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Huber, Victor Aimé: Sieben Briefe über englisches Revival und deutsche Erweckung. Frankfurt (Main), 1862.

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falls aber ist davon bei den Revivals nur in den seltensten Aus-
nahmen die Rede. Bei der vollkommensten Uebereinstimmung mit
den Lehren der lutherischen Kirche, namentlich hinsichtlich der Sa-
kramente, muß man doch darauf bestehen, daß eine ächt schriftgemäße
Erweckung auch ohne Sakrament, ohne Taufe möglich und berechtigt
ist -- um so mehr, da sie unter den hier irgend in Betracht kommen-
den Verhältnissen ganz von selbst ihre Bestätigung im nachträglichen
Sakrament erhält -- in dem Sinne und mit der Kraft, die dann
der Kirche gegeben sein mag, deren Diener die Erweckung bewirkte.
Ueber diese verschiedenen Kirchen selbst und ihre Berechtigung zu
existiren, haben wir aber hier nicht zu richten. Jm Revival aber
steht die Alternative ganz einfach so: sie hat es entweder mit Ge-
tauften und sonst durch Sakrament einer bestimmten Kirche Ange-
hörigen, aber ihr Entfremdeten zu thun, oder mit Ungetauften und
also keiner Kirche Angehörigen. Ueber die erste und als Regel
anzusehende Alternative will ich nur fragen: sollen diese verloren
bleiben, wenn oder weil sie von ihren eigentlichen Hirten ver-
säumt, von andern aufgefunden worden oder andern zulaufen? Oder
kann Jemand im Ernst glauben, unter den gegebenen Verhältnissen
könne auch nur in einem Fall von Hunderten davon die Rede
sein, die heranströmende Menge zu sortiren und Jeden einem Geist-
lichen seiner Kirche oder gar seinem Parochus zuzuweisen. Und
wenn er zu diesem kein Vertrauen hat, weil er ihn gar nicht kennt
u. s. w., oder wenn der nichts von ihm wißen mag, darf man sich dann
mit einem: "da siehe du zu!" aus der Sache ziehen? Der andere
Fall aber ist noch einfacher für Jeden, der nicht mit jenem Ber-
liner Referat die Erweckung ohne vorhergegangene Taufe für
unevangelisch und unmöglich hält, wogegen denn doch hoffentlich
mehr denn eine lutherische Autorität zu finden sein dürfte!

Doch ich sehe, daß mich die Begründung meines Standpunktes
schon zu der Beurtheilung der von Andern erhobenen Anklagen
gegen das Revival geführt hat, die ich mir, wenn Sie einverstanden
sind, dem nächsten Briefe vorbehalten wollte. Womit u. s. w.



falls aber iſt davon bei den Revivals nur in den ſeltenſten Aus-
nahmen die Rede. Bei der vollkommenſten Uebereinſtimmung mit
den Lehren der lutheriſchen Kirche, namentlich hinſichtlich der Sa-
kramente, muß man doch darauf beſtehen, daß eine ächt ſchriftgemäße
Erweckung auch ohne Sakrament, ohne Taufe möglich und berechtigt
iſt — um ſo mehr, da ſie unter den hier irgend in Betracht kommen-
den Verhältniſſen ganz von ſelbſt ihre Beſtätigung im nachträglichen
Sakrament erhält — in dem Sinne und mit der Kraft, die dann
der Kirche gegeben ſein mag, deren Diener die Erweckung bewirkte.
Ueber dieſe verſchiedenen Kirchen ſelbſt und ihre Berechtigung zu
exiſtiren, haben wir aber hier nicht zu richten. Jm Revival aber
ſteht die Alternative ganz einfach ſo: ſie hat es entweder mit Ge-
tauften und ſonſt durch Sakrament einer beſtimmten Kirche Ange-
hörigen, aber ihr Entfremdeten zu thun, oder mit Ungetauften und
alſo keiner Kirche Angehörigen. Ueber die erſte und als Regel
anzuſehende Alternative will ich nur fragen: ſollen dieſe verloren
bleiben, wenn oder weil ſie von ihren eigentlichen Hirten ver-
ſäumt, von andern aufgefunden worden oder andern zulaufen? Oder
kann Jemand im Ernſt glauben, unter den gegebenen Verhältniſſen
könne auch nur in einem Fall von Hunderten davon die Rede
ſein, die heranſtrömende Menge zu ſortiren und Jeden einem Geiſt-
lichen ſeiner Kirche oder gar ſeinem Parochus zuzuweiſen. Und
wenn er zu dieſem kein Vertrauen hat, weil er ihn gar nicht kennt
u. ſ. w., oder wenn der nichts von ihm wißen mag, darf man ſich dann
mit einem: „da ſiehe du zu!‟ aus der Sache ziehen? Der andere
Fall aber iſt noch einfacher für Jeden, der nicht mit jenem Ber-
liner Referat die Erweckung ohne vorhergegangene Taufe für
unevangeliſch und unmöglich hält, wogegen denn doch hoffentlich
mehr denn eine lutheriſche Autorität zu finden ſein dürfte!

Doch ich ſehe, daß mich die Begründung meines Standpunktes
ſchon zu der Beurtheilung der von Andern erhobenen Anklagen
gegen das Revival geführt hat, die ich mir, wenn Sie einverſtanden
ſind, dem nächſten Briefe vorbehalten wollte. Womit u. ſ. w.



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[45/0051] falls aber iſt davon bei den Revivals nur in den ſeltenſten Aus- nahmen die Rede. Bei der vollkommenſten Uebereinſtimmung mit den Lehren der lutheriſchen Kirche, namentlich hinſichtlich der Sa- kramente, muß man doch darauf beſtehen, daß eine ächt ſchriftgemäße Erweckung auch ohne Sakrament, ohne Taufe möglich und berechtigt iſt — um ſo mehr, da ſie unter den hier irgend in Betracht kommen- den Verhältniſſen ganz von ſelbſt ihre Beſtätigung im nachträglichen Sakrament erhält — in dem Sinne und mit der Kraft, die dann der Kirche gegeben ſein mag, deren Diener die Erweckung bewirkte. Ueber dieſe verſchiedenen Kirchen ſelbſt und ihre Berechtigung zu exiſtiren, haben wir aber hier nicht zu richten. Jm Revival aber ſteht die Alternative ganz einfach ſo: ſie hat es entweder mit Ge- tauften und ſonſt durch Sakrament einer beſtimmten Kirche Ange- hörigen, aber ihr Entfremdeten zu thun, oder mit Ungetauften und alſo keiner Kirche Angehörigen. Ueber die erſte und als Regel anzuſehende Alternative will ich nur fragen: ſollen dieſe verloren bleiben, wenn oder weil ſie von ihren eigentlichen Hirten ver- ſäumt, von andern aufgefunden worden oder andern zulaufen? Oder kann Jemand im Ernſt glauben, unter den gegebenen Verhältniſſen könne auch nur in einem Fall von Hunderten davon die Rede ſein, die heranſtrömende Menge zu ſortiren und Jeden einem Geiſt- lichen ſeiner Kirche oder gar ſeinem Parochus zuzuweiſen. Und wenn er zu dieſem kein Vertrauen hat, weil er ihn gar nicht kennt u. ſ. w., oder wenn der nichts von ihm wißen mag, darf man ſich dann mit einem: „da ſiehe du zu!‟ aus der Sache ziehen? Der andere Fall aber iſt noch einfacher für Jeden, der nicht mit jenem Ber- liner Referat die Erweckung ohne vorhergegangene Taufe für unevangeliſch und unmöglich hält, wogegen denn doch hoffentlich mehr denn eine lutheriſche Autorität zu finden ſein dürfte! Doch ich ſehe, daß mich die Begründung meines Standpunktes ſchon zu der Beurtheilung der von Andern erhobenen Anklagen gegen das Revival geführt hat, die ich mir, wenn Sie einverſtanden ſind, dem nächſten Briefe vorbehalten wollte. Womit u. ſ. w.

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Zitationshilfe: Huber, Victor Aimé: Sieben Briefe über englisches Revival und deutsche Erweckung. Frankfurt (Main), 1862, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_revival_1862/51>, abgerufen am 29.03.2024.