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Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709.

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Hochzeit-Getichte.
Nur ist der unterscheid, daß geld uns offt betriegt,
Mars ohne zorn nicht kämpfft, und Venus küssend siegt.
Was aber thut die welt? Man sieht den meisten hauffen
Aus geldsucht in den krieg, durch krieg nach gelde lauffen.
Wir steigen auf ein holtz, durchschwimmen fluth und meer,
Und holen fremdes gut aus weiten ländern her.
Warum? Es bringet geld. Geld, das den nachbar treibet,
Daß er, eh man es denckt, an unsre haut sich reibet,
Und unser gut besucht. Denn geht das streiten an,
Ein jeder denckt und meint, er habe recht gethan.
Doch wenn der lange zanck den reichthum aufgefressen,
So sieht man allererst, wie weit man sich vergessen,
Und von der bahn verirrt. Hingegen lebt ein mann
Recht glücklich, der sich nur im geitze fassen kan,
Und in der wuth begreifft. Er nimmt, was GOtt bescheret,
Und sieht, wie ehermahls sein vater sich genähret.
Das ist: Er läst den krieg für grosse herren seyn,
Schrenckt seine geld-begier in feste grentzen ein,
Und hängt der liebe nach. Der liebe, will ich sagen,
Die Adam, als er schlief, schon in der brust getragen,
Und wachend fortgepflantzt. Der liebe, die nichts acht,
Und durch verborgne gluth aus zweyen eines macht.
Ein solcher zittert nicht, wenn sich das glücke lencket,
Und ihn durch feind und feur an seiner nahrung kräncket.
Er kennet keinen schatz, als seiner liebsten hertz;
Behält er dieses nur, so giebt er ohne schmertz
Den gantzen reichthum hin. Was ich so hoch gepriesen,
Hat er, herr bräutigam! uns allen heut erwiesen,
Da er bey dieser zeit, die nichts als kriege zeigt,
Da jeder wucher treibt, ins friedens-lager steigt,
Und seine güter theilt. Nun lehrt er, daß er wisse,
Was rechter handel sey. Durch tausend ärgernisse,
Durch vortheil und betrug den nächsten hintergehn,
Sind dinge, die nunmehr auch kinder schon verstehn.
Vor alters wuste man von solchem kunst-verkehren
So wenig, als ein baur, wie sich die schlangen nähren,
Die
Hochzeit-Getichte.
Nur iſt der unterſcheid, daß geld uns offt betriegt,
Mars ohne zorn nicht kaͤmpfft, und Venus kuͤſſend ſiegt.
Was aber thut die welt? Man ſieht den meiſten hauffen
Aus geldſucht in den krieg, durch krieg nach gelde lauffen.
Wir ſteigen auf ein holtz, durchſchwimmen fluth und meer,
Und holen fremdes gut aus weiten laͤndern her.
Warum? Es bringet geld. Geld, das den nachbar treibet,
Daß er, eh man es denckt, an unſre haut ſich reibet,
Und unſer gut beſucht. Denn geht das ſtreiten an,
Ein jeder denckt und meint, er habe recht gethan.
Doch wenn der lange zanck den reichthum aufgefreſſen,
So ſieht man allererſt, wie weit man ſich vergeſſen,
Und von der bahn verirꝛt. Hingegen lebt ein mann
Recht gluͤcklich, der ſich nur im geitze faſſen kan,
Und in der wuth begreifft. Er nimmt, was GOtt beſcheret,
Und ſieht, wie ehermahls ſein vater ſich genaͤhret.
Das iſt: Er laͤſt den krieg fuͤr groſſe herren ſeyn,
Schrenckt ſeine geld-begier in feſte grentzen ein,
Und haͤngt der liebe nach. Der liebe, will ich ſagen,
Die Adam, als er ſchlief, ſchon in der bruſt getragen,
Und wachend fortgepflantzt. Der liebe, die nichts acht,
Und durch verborgne gluth aus zweyen eines macht.
Ein ſolcher zittert nicht, wenn ſich das gluͤcke lencket,
Und ihn durch feind und feur an ſeiner nahrung kraͤncket.
Er kennet keinen ſchatz, als ſeiner liebſten hertz;
Behaͤlt er dieſes nur, ſo giebt er ohne ſchmertz
Den gantzen reichthum hin. Was ich ſo hoch geprieſen,
Hat er, herꝛ braͤutigam! uns allen heut erwieſen,
Da er bey dieſer zeit, die nichts als kriege zeigt,
Da jeder wucher treibt, ins friedens-lager ſteigt,
Und ſeine guͤter theilt. Nun lehrt er, daß er wiſſe,
Was rechter handel ſey. Durch tauſend aͤrgerniſſe,
Durch vortheil und betrug den naͤchſten hintergehn,
Sind dinge, die nunmehr auch kinder ſchon verſtehn.
Vor alters wuſte man von ſolchem kunſt-verkehren
So wenig, als ein baur, wie ſich die ſchlangen naͤhren,
Die
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[96/0120] Hochzeit-Getichte. Nur iſt der unterſcheid, daß geld uns offt betriegt, Mars ohne zorn nicht kaͤmpfft, und Venus kuͤſſend ſiegt. Was aber thut die welt? Man ſieht den meiſten hauffen Aus geldſucht in den krieg, durch krieg nach gelde lauffen. Wir ſteigen auf ein holtz, durchſchwimmen fluth und meer, Und holen fremdes gut aus weiten laͤndern her. Warum? Es bringet geld. Geld, das den nachbar treibet, Daß er, eh man es denckt, an unſre haut ſich reibet, Und unſer gut beſucht. Denn geht das ſtreiten an, Ein jeder denckt und meint, er habe recht gethan. Doch wenn der lange zanck den reichthum aufgefreſſen, So ſieht man allererſt, wie weit man ſich vergeſſen, Und von der bahn verirꝛt. Hingegen lebt ein mann Recht gluͤcklich, der ſich nur im geitze faſſen kan, Und in der wuth begreifft. Er nimmt, was GOtt beſcheret, Und ſieht, wie ehermahls ſein vater ſich genaͤhret. Das iſt: Er laͤſt den krieg fuͤr groſſe herren ſeyn, Schrenckt ſeine geld-begier in feſte grentzen ein, Und haͤngt der liebe nach. Der liebe, will ich ſagen, Die Adam, als er ſchlief, ſchon in der bruſt getragen, Und wachend fortgepflantzt. Der liebe, die nichts acht, Und durch verborgne gluth aus zweyen eines macht. Ein ſolcher zittert nicht, wenn ſich das gluͤcke lencket, Und ihn durch feind und feur an ſeiner nahrung kraͤncket. Er kennet keinen ſchatz, als ſeiner liebſten hertz; Behaͤlt er dieſes nur, ſo giebt er ohne ſchmertz Den gantzen reichthum hin. Was ich ſo hoch geprieſen, Hat er, herꝛ braͤutigam! uns allen heut erwieſen, Da er bey dieſer zeit, die nichts als kriege zeigt, Da jeder wucher treibt, ins friedens-lager ſteigt, Und ſeine guͤter theilt. Nun lehrt er, daß er wiſſe, Was rechter handel ſey. Durch tauſend aͤrgerniſſe, Durch vortheil und betrug den naͤchſten hintergehn, Sind dinge, die nunmehr auch kinder ſchon verſtehn. Vor alters wuſte man von ſolchem kunſt-verkehren So wenig, als ein baur, wie ſich die ſchlangen naͤhren, Die

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Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 6. Leipzig, 1709, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte06_1709/120>, abgerufen am 28.03.2024.