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Holz, Arno; Schlaf, Johannes: Die Familie Selicke. Berlin, 1890.

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Vorwort.

Im Januar 1889, also jetzt grade vor einem Jahre, brachte
der Verlag von Carl Reissner in Leipzig eine "Papa
Hamlet
" betitelte Novität auf den Büchermarkt, als deren
Verfasser ein bis dahin noch gänzlich unbekannt gewesener
Norweger Bjarne P. Holmsen angegeben war, während
sein Uebersetzer sich Dr. Bruno Franzius nannte. Dieses
Buch war eine Mystifikation, und die Unterzeichneten waren
ihre Urheber.

Was sie dazu veranlasst hatte? Die alte, bereits so oft
gehörte Klage, dass heute nur die Ausländer bei uns Aner-
kennung fänden, und dass man namentlich, um ungestraft
gewisse Wagnisse zu unternehmen, zum Mindesten schon ein
Franzose, ein Russe oder ein Norweger sein müsse. Als
Deutscher wäre man schon von vorne herein zur alten
Schablone verdammt, nur jene dürften scrupellos die alten
Vorurtheile über Bord werfen, nur jene sogenannten "neuen
Zielen" zustreben! Mit anderen Worten: Quod licet Jovi, non
licet bovi!

Wir waren der Meinung, dass diese Klage nur auf einer
falschen Deutung der Thatsachen beruhe. Wir glaubten, dass
die bekannte, ablehnende Haltung, die unsere landläufige
Kritik uns "Jüngeren" gegenüber nun einmal einnimmt, mit
unserem Deutschthum absolut nichts zu schaffen habe; dass
dieses ihr vielmehr völlig gleichgültig sei, dass es ihr einzig
auf unsere "Richtung" als solche ankäme! Wir waren über-
zeugt, dass man uns mit den üblichen Komplimenten über-
häufen würde, auch wenn wir beispielsweise als Norweger
zeichneten! Es unterlag uns gar keinem Zweifel, dass der Kampf
heute nicht mehr zwischen Inlandsthum und Auslandsthum
tobe, sondern nur noch -- man verzeihe uns hier diese dehn-

Vorwort.

Im Januar 1889, also jetzt grade vor einem Jahre, brachte
der Verlag von Carl Reissner in Leipzig eine „Papa
Hamlet
“ betitelte Novität auf den Büchermarkt, als deren
Verfasser ein bis dahin noch gänzlich unbekannt gewesener
Norweger Bjarne P. Holmsen angegeben war, während
sein Uebersetzer sich Dr. Bruno Franzius nannte. Dieses
Buch war eine Mystifikation, und die Unterzeichneten waren
ihre Urheber.

Was sie dazu veranlasst hatte? Die alte, bereits so oft
gehörte Klage, dass heute nur die Ausländer bei uns Aner-
kennung fänden, und dass man namentlich, um ungestraft
gewisse Wagnisse zu unternehmen, zum Mindesten schon ein
Franzose, ein Russe oder ein Norweger sein müsse. Als
Deutscher wäre man schon von vorne herein zur alten
Schablone verdammt, nur jene dürften scrupellos die alten
Vorurtheile über Bord werfen, nur jene sogenannten „neuen
Zielen“ zustreben! Mit anderen Worten: Quod licet Jovi, non
licet bovi!

Wir waren der Meinung, dass diese Klage nur auf einer
falschen Deutung der Thatsachen beruhe. Wir glaubten, dass
die bekannte, ablehnende Haltung, die unsere landläufige
Kritik uns „Jüngeren“ gegenüber nun einmal einnimmt, mit
unserem Deutschthum absolut nichts zu schaffen habe; dass
dieses ihr vielmehr völlig gleichgültig sei, dass es ihr einzig
auf unsere „Richtung“ als solche ankäme! Wir waren über-
zeugt, dass man uns mit den üblichen Komplimenten über-
häufen würde, auch wenn wir beispielsweise als Norweger
zeichneten! Es unterlag uns gar keinem Zweifel, dass der Kampf
heute nicht mehr zwischen Inlandsthum und Auslandsthum
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Zitationshilfe: Holz, Arno; Schlaf, Johannes: Die Familie Selicke. Berlin, 1890, S. [V]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holz_selicke_1890/11>, abgerufen am 28.03.2024.