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Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte. Bd. 4. Leipzig, 1708.

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verliebte Gedichte.
Was nützen ungepflückt den bäumen die Corallen?
Was ist es/ daß an uns gestalt und alter blüht?
Wenn hertz mit hertzen sich nicht wollen liebend gatten/
Die schönheit singt behertzt so selbst ihr sterbe-lied/
Und weiset/ daß sie sey der wollust dürrer schatten.
Ein feuer-stein gibt feur wenn man ihn härter reibt;
Der Männer lieben ist nur liebeln und nicht lieben/
Die liebe wird entzündt/ wenn liebe liebe treibt/
Hingegen ist ein rauch das lieben ohne üben.
Soll denn der adern qvell/ der glieder Perlen-schein
Durch falscher Männer treu sich so erbärmlich schwächen?
Soll auch der lippen-safft nur Schlangen-speise seyn?
Und unsrer schönheit glantz wie schimmernd glas zerbrechen?
Jst unsre wollen-hand nicht eines kusses werht?
Sind den die Augen nicht des haubtes haubt Crystallen?
Wie ist denn dero preiß so plötzlich umgekehrt?
Daß auch der helle tag dem tage wil entfallen?
Die palmen unsrer treu sind itzt noch unbefleckt/
Und unsrer tugend wil sich gar niemand erbarmen/
Wo bleiche einsamkeit noch ferner uns bedeckt/
So muß der warme leib den kalten tod umarmen.
Der stoltze hahn hat kaum des nachts zweymahl gekreht/
Da hitzen manches paar schon keusch erhitzte küsse;
Uns ärmsten ach! wird nur kein mund zum mund gedreht/
Und schlieffen immermehr wir beyde noch so süsse.
Das stille einsam seyn das foltert unsern Sinn/
Es bringet solche zeit nichts als ein täglich sterben/
Wir werffen das gelück' in glücks-topff immerhin/
Und können doch nicht draus errettung uns erwerben.
Wenn öhl und pflaster nicht das brandmahl heilen kan/
Wo nicht die linde hand den schaden kan gewinnen/
So muß alsdenn der Artzt sein messer setzen an/
Doch lobt die Tugend nicht solch eusserstes beginnen;
Die Gräntz ist der Natur/ der See ihr ziel gesteckt:
Wir müssen ebenfals den liebes-circkel leiden/
Und unser ehren-ruhm wird nicht dadurch befleckt:
Was das gebuhrts-gestirn durch GOttes raht bescheiden.

Trost
A z

verliebte Gedichte.
Was nuͤtzen ungepfluͤckt den baͤumen die Corallen?
Was iſt es/ daß an uns geſtalt und alter bluͤht?
Wenn hertz mit hertzen ſich nicht wollen liebend gatten/
Die ſchoͤnheit ſingt behertzt ſo ſelbſt ihr ſterbe-lied/
Und weiſet/ daß ſie ſey der wolluſt duͤrrer ſchatten.
Ein feuer-ſtein gibt feur wenn man ihn haͤrter reibt;
Der Maͤnner lieben iſt nur liebeln und nicht lieben/
Die liebe wird entzuͤndt/ wenn liebe liebe treibt/
Hingegen iſt ein rauch das lieben ohne uͤben.
Soll denn der adern qvell/ der glieder Perlen-ſchein
Durch falſcher Maͤnner treu ſich ſo erbaͤrmlich ſchwaͤchen?
Soll auch der lippen-ſafft nur Schlangen-ſpeiſe ſeyn?
Und unſrer ſchoͤnheit glantz wie ſchimmernd glas zerbrechen?
Jſt unſre wollen-hand nicht eines kuſſes werht?
Sind den die Augen nicht des haubtes haubt Cryſtallen?
Wie iſt denn dero preiß ſo ploͤtzlich umgekehrt?
Daß auch der helle tag dem tage wil entfallen?
Die palmen unſrer treu ſind itzt noch unbefleckt/
Und unſrer tugend wil ſich gar niemand erbarmen/
Wo bleiche einſamkeit noch ferner uns bedeckt/
So muß der warme leib den kalten tod umarmen.
Der ſtoltze hahn hat kaum des nachts zweymahl gekreht/
Da hitzen manches paar ſchon keuſch erhitzte kuͤſſe;
Uns aͤrmſten ach! wird nur kein mund zum mund gedreht/
Und ſchlieffen immermehr wir beyde noch ſo ſuͤſſe.
Das ſtille einſam ſeyn das foltert unſern Sinn/
Es bringet ſolche zeit nichts als ein taͤglich ſterben/
Wir werffen das geluͤck' in gluͤckſ-topff immerhin/
Und koͤnnen doch nicht draus errettung uns erwerben.
Wenn oͤhl und pflaſter nicht das brandmahl heilen kan/
Wo nicht die linde hand den ſchaden kan gewinnen/
So muß alſdenn der Artzt ſein meſſer ſetzen an/
Doch lobt die Tugend nicht ſolch euſſerſtes beginnen;
Die Graͤntz iſt der Natur/ der See ihr ziel geſteckt:
Wir muͤſſen ebenfals den liebeſ-circkel leiden/
Und unſer ehren-ruhm wird nicht dadurch befleckt:
Was das gebuhrtſ-geſtirn durch GOttes raht beſcheiden.

Troſt
A z
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[3/0005] verliebte Gedichte. Was nuͤtzen ungepfluͤckt den baͤumen die Corallen? Was iſt es/ daß an uns geſtalt und alter bluͤht? Wenn hertz mit hertzen ſich nicht wollen liebend gatten/ Die ſchoͤnheit ſingt behertzt ſo ſelbſt ihr ſterbe-lied/ Und weiſet/ daß ſie ſey der wolluſt duͤrrer ſchatten. Ein feuer-ſtein gibt feur wenn man ihn haͤrter reibt; Der Maͤnner lieben iſt nur liebeln und nicht lieben/ Die liebe wird entzuͤndt/ wenn liebe liebe treibt/ Hingegen iſt ein rauch das lieben ohne uͤben. Soll denn der adern qvell/ der glieder Perlen-ſchein Durch falſcher Maͤnner treu ſich ſo erbaͤrmlich ſchwaͤchen? Soll auch der lippen-ſafft nur Schlangen-ſpeiſe ſeyn? Und unſrer ſchoͤnheit glantz wie ſchimmernd glas zerbrechen? Jſt unſre wollen-hand nicht eines kuſſes werht? Sind den die Augen nicht des haubtes haubt Cryſtallen? Wie iſt denn dero preiß ſo ploͤtzlich umgekehrt? Daß auch der helle tag dem tage wil entfallen? Die palmen unſrer treu ſind itzt noch unbefleckt/ Und unſrer tugend wil ſich gar niemand erbarmen/ Wo bleiche einſamkeit noch ferner uns bedeckt/ So muß der warme leib den kalten tod umarmen. Der ſtoltze hahn hat kaum des nachts zweymahl gekreht/ Da hitzen manches paar ſchon keuſch erhitzte kuͤſſe; Uns aͤrmſten ach! wird nur kein mund zum mund gedreht/ Und ſchlieffen immermehr wir beyde noch ſo ſuͤſſe. Das ſtille einſam ſeyn das foltert unſern Sinn/ Es bringet ſolche zeit nichts als ein taͤglich ſterben/ Wir werffen das geluͤck' in gluͤckſ-topff immerhin/ Und koͤnnen doch nicht draus errettung uns erwerben. Wenn oͤhl und pflaſter nicht das brandmahl heilen kan/ Wo nicht die linde hand den ſchaden kan gewinnen/ So muß alſdenn der Artzt ſein meſſer ſetzen an/ Doch lobt die Tugend nicht ſolch euſſerſtes beginnen; Die Graͤntz iſt der Natur/ der See ihr ziel geſteckt: Wir muͤſſen ebenfals den liebeſ-circkel leiden/ Und unſer ehren-ruhm wird nicht dadurch befleckt: Was das gebuhrtſ-geſtirn durch GOttes raht beſcheiden. Troſt A z

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Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte. Bd. 4. Leipzig, 1708, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte04_1708/5>, abgerufen am 28.03.2024.