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Holz, Arno; Schlaf, Johannes: Die Familie Selicke. Berlin, 1890.

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Sehr geehrter Herr!

Gestatten Sie mir zu dem in No. 45 Ihres Blattes er-
schienenen Aufsatze: "Neurealistische Novellen. Besprochen
von Kaberlin." freundlichst folgende Berichtigung:

Nachdem mich der Herr Verfasser des betreffenden
Artikels -- nebenbei bemerkt des weitaus eingehendsten
und gediegensten, der, wenigstens in der deutschen Presse,
bisher über "Papa Hamlet" erschienen ist -- als Autor
dieses Buches namhaft gemacht, setzt er in Form einer
kleinen Fussnote hinzu:

"Johannes Schlaf soll ebenfalls, aber nur im zweiten
Grad, an der Arbeit betheiligt sein."

Nun! Er soll es nicht nur, sondern er ist es auch!
Und soweit wenigstens unsere d. h. seine und meine
Kenntniss der Sachlage reicht, ist es überdies durchaus
ungerechtfertigt, einem von uns beiden, und zwar ganz
gleichgültig welchem, eine Betheiligung "ersten" oder
"zweiten" Grades zuzumessen. Im Gegentheil! Nicht allein,
dass wir unsere Arbeit zu gleichen Hälften geleistet zu
haben glauben, wir haben sie thatsächlich so geleistet!

Eine langjährige Freundschaft, verstärkt durch ein fast
ebenso langes, nahestes Zusammenleben, und gewiss auch
nicht in letzter Linie beeinflusst durch gewisse ähnliche
Naturanlagen, hat unsere Individualitäten, wenigstens in
rein künstlerischen Beziehungen, nach und nach geradezu
kongruent werden lassen! Wir kennen nach dieser Richtung
hin kaum eine Frage, und sei sie auch scheinbar noch so
minimaler Natur, in der wir auseinandergingen. Unsere
Methoden im Erfassen und Wiedergeben des Erfassten
sind mit der Zeit die vollständig gleichen geworden. Es
giebt Stellen, ja ganze Seiten im "Papa Hamlet", von
denen wir uns absolut keine Rechenschaft mehr abzulegen
vermöchten, ob die ursprüngliche Idee zu ihnen dem einen,
die nachträgliche Form aber dem anderen angehört, oder
umgekehrt. Oft flossen uns dieselben Worte desselben
Satzes gleichzeitig in die Feder, oft vollendete der eine
den eben angefangenen Satz des anderen. Wir könnten
so vielleicht sagen, wir hätten uns das Buch gegenseitig
"erzählt"; wir haben es uns einander ausgemalt, immer
deutlicher, bis es endlich auf dem Papier stand. Uns nun
nachträglich sagen zu wollen, das gehört dir und das dem
anderen, liegt uns ebenso fern, als es in den weitaus
meisten Fällen auch thatsächlich kaum mehr zu ermitteln
wäre. Wir haben nicht das mindeste Interesse daran!
Unsere Freude war, dass es dastand, und die Arbeit selbst
gilt uns auch heute noch mehr als die Arbeiter. Ein
weiteres grösseres Opus haben wir bereits wieder unter

Sehr geehrter Herr!

Gestatten Sie mir zu dem in No. 45 Ihres Blattes er-
schienenen Aufsatze: „Neurealistische Novellen. Besprochen
von Kaberlin.“ freundlichst folgende Berichtigung:

Nachdem mich der Herr Verfasser des betreffenden
Artikels — nebenbei bemerkt des weitaus eingehendsten
und gediegensten, der, wenigstens in der deutschen Presse,
bisher über „Papa Hamlet“ erschienen ist — als Autor
dieses Buches namhaft gemacht, setzt er in Form einer
kleinen Fussnote hinzu:

Johannes Schlaf soll ebenfalls, aber nur im zweiten
Grad, an der Arbeit betheiligt sein.“

Nun! Er soll es nicht nur, sondern er ist es auch!
Und soweit wenigstens unsere d. h. seine und meine
Kenntniss der Sachlage reicht, ist es überdies durchaus
ungerechtfertigt, einem von uns beiden, und zwar ganz
gleichgültig welchem, eine Betheiligung „ersten“ oder
„zweiten“ Grades zuzumessen. Im Gegentheil! Nicht allein,
dass wir unsere Arbeit zu gleichen Hälften geleistet zu
haben glauben, wir haben sie thatsächlich so geleistet!

Eine langjährige Freundschaft, verstärkt durch ein fast
ebenso langes, nahestes Zusammenleben, und gewiss auch
nicht in letzter Linie beeinflusst durch gewisse ähnliche
Naturanlagen, hat unsere Individualitäten, wenigstens in
rein künstlerischen Beziehungen, nach und nach geradezu
kongruent werden lassen! Wir kennen nach dieser Richtung
hin kaum eine Frage, und sei sie auch scheinbar noch so
minimaler Natur, in der wir auseinandergingen. Unsere
Methoden im Erfassen und Wiedergeben des Erfassten
sind mit der Zeit die vollständig gleichen geworden. Es
giebt Stellen, ja ganze Seiten im „Papa Hamlet“, von
denen wir uns absolut keine Rechenschaft mehr abzulegen
vermöchten, ob die ursprüngliche Idee zu ihnen dem einen,
die nachträgliche Form aber dem anderen angehört, oder
umgekehrt. Oft flossen uns dieselben Worte desselben
Satzes gleichzeitig in die Feder, oft vollendete der eine
den eben angefangenen Satz des anderen. Wir könnten
so vielleicht sagen, wir hätten uns das Buch gegenseitig
„erzählt“; wir haben es uns einander ausgemalt, immer
deutlicher, bis es endlich auf dem Papier stand. Uns nun
nachträglich sagen zu wollen, das gehört dir und das dem
anderen, liegt uns ebenso fern, als es in den weitaus
meisten Fällen auch thatsächlich kaum mehr zu ermitteln
wäre. Wir haben nicht das mindeste Interesse daran!
Unsere Freude war, dass es dastand, und die Arbeit selbst
gilt uns auch heute noch mehr als die Arbeiter. Ein
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[VII/0013] Sehr geehrter Herr! Gestatten Sie mir zu dem in No. 45 Ihres Blattes er- schienenen Aufsatze: „Neurealistische Novellen. Besprochen von Kaberlin.“ freundlichst folgende Berichtigung: Nachdem mich der Herr Verfasser des betreffenden Artikels — nebenbei bemerkt des weitaus eingehendsten und gediegensten, der, wenigstens in der deutschen Presse, bisher über „Papa Hamlet“ erschienen ist — als Autor dieses Buches namhaft gemacht, setzt er in Form einer kleinen Fussnote hinzu: „Johannes Schlaf soll ebenfalls, aber nur im zweiten Grad, an der Arbeit betheiligt sein.“ Nun! Er soll es nicht nur, sondern er ist es auch! Und soweit wenigstens unsere d. h. seine und meine Kenntniss der Sachlage reicht, ist es überdies durchaus ungerechtfertigt, einem von uns beiden, und zwar ganz gleichgültig welchem, eine Betheiligung „ersten“ oder „zweiten“ Grades zuzumessen. Im Gegentheil! Nicht allein, dass wir unsere Arbeit zu gleichen Hälften geleistet zu haben glauben, wir haben sie thatsächlich so geleistet! Eine langjährige Freundschaft, verstärkt durch ein fast ebenso langes, nahestes Zusammenleben, und gewiss auch nicht in letzter Linie beeinflusst durch gewisse ähnliche Naturanlagen, hat unsere Individualitäten, wenigstens in rein künstlerischen Beziehungen, nach und nach geradezu kongruent werden lassen! Wir kennen nach dieser Richtung hin kaum eine Frage, und sei sie auch scheinbar noch so minimaler Natur, in der wir auseinandergingen. Unsere Methoden im Erfassen und Wiedergeben des Erfassten sind mit der Zeit die vollständig gleichen geworden. Es giebt Stellen, ja ganze Seiten im „Papa Hamlet“, von denen wir uns absolut keine Rechenschaft mehr abzulegen vermöchten, ob die ursprüngliche Idee zu ihnen dem einen, die nachträgliche Form aber dem anderen angehört, oder umgekehrt. Oft flossen uns dieselben Worte desselben Satzes gleichzeitig in die Feder, oft vollendete der eine den eben angefangenen Satz des anderen. Wir könnten so vielleicht sagen, wir hätten uns das Buch gegenseitig „erzählt“; wir haben es uns einander ausgemalt, immer deutlicher, bis es endlich auf dem Papier stand. Uns nun nachträglich sagen zu wollen, das gehört dir und das dem anderen, liegt uns ebenso fern, als es in den weitaus meisten Fällen auch thatsächlich kaum mehr zu ermitteln wäre. Wir haben nicht das mindeste Interesse daran! Unsere Freude war, dass es dastand, und die Arbeit selbst gilt uns auch heute noch mehr als die Arbeiter. Ein weiteres grösseres Opus haben wir bereits wieder unter

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Zitationshilfe: Holz, Arno; Schlaf, Johannes: Die Familie Selicke. Berlin, 1890, S. VII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holz_selicke_1890/13>, abgerufen am 29.03.2024.