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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817.

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und erzählte viel Ergötzliches von den Reisen, die
er in seiner Jugend gemacht. Da hörten wir
als es Neune schlug, plötzlich die Hausthür in
den Angeln knarren und langsame eisenschwere
Schritte dröhnten durch den Hausflur die Treppe
herauf. "Das ist Coppelius," sagte meine
Mutter erblassend. "Ja! -- es ist Coppelius"
wiederholte der Vater mit matter gebrochener
Stimme. Die Thränen stürzten der Mutter aus
den Augen. "Aber Vater, Vater! rief sie, muß
es denn so seyn?" "Zum letztenmahle!" erwiederte
dieser, "zum letztenmahle kommt er zu mir, ich
verspreche es Dir. Geh' nur, geh' mit den Kin¬
dern! -- Geht -- geht zu Bette! Gute Nacht!"

Mir war es, als sei ich in schweren kalten
Stein eingepreßt -- mein Athem stockte! --
Die Mutter ergriff mich beim Arm als ich un¬
beweglich stehen blieb: "Komm Nathanael,
komme nur!" -- Ich ließ mich fortführen, ich
trat in meine Kammer. "Sei ruhig, sei ruhig,
lege Dich ins Bette! -- schlafe -- schlafe", rief
mir die Mutter nach; aber von unbeschreiblicher

B

und erzaͤhlte viel Ergoͤtzliches von den Reiſen, die
er in ſeiner Jugend gemacht. Da hoͤrten wir
als es Neune ſchlug, ploͤtzlich die Hausthuͤr in
den Angeln knarren und langſame eiſenſchwere
Schritte droͤhnten durch den Hausflur die Treppe
herauf. „Das iſt Coppelius,“ ſagte meine
Mutter erblaſſend. „Ja! — es iſt Coppelius
wiederholte der Vater mit matter gebrochener
Stimme. Die Thraͤnen ſtuͤrzten der Mutter aus
den Augen. „Aber Vater, Vater! rief ſie, muß
es denn ſo ſeyn?“ „Zum letztenmahle!“ erwiederte
dieſer, „zum letztenmahle kommt er zu mir, ich
verſpreche es Dir. Geh' nur, geh' mit den Kin¬
dern! — Geht — geht zu Bette! Gute Nacht!“

Mir war es, als ſei ich in ſchweren kalten
Stein eingepreßt — mein Athem ſtockte! —
Die Mutter ergriff mich beim Arm als ich un¬
beweglich ſtehen blieb: „Komm Nathanael,
komme nur!“ — Ich ließ mich fortfuͤhren, ich
trat in meine Kammer. „Sei ruhig, ſei ruhig,
lege Dich ins Bette! — ſchlafe — ſchlafe“, rief
mir die Mutter nach; aber von unbeſchreiblicher

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[17/0025] und erzaͤhlte viel Ergoͤtzliches von den Reiſen, die er in ſeiner Jugend gemacht. Da hoͤrten wir als es Neune ſchlug, ploͤtzlich die Hausthuͤr in den Angeln knarren und langſame eiſenſchwere Schritte droͤhnten durch den Hausflur die Treppe herauf. „Das iſt Coppelius,“ ſagte meine Mutter erblaſſend. „Ja! — es iſt Coppelius“ wiederholte der Vater mit matter gebrochener Stimme. Die Thraͤnen ſtuͤrzten der Mutter aus den Augen. „Aber Vater, Vater! rief ſie, muß es denn ſo ſeyn?“ „Zum letztenmahle!“ erwiederte dieſer, „zum letztenmahle kommt er zu mir, ich verſpreche es Dir. Geh' nur, geh' mit den Kin¬ dern! — Geht — geht zu Bette! Gute Nacht!“ Mir war es, als ſei ich in ſchweren kalten Stein eingepreßt — mein Athem ſtockte! — Die Mutter ergriff mich beim Arm als ich un¬ beweglich ſtehen blieb: „Komm Nathanael, komme nur!“ — Ich ließ mich fortfuͤhren, ich trat in meine Kammer. „Sei ruhig, ſei ruhig, lege Dich ins Bette! — ſchlafe — ſchlafe“, rief mir die Mutter nach; aber von unbeſchreiblicher B

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/25>, abgerufen am 23.04.2024.