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Hufeland, Otto: Vorlesungen über physicalische Geographie von A. v. Humboldt. [G]eschrieben im Sommer 1829 durch Otto Hufeland. [Berlin], [ca. 1829]. [= Abschrift einer Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.]

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gegenwärtig erwarten kann, einen ihrer Hauptsitze in dem jetzt
emancipirten spanischen Amerika aufschlägt, so wird es von der
größten Wichtigkeit sein, von jenen Hochebnen aus (Potusi 12000')
neue Ascensionen zu versuchen und besonders durch kleine Aerosta-
ten electrische Beobachtungen zu unterstützen, um dadurch der noch
immer geheimnißvollen Erscheinung der Gewitter näher zu kommen,
in deren Erklärung wir so wenig vorgerückt sind. - Kein Theil der
Welt eignet sich durch seinen wunderbaren Bau so sehr für meteoro-
logische Beobachtungen so sehr, als jenes Plateau, auf dem sich Städte
finden 600 Toisen über der Meeresfläche, und andere 12000 Fuß hoch.

Die Veränderlichkeit der Schneegrenze, die von so großer Wichtigkeit
für Climatologie ist, hat mich auf das System der isothermen Linien
geführt, welche die Parallelkreise unter mannigfaltigen Winckeln durch-
kreuzen. Sie steigen gegen den Aequator herab, weil man im östlichen
Theile von Asien und im östlichern Theile von Nordamerika auf gleichen
Höhen über dem Meere in einer südlichern Breite die Temperatur
suchen muß, welche in unserm mittlern Europa weiter gegen Norden
hinauf gefunden wird. Unter denselben Breitengraden, wo in dem
nördlichen Europa noch Garten- und Acker-Bau getrieben wird, zeigen sich
in Nordamerika und Nordasien nur sumpfige, moosbedeckte Länder. Dage-
gen äussert die kräftige Wärmestrahlung der Hochebenen von Inner-
asien zwischen den fast parallelen Gebirgsketten des Himalaja, des
Zunglings und des Himmelsberges den glücklichsten Einfluß auf die
Bevölkerung. Die ewige Schneegrenze liegt am nördlichen Abhange
des Himalaja's 4000 Fuß höher, als am südlichen Abhange. Millionen
von Menschen thibetanischer Abkunft bewohnen volkreiche Städte, da,
wo bei minderer Ausdehnung und minderer Continuität der Hochebenen,

gegenwärtig erwarten kann, einen ihrer Hauptsitze in dem jetzt
emancipirten spanischen Amerika aufschlägt, so wird es von der
größten Wichtigkeit sein, von jenen Hochebnen aus (Potusi 12000′)
neue Ascensionen zu versuchen und besonders durch kleine Aerosta-
ten electrische Beobachtungen zu unterstützen, um dadurch der noch
immer geheimnißvollen Erscheinung der Gewitter näher zu kom̃en,
in deren Erklärung wir so wenig vorgerückt sind. – Kein Theil der
Welt eignet sich durch seinen wunderbaren Bau so sehr für meteoro-
logische Beobachtungen so sehr, als jenes Plateau, auf dem sich Städte
finden 600 Toisen über der Meeresfläche, und andere 12000 Fuß hoch.

Die Veränderlichkeit der Schneegrenze, die von so großer Wichtigkeit
für Climatologie ist, hat mich auf das System der isothermen Linien
geführt, welche die Parallelkreise unter mannigfaltigen Winckeln durch-
kreuzen. Sie steigen gegen den Aequator herab, weil man im östlichen
Theile von Asien und im östlichern Theile von Nordamerika auf gleichen
Höhen über dem Meere in einer südlichern Breite die Temperatur
suchen muß, welche in unserm mittlern Europa weiter gegen Norden
hinauf gefunden wird. Unter denselben Breitengraden, wo in dem
nördlichen Europa noch Garten- und Acker-Bau getrieben wird, zeigen sich
in Nordamerika und Nordasien nur sumpfige, moosbedeckte Länder. Dage-
gen äussert die kräftige Wärmestrahlung der Hochebenen von Inner-
asien zwischen den fast parallelen Gebirgsketten des Himalaja, des
Zunglings und des Him̃elsberges den glücklichsten Einfluß auf die
Bevölkerung. Die ewige Schneegrenze liegt am nördlichen Abhange
des Himalaja’s 4000 Fuß höher, als am südlichen Abhange. Millionen
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wo bei minderer Ausdehnung und minderer Continuität der Hochebenen,

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[55/0059] gegenwärtig erwarten kann, einen ihrer Hauptsitze in dem jetzt emancipirten spanischen Amerika aufschlägt, so wird es von der größten Wichtigkeit sein, von jenen Hochebnen aus /Potusi 12000′/ neue Ascensionen zu versuchen und besonders durch kleine Aerosta- ten electrische Beobachtungen zu unterstützen, um dadurch der noch immer geheimnißvollen Erscheinung der Gewitter näher zu kom̃en, in deren Erklärung wir so wenig vorgerückt sind. – Kein Theil der Welt eignet sich durch seinen wunderbaren Bau so sehr für meteoro- logische Beobachtungen so sehr, als jenes Plateau, auf dem sich Städte finden 600 Toisen über der Meeresfläche, u andere 12000 Fuß hoch. Die Veränderlichkeit der Schneegrenze, die von so großer Wichtigkeit für Climatologie ist, hat mich auf das System der isothermen Linien geführt, welche die Parallelkreise unter mannigfaltigen Winckeln durch- kreuzen. Sie steigen gegen den Aequator herab, weil man im östlichen Theile von Asien u im östlichern Theile von Nordamerika auf gleichen Höhen über dem Meere in einer südlichern Breite die Temperatur suchen muß, welche in unserm mittlern Europa weiter gegen Norden hinauf gefunden wird. Unter denselben Breitengraden, wo in dem nördlichen Europa noch Garten- u Acker-bau getrieben wird, zeigen sich in Nordamerika u Nordasien nur sumpfige, moosbedeckte Länder. Dage- gen äussert die kräftige Wärmestrahlung der Hochebenen von Inner- asien zwischen den fast parallelen Gebirgsketten des Himalaja, des Zunglings u des Him̃elsberges den glücklichsten Einfluß auf die Bevölkerung. Die ewige Schneegrenze liegt am nördlichen Abhange des Himalaja’s 4000 Fuß höher, als am südlichen Abhange. Millionen von Menschen thibetanischer Abkunft bewohnen volkreiche Städte, da, wo bei minderer Ausdehnung und minderer Continuität der Hochebenen,

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christian Thomas: Herausgeber
Tina Krell, Sandra Balck, Benjamin Fiechter, Christian Thomas: Bearbeiter
Nalan Lom: Bilddigitalisierung

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Dieses Werk wurde auf der Grundlage der Transkription von [N. N.]: Physikalische Geographie. Vorgetragen von Alexander von Humboldt. [Berlin], [1827/28] anhand der Vorlage geprüft und korrigiert, nach XML/TEI P5 konvertiert und gemäß dem DTA-Basisformat kodiert.

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  • I/J: Lautwert transkribiert



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Zitationshilfe: Hufeland, Otto: Vorlesungen über physicalische Geographie von A. v. Humboldt. [G]eschrieben im Sommer 1829 durch Otto Hufeland. [Berlin], [ca. 1829]. [= Abschrift einer Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.], S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_privatbesitz_1829/59>, abgerufen am 28.04.2024.