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Holtei, Karl von: 's Muhme-Leutnant-Saloppel. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–231. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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ihre höchste Seligkeit, Gustel singen zu hören, und solcherlei Stimmen müßten nothwendig die lieben Engelein haben, wenn sie den himmlischen Psalter anstimmten -- machte der ehrliche Junge keine Schwierigkeiten mehr, schob seinen Phädrus gern bei Seite und lauschte den freundlichen Belehrungen des milden Vaters, mit welchem zweistimmige Gesänge vorzutragen er bald artig genug im Stande war.

Mit elf Jahren war er schon würdig befunden, sich öffentlich hören zu lassen.

Erschrick nicht, liebe Leserin, welche du zugleich Mutter bist und es abgeschmackt findest, einen Jungen von Gustel's Gattung zum Kunstdilettanten zu verziehen. Mit der Oeffentlichkeit ist es nicht so schlimm gemeint, und Vater Tiesel war auch kein Narr. Die Concerte, in denen sein Sohn und Schüler mitwirken soll, finden vor keinem großen Publicum statt, in keinem glänzend erleuchteten Saale. Sie sind nicht geeignet, thörichten Hochmuth zu erwecken. Du kannst dir etwas Bürgerlicheres, Häuslicheres, mit einem schlesischen Worte bezeichnet: Heemlicheres gar nicht vorstellen, als die musikalischen Zusammenkünfte, die jeden Winter wöchentlich einmal im Garten-Sommerhäusel des Herrn Kanonen- und Glockengießers Krieger einen kleinen Kreis biederer, echt Breslauischer Freunde versammeln. Kaum bist du im Stande, durch dicken Tabacksqualm Persönlichkeiten zu erkennen. Doch fürchte nicht, daß Dampf und Rauch die Lungen der Bläser und Sänger

ihre höchste Seligkeit, Gustel singen zu hören, und solcherlei Stimmen müßten nothwendig die lieben Engelein haben, wenn sie den himmlischen Psalter anstimmten — machte der ehrliche Junge keine Schwierigkeiten mehr, schob seinen Phädrus gern bei Seite und lauschte den freundlichen Belehrungen des milden Vaters, mit welchem zweistimmige Gesänge vorzutragen er bald artig genug im Stande war.

Mit elf Jahren war er schon würdig befunden, sich öffentlich hören zu lassen.

Erschrick nicht, liebe Leserin, welche du zugleich Mutter bist und es abgeschmackt findest, einen Jungen von Gustel's Gattung zum Kunstdilettanten zu verziehen. Mit der Oeffentlichkeit ist es nicht so schlimm gemeint, und Vater Tiesel war auch kein Narr. Die Concerte, in denen sein Sohn und Schüler mitwirken soll, finden vor keinem großen Publicum statt, in keinem glänzend erleuchteten Saale. Sie sind nicht geeignet, thörichten Hochmuth zu erwecken. Du kannst dir etwas Bürgerlicheres, Häuslicheres, mit einem schlesischen Worte bezeichnet: Heemlicheres gar nicht vorstellen, als die musikalischen Zusammenkünfte, die jeden Winter wöchentlich einmal im Garten-Sommerhäusel des Herrn Kanonen- und Glockengießers Krieger einen kleinen Kreis biederer, echt Breslauischer Freunde versammeln. Kaum bist du im Stande, durch dicken Tabacksqualm Persönlichkeiten zu erkennen. Doch fürchte nicht, daß Dampf und Rauch die Lungen der Bläser und Sänger

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:49:22Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T11:49:22Z)

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: 's Muhme-Leutnant-Saloppel. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–231. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_saloppel_1910/20>, abgerufen am 19.04.2024.