm befinde, in feiner zierlicher Arbeit ungemein viel profitirt habe, ſo, daß ſie bereits viel geſchickter ſey, als mancher Lümmel von Lehrburſche, der Jahre hindurch Maroquin und Gold vergeude und die Buchſtaben ſchief und krumm ſtelle, daß ſie ausſähen wie betrunkene Bauern, die aus der Schenke torkeln. Ganz zutraulich flüſterte der entzückte Vater dem Peregrinus ins Ohr: Es muß heraus, Herr Tyß, es drückt mir ſonſt das Herz ab, ich kann mir nicht helfen. — Wiſſen Sie wohl, daß mein Röschen den Schnitt des Arioſto vergoldet hat?

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Zitationshilfe: Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822/240>, abgerufen am 28.03.2024.