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Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. [Bd. 1]. Leipzig, 1695.

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Vermischte Gedichte.
11.
Wo denn die blutige wärme der glieder
Selber der wagen der seelen soll seyn;
Auch sie sich nirgend nicht schöner läst nieder/
Als in der lippen beblümeten schein/
Kan man die seele gewisser nicht finden/
Als auff/ mit blute/ beseeleten münden.
12.
Prüfet man ferner der lippen ihr kosen/
Muß man gezwungen bekennen/ man schau
Saugende bienen/ und säugende rosen/
Winckende nelcken/ und tränckenden thau;
Die wohl mit thaue die lippen beküssen/
Aber nach anderen dürsten auch müssen.
13.
Zwar in der augen gestirntem gerüste
Wird die uns martrende liebe gezeugt.
In den bemilcheten liljen der brüste
Wird sie mit feuer und flammen gesäugt/
Biß sie mit reiffender saate wird gelbe/
Zwischen der schooß-alabaster gewölbe.
14.
Aber man kan sie mit keinerley kosen/
Als mit gepfropfeten früchten erziehn/
Auff den/ mit seelen geschwängerten rosen/
Wo das begeisterte küssen wird grün.
Soll mit der zeit/ sie mit feuer und plitzen/
Können metallene hertzen zu ritzen.
15.
Denn wie wird können die seele der seelen/
Die uns entseelende liebe bestehn?
Wird auff der lippen rubinenen hölen
Ihr nicht die säugende nahrung auffgehn.
Denn auff den lippen entstehen und stertzen/
Leben und sterben/ die seelen und hertzen.
16. Hier
S 2
Vermiſchte Gedichte.
11.
Wo denn die blutige waͤrme der glieder
Selber der wagen der ſeelen ſoll ſeyn;
Auch ſie ſich nirgend nicht ſchoͤner laͤſt nieder/
Als in der lippen bebluͤmeten ſchein/
Kan man die ſeele gewiſſer nicht finden/
Als auff/ mit blute/ beſeeleten muͤnden.
12.
Pruͤfet man ferner der lippen ihr koſen/
Muß man gezwungen bekennen/ man ſchau
Saugende bienen/ und ſaͤugende roſen/
Winckende nelcken/ und traͤnckenden thau;
Die wohl mit thaue die lippen bekuͤſſen/
Aber nach anderen duͤrſten auch muͤſſen.
13.
Zwar in der augen geſtirntem geruͤſte
Wird die uns martrende liebe gezeugt.
In den bemilcheten liljen der bruͤſte
Wird ſie mit feuer und flammen geſaͤugt/
Biß ſie mit reiffender ſaate wird gelbe/
Zwiſchen der ſchooß-alabaſter gewoͤlbe.
14.
Aber man kan ſie mit keinerley koſen/
Als mit gepfropfeten fruͤchten erziehn/
Auff den/ mit ſeelen geſchwaͤngerten roſen/
Wo das begeiſterte kuͤſſen wird gruͤn.
Soll mit der zeit/ ſie mit feuer und plitzen/
Koͤnnen metallene hertzen zu ritzen.
15.
Denn wie wird koͤnnen die ſeele der ſeelen/
Die uns entſeelende liebe beſtehn?
Wird auff der lippen rubinenen hoͤlen
Ihr nicht die ſaͤugende nahrung auffgehn.
Denn auff den lippen entſtehen und ſtertzen/
Leben und ſterben/ die ſeelen und hertzen.
16. Hier
S 2
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[275/0319] Vermiſchte Gedichte. 11. Wo denn die blutige waͤrme der glieder Selber der wagen der ſeelen ſoll ſeyn; Auch ſie ſich nirgend nicht ſchoͤner laͤſt nieder/ Als in der lippen bebluͤmeten ſchein/ Kan man die ſeele gewiſſer nicht finden/ Als auff/ mit blute/ beſeeleten muͤnden. 12. Pruͤfet man ferner der lippen ihr koſen/ Muß man gezwungen bekennen/ man ſchau Saugende bienen/ und ſaͤugende roſen/ Winckende nelcken/ und traͤnckenden thau; Die wohl mit thaue die lippen bekuͤſſen/ Aber nach anderen duͤrſten auch muͤſſen. 13. Zwar in der augen geſtirntem geruͤſte Wird die uns martrende liebe gezeugt. In den bemilcheten liljen der bruͤſte Wird ſie mit feuer und flammen geſaͤugt/ Biß ſie mit reiffender ſaate wird gelbe/ Zwiſchen der ſchooß-alabaſter gewoͤlbe. 14. Aber man kan ſie mit keinerley koſen/ Als mit gepfropfeten fruͤchten erziehn/ Auff den/ mit ſeelen geſchwaͤngerten roſen/ Wo das begeiſterte kuͤſſen wird gruͤn. Soll mit der zeit/ ſie mit feuer und plitzen/ Koͤnnen metallene hertzen zu ritzen. 15. Denn wie wird koͤnnen die ſeele der ſeelen/ Die uns entſeelende liebe beſtehn? Wird auff der lippen rubinenen hoͤlen Ihr nicht die ſaͤugende nahrung auffgehn. Denn auff den lippen entſtehen und ſtertzen/ Leben und ſterben/ die ſeelen und hertzen. 16. Hier S 2

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Zitationshilfe: Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. [Bd. 1]. Leipzig, 1695, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte01_1695/319>, abgerufen am 21.05.2024.