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Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte. Bd. 4. Leipzig, 1708.

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verliebte Gedichte.
Er vergleicht Sie mit Rom.
C. H.
WEistu auch/ Clelie/ wem deine stellung gleicht?
Was vor ein wunder-bau dir sieges-palmen reicht?
Weistu's? so sag es mir: wo nicht? so laß die sinnen
Sich eine zeit bemühn/ ob sie's errahten können.
Du hast den treffer ja sonst allemahl bey dir
Und brächt auch mein verstand ich weiß nicht was? herfür.
Den finger stämmestu zwar itzt an deine stirne/
Siehst mit den augen steiff/ und plagest das gehirne/
Allein/ ich seh es dir schon an den augen an/
Daß dein entzückter geist das ziel nicht treffen kan;
Drum qväle dich nur nicht erst lange mit gedancken/
Es ist kein wunder nicht/ wenn sie zu weilen wancken
Und nicht zum zwecke sehn/ gib/ schönste/ dich nur drein/
Du siehst's/ es kan alhier doch schon nicht anders seyn/
Es kostet einen kuß/ so kanstu alles wissen/
Worüber du dich hast so sehr zermartern müssen/
Er wird dich nicht gereun/ verweile dich nur nicht/
Je längsamer der kuß/ je später der bericht.
Hier siehstu meinen mund und neben an die wangen/
Jm angenblicke kanst du selbe ja umfangen;
Nun ach! - - - - nun bin ich recht vergnügt/
Da deine seele sich auff meinen lippen wigt
Und meine gleichfals liegt auf deinem schönen munde.
Nun warte/ liebste/ nur noch eine viertel-stunde/
Biß meine seele sich giebt wiederum zur ruh/
Jtzt weiß ich ohnedem nicht was ich selber thu/
Dann will ich dir hernach das gantze thun erklähren/
Doch/ darff ich/ Clelie/ noch was von dir begehren/
So bitt ich/ daß dein aug und mund nicht eher lacht/
Biß dir der reime schluß dazu den anfang macht.
Jhr wörter schickt euch nun/ ich muß es dennoch wagen.
Und meiner Clelien euch vor die ohren tragen;
Du gleichst wie daß mir hier die zunge bleibet stehn?
Wil irgend nicht der mund die sylben lassen gehn!
Jch
B 2
verliebte Gedichte.
Er vergleicht Sie mit Rom.
C. H.
WEiſtu auch/ Clelie/ wem deine ſtellung gleicht?
Was vor ein wunder-bau dir ſieges-palmen reicht?
Weiſtu’s? ſo ſag es mir: wo nicht? ſo laß die ſinnen
Sich eine zeit bemuͤhn/ ob ſie’s errahten koͤnnen.
Du haſt den treffer ja ſonſt allemahl bey dir
Und braͤcht auch mein verſtand ich weiß nicht was? herfuͤr.
Den finger ſtaͤmmeſtu zwar itzt an deine ſtirne/
Siehſt mit den augen ſteiff/ und plageſt das gehirne/
Allein/ ich ſeh es dir ſchon an den augen an/
Daß dein entzuͤckter geiſt das ziel nicht treffen kan;
Drum qvaͤle dich nur nicht erſt lange mit gedancken/
Es iſt kein wunder nicht/ wenn ſie zu weilen wancken
Und nicht zum zwecke ſehn/ gib/ ſchoͤnſte/ dich nur drein/
Du ſiehſt’s/ es kan alhier doch ſchon nicht anders ſeyn/
Es koſtet einen kuß/ ſo kanſtu alles wiſſen/
Woruͤber du dich haſt ſo ſehr zermartern muͤſſen/
Er wird dich nicht gereun/ verweile dich nur nicht/
Je laͤngſamer der kuß/ je ſpaͤter der bericht.
Hier ſiehſtu meinen mund und neben an die wangen/
Jm angenblicke kanſt du ſelbe ja umfangen;
Nun ach! ‒ ‒ ‒ ‒ nun bin ich recht vergnuͤgt/
Da deine ſeele ſich auff meinen lippen wigt
Und meine gleichfals liegt auf deinem ſchoͤnen munde.
Nun warte/ liebſte/ nur noch eine viertel-ſtunde/
Biß meine ſeele ſich giebt wiederum zur ruh/
Jtzt weiß ich ohnedem nicht was ich ſelber thu/
Dann will ich dir hernach das gantze thun erklaͤhren/
Doch/ darff ich/ Clelie/ noch was von dir begehren/
So bitt ich/ daß dein aug und mund nicht eher lacht/
Biß dir der reime ſchluß dazu den anfang macht.
Jhr woͤrter ſchickt euch nun/ ich muß es dennoch wagen.
Und meiner Clelien euch vor die ohren tragen;
Du gleichſt wie daß mir hier die zunge bleibet ſtehn?
Wil irgend nicht der mund die ſylben laſſen gehn!
Jch
B 2
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[19/0021] verliebte Gedichte. Er vergleicht Sie mit Rom. C. H. WEiſtu auch/ Clelie/ wem deine ſtellung gleicht? Was vor ein wunder-bau dir ſieges-palmen reicht? Weiſtu’s? ſo ſag es mir: wo nicht? ſo laß die ſinnen Sich eine zeit bemuͤhn/ ob ſie’s errahten koͤnnen. Du haſt den treffer ja ſonſt allemahl bey dir Und braͤcht auch mein verſtand ich weiß nicht was? herfuͤr. Den finger ſtaͤmmeſtu zwar itzt an deine ſtirne/ Siehſt mit den augen ſteiff/ und plageſt das gehirne/ Allein/ ich ſeh es dir ſchon an den augen an/ Daß dein entzuͤckter geiſt das ziel nicht treffen kan; Drum qvaͤle dich nur nicht erſt lange mit gedancken/ Es iſt kein wunder nicht/ wenn ſie zu weilen wancken Und nicht zum zwecke ſehn/ gib/ ſchoͤnſte/ dich nur drein/ Du ſiehſt’s/ es kan alhier doch ſchon nicht anders ſeyn/ Es koſtet einen kuß/ ſo kanſtu alles wiſſen/ Woruͤber du dich haſt ſo ſehr zermartern muͤſſen/ Er wird dich nicht gereun/ verweile dich nur nicht/ Je laͤngſamer der kuß/ je ſpaͤter der bericht. Hier ſiehſtu meinen mund und neben an die wangen/ Jm angenblicke kanſt du ſelbe ja umfangen; Nun ach! ‒ ‒ ‒ ‒ nun bin ich recht vergnuͤgt/ Da deine ſeele ſich auff meinen lippen wigt Und meine gleichfals liegt auf deinem ſchoͤnen munde. Nun warte/ liebſte/ nur noch eine viertel-ſtunde/ Biß meine ſeele ſich giebt wiederum zur ruh/ Jtzt weiß ich ohnedem nicht was ich ſelber thu/ Dann will ich dir hernach das gantze thun erklaͤhren/ Doch/ darff ich/ Clelie/ noch was von dir begehren/ So bitt ich/ daß dein aug und mund nicht eher lacht/ Biß dir der reime ſchluß dazu den anfang macht. Jhr woͤrter ſchickt euch nun/ ich muß es dennoch wagen. Und meiner Clelien euch vor die ohren tragen; Du gleichſt wie daß mir hier die zunge bleibet ſtehn? Wil irgend nicht der mund die ſylben laſſen gehn! Jch B 2

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Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte. Bd. 4. Leipzig, 1708, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte04_1708/21>, abgerufen am 19.04.2024.