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Hofmannsthal, Hugo von: Tod des Tizian. Berlin, 1902.

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Und plätscherte und blinkte auf und nieder.
Ich weiss es heut nicht, ob's die Schwäne waren,
Ob badender Najaden weisse Glieder,
Und wie ein süsser Duft von Frauenhaaren
Vermischte sich dem Duft der Aloe ...
Und was da war, ist mir in eins verflossen:
In eine überstarke, schwere Pracht,
Die Sinne stumm und Worte sinnlos macht.
Antonio: Beneidenswerter, der das noch erlebt
Und solche Dinge in das Dunkel webt!
Gianino: Ich war in halbem Traum bis dort gegangen,
Wo man die Stadt sieht, wie sie drunten ruht,
Sich flüsternd schmieget in das Kleid von Prangen,
Das Mond um ihren Schlaf gemacht und Flut.
Ihr Lispeln weht manchmal der Nachtwind her,
So geisterhaft, verlöschend leisen Klang.
Beklemmend seltsam und verlockend bang.
Ich hört es oft, doch niemals dacht ich mehr ...
Da aber hab ich plötzlich viel gefühlt:
Ich ahnt' in ihrem steinern stillen Schweigen,
Vom blauen Strom der Nacht emporgespült,
Des roten Bluts bacchantisch wilden Reigen,
Um ihre Dächer sah ich Phosphor glimmen,
Den Widerschein geheimer Dinge schwimmen.
Und schwindelnd überkam's mich auf einmal:
Wohl schlief die Stadt: es wacht der Rausch, die
Qual,
Und plätscherte und blinkte auf und nieder.
Ich weiss es heut nicht, ob’s die Schwäne waren,
Ob badender Najaden weisse Glieder,
Und wie ein süsser Duft von Frauenhaaren
Vermischte sich dem Duft der Aloë …
Und was da war, ist mir in eins verflossen:
In eine überstarke, schwere Pracht,
Die Sinne stumm und Worte sinnlos macht.
Antonio: Beneidenswerter, der das noch erlebt
Und solche Dinge in das Dunkel webt!
Gianino: Ich war in halbem Traum bis dort gegangen,
Wo man die Stadt sieht, wie sie drunten ruht,
Sich flüsternd schmieget in das Kleid von Prangen,
Das Mond um ihren Schlaf gemacht und Flut.
Ihr Lispeln weht manchmal der Nachtwind her,
So geisterhaft, verlöschend leisen Klang.
Beklemmend seltsam und verlockend bang.
Ich hört es oft, doch niemals dacht ich mehr …
Da aber hab ich plötzlich viel gefühlt:
Ich ahnt’ in ihrem steinern stillen Schweigen,
Vom blauen Strom der Nacht emporgespült,
Des roten Bluts bacchantisch wilden Reigen,
Um ihre Dächer sah ich Phosphor glimmen,
Den Widerschein geheimer Dinge schwimmen.
Und schwindelnd überkam’s mich auf einmal:
Wohl schlief die Stadt: es wacht der Rausch, die
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[14/0022] Und plätscherte und blinkte auf und nieder. Ich weiss es heut nicht, ob’s die Schwäne waren, Ob badender Najaden weisse Glieder, Und wie ein süsser Duft von Frauenhaaren Vermischte sich dem Duft der Aloë … Und was da war, ist mir in eins verflossen: In eine überstarke, schwere Pracht, Die Sinne stumm und Worte sinnlos macht. Antonio: Beneidenswerter, der das noch erlebt Und solche Dinge in das Dunkel webt! Gianino: Ich war in halbem Traum bis dort gegangen, Wo man die Stadt sieht, wie sie drunten ruht, Sich flüsternd schmieget in das Kleid von Prangen, Das Mond um ihren Schlaf gemacht und Flut. Ihr Lispeln weht manchmal der Nachtwind her, So geisterhaft, verlöschend leisen Klang. Beklemmend seltsam und verlockend bang. Ich hört es oft, doch niemals dacht ich mehr … Da aber hab ich plötzlich viel gefühlt: Ich ahnt’ in ihrem steinern stillen Schweigen, Vom blauen Strom der Nacht emporgespült, Des roten Bluts bacchantisch wilden Reigen, Um ihre Dächer sah ich Phosphor glimmen, Den Widerschein geheimer Dinge schwimmen. Und schwindelnd überkam’s mich auf einmal: Wohl schlief die Stadt: es wacht der Rausch, die Qual,

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Zitationshilfe: Hofmannsthal, Hugo von: Tod des Tizian. Berlin, 1902, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hofmannsthal_tizian_1901/22>, abgerufen am 19.04.2024.