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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817.

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Battonischem Colorit. Einer von ihnen, ein wirk¬
licher Fantast, verglich aber höchstseltsamer Weise
Clara's Augen mit einem See von Ruisdael,
in dem sich des wolkenlosen Himmels reines Azur,
Wald- und Blumenflur, der reichen Landschaft
ganzes buntes, heitres Leben spiegelt. Dichter
und Meister gingen aber weiter und sprachen:
Was See -- was Spiegel! -- Können wir denn
das Mädchen anschauen, ohne daß uns aus ihrem
Blick wunderbare himmlische Gesänge und Klänge
entgegenstrahlen, die in unser Innerstes dringen,
daß da alles wach und rege wird? Singen wir
selbst denn nichts wahrhaft gescheutes, so ist über¬
haupt nicht viel an uns und das lesen wir denn
auch deutlich in dem um Clara's Lippen schwe¬
benden feinen Lächeln, wenn wir uns unterfan¬
gen, ihr etwas vorzuquinkeliren, das so thun will
als sei es Gesang, unerachtet nur einzelne Töne
verworren durch einander springen. Es war dem
so. Clara hatte die lebenskräftige Fantasie des
heitern unbefangenen, kindischen Kindes, ein tie¬
fes weiblich zartes Gemüth, einen gar hellen scharf

Battoniſchem Colorit. Einer von ihnen, ein wirk¬
licher Fantaſt, verglich aber hoͤchſtſeltſamer Weiſe
Clara's Augen mit einem See von Ruisdael,
in dem ſich des wolkenloſen Himmels reines Azur,
Wald- und Blumenflur, der reichen Landſchaft
ganzes buntes, heitres Leben ſpiegelt. Dichter
und Meiſter gingen aber weiter und ſprachen:
Was See — was Spiegel! — Koͤnnen wir denn
das Maͤdchen anſchauen, ohne daß uns aus ihrem
Blick wunderbare himmliſche Geſaͤnge und Klaͤnge
entgegenſtrahlen, die in unſer Innerſtes dringen,
daß da alles wach und rege wird? Singen wir
ſelbſt denn nichts wahrhaft geſcheutes, ſo iſt uͤber¬
haupt nicht viel an uns und das leſen wir denn
auch deutlich in dem um Clara's Lippen ſchwe¬
benden feinen Laͤcheln, wenn wir uns unterfan¬
gen, ihr etwas vorzuquinkeliren, das ſo thun will
als ſei es Geſang, unerachtet nur einzelne Toͤne
verworren durch einander ſpringen. Es war dem
ſo. Clara hatte die lebenskraͤftige Fantaſie des
heitern unbefangenen, kindiſchen Kindes, ein tie¬
fes weiblich zartes Gemuͤth, einen gar hellen ſcharf

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[36/0044] Battoniſchem Colorit. Einer von ihnen, ein wirk¬ licher Fantaſt, verglich aber hoͤchſtſeltſamer Weiſe Clara's Augen mit einem See von Ruisdael, in dem ſich des wolkenloſen Himmels reines Azur, Wald- und Blumenflur, der reichen Landſchaft ganzes buntes, heitres Leben ſpiegelt. Dichter und Meiſter gingen aber weiter und ſprachen: Was See — was Spiegel! — Koͤnnen wir denn das Maͤdchen anſchauen, ohne daß uns aus ihrem Blick wunderbare himmliſche Geſaͤnge und Klaͤnge entgegenſtrahlen, die in unſer Innerſtes dringen, daß da alles wach und rege wird? Singen wir ſelbſt denn nichts wahrhaft geſcheutes, ſo iſt uͤber¬ haupt nicht viel an uns und das leſen wir denn auch deutlich in dem um Clara's Lippen ſchwe¬ benden feinen Laͤcheln, wenn wir uns unterfan¬ gen, ihr etwas vorzuquinkeliren, das ſo thun will als ſei es Geſang, unerachtet nur einzelne Toͤne verworren durch einander ſpringen. Es war dem ſo. Clara hatte die lebenskraͤftige Fantaſie des heitern unbefangenen, kindiſchen Kindes, ein tie¬ fes weiblich zartes Gemuͤth, einen gar hellen ſcharf

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/44>, abgerufen am 29.03.2024.