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Hug, Gallus Joseph: Die christliche Familie im Kampfe gegen feindliche Mächte. Vorträge über christliche Ehe und Erziehung. Freiburg (Schweiz), 1896.

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ist so recht der Mittelpunkt der wahren Erziehung. Wenn
dieser Gegenstand an und für sich sympatisch in Allen
die manigfaltigsten Gefühle erweckt und in vielen einer
eigentlichen Begeisterung gerufen, so ist mir dies nur der
Beweis, daß ihr ein großes Verlangen nach der tiefen
Entwicklung der ernsten Glaubenswahrheiten habet und
deßwegen mit meiner Redefreiheit auch einverstanden seid.

Was ich nun über den Gehorsam zu sagen habe,
ist allerdings nicht so anziehend und lieblich, aber doch
von außerordentlicher Bedeutung und Tragweite, besonders
jetzt, wo der Empörungsschwindel sich immer mehr der
aufwachsenden Jugend bemächtigt, und so viele Eltern
es nicht verstehen oder nichts thun, um zum Gehorsam zu
erzielen. Daher will ich zuerst einige Worte an die
Jugend und dann zum Schlusse an die Eltern richten.

Was ist denn Gehorsam? Da müssen wir klar sein.
Denn die meisten Irrthümer kommen aus dem Mangel
klarer Begriffe. Gehorsam ist die freiwillige Unterwerf-
ung des Willens unter die Auktorität, welche das Recht hat,
uns zu befehlen. So ist der Wanderer, der dem Räuber
sein Geld gibt, nicht gehorsam, sondern weicht einfach
der Gewalt. So sind auch Kinder, welche in die Ord-
nung sich zwar fügen, aber innerlich widerstreben, nicht
eigentlich gehorsam, und verwildern früher oder später.
Wenn ihr also den Gehorsam übet, so thuet ihr nicht
bloß äußerlich, sondern wollet auch im Herzen, was die
Eltern von euch verlangen.

Betrachte nun, christliches Kind, dein göttliches Vor-
bild. Und er zog mit ihnen hinab und kam nach Naza-
reth und war ihnen unterthan. (L. II. 51.) So berichtet
das Evangelium. Wer also war unterthan? Der Knabe
Jesus. Wer ist unterthan? Jesus Christus, allmächtig
wie Gott der Vater, ist unterthan Maria und Joseph,
die schwach wie andere Menschen, Jesus Christus all-

ist so recht der Mittelpunkt der wahren Erziehung. Wenn
dieser Gegenstand an und für sich sympatisch in Allen
die manigfaltigsten Gefühle erweckt und in vielen einer
eigentlichen Begeisterung gerufen, so ist mir dies nur der
Beweis, daß ihr ein großes Verlangen nach der tiefen
Entwicklung der ernsten Glaubenswahrheiten habet und
deßwegen mit meiner Redefreiheit auch einverstanden seid.

Was ich nun über den Gehorsam zu sagen habe,
ist allerdings nicht so anziehend und lieblich, aber doch
von außerordentlicher Bedeutung und Tragweite, besonders
jetzt, wo der Empörungsschwindel sich immer mehr der
aufwachsenden Jugend bemächtigt, und so viele Eltern
es nicht verstehen oder nichts thun, um zum Gehorsam zu
erzielen. Daher will ich zuerst einige Worte an die
Jugend und dann zum Schlusse an die Eltern richten.

Was ist denn Gehorsam? Da müssen wir klar sein.
Denn die meisten Irrthümer kommen aus dem Mangel
klarer Begriffe. Gehorsam ist die freiwillige Unterwerf-
ung des Willens unter die Auktorität, welche das Recht hat,
uns zu befehlen. So ist der Wanderer, der dem Räuber
sein Geld gibt, nicht gehorsam, sondern weicht einfach
der Gewalt. So sind auch Kinder, welche in die Ord-
nung sich zwar fügen, aber innerlich widerstreben, nicht
eigentlich gehorsam, und verwildern früher oder später.
Wenn ihr also den Gehorsam übet, so thuet ihr nicht
bloß äußerlich, sondern wollet auch im Herzen, was die
Eltern von euch verlangen.

Betrachte nun, christliches Kind, dein göttliches Vor-
bild. Und er zog mit ihnen hinab und kam nach Naza-
reth und war ihnen unterthan. (L. II. 51.) So berichtet
das Evangelium. Wer also war unterthan? Der Knabe
Jesus. Wer ist unterthan? Jesus Christus, allmächtig
wie Gott der Vater, ist unterthan Maria und Joseph,
die schwach wie andere Menschen, Jesus Christus all-

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[198/0210] ist so recht der Mittelpunkt der wahren Erziehung. Wenn dieser Gegenstand an und für sich sympatisch in Allen die manigfaltigsten Gefühle erweckt und in vielen einer eigentlichen Begeisterung gerufen, so ist mir dies nur der Beweis, daß ihr ein großes Verlangen nach der tiefen Entwicklung der ernsten Glaubenswahrheiten habet und deßwegen mit meiner Redefreiheit auch einverstanden seid. Was ich nun über den Gehorsam zu sagen habe, ist allerdings nicht so anziehend und lieblich, aber doch von außerordentlicher Bedeutung und Tragweite, besonders jetzt, wo der Empörungsschwindel sich immer mehr der aufwachsenden Jugend bemächtigt, und so viele Eltern es nicht verstehen oder nichts thun, um zum Gehorsam zu erzielen. Daher will ich zuerst einige Worte an die Jugend und dann zum Schlusse an die Eltern richten. Was ist denn Gehorsam? Da müssen wir klar sein. Denn die meisten Irrthümer kommen aus dem Mangel klarer Begriffe. Gehorsam ist die freiwillige Unterwerf- ung des Willens unter die Auktorität, welche das Recht hat, uns zu befehlen. So ist der Wanderer, der dem Räuber sein Geld gibt, nicht gehorsam, sondern weicht einfach der Gewalt. So sind auch Kinder, welche in die Ord- nung sich zwar fügen, aber innerlich widerstreben, nicht eigentlich gehorsam, und verwildern früher oder später. Wenn ihr also den Gehorsam übet, so thuet ihr nicht bloß äußerlich, sondern wollet auch im Herzen, was die Eltern von euch verlangen. Betrachte nun, christliches Kind, dein göttliches Vor- bild. Und er zog mit ihnen hinab und kam nach Naza- reth und war ihnen unterthan. (L. II. 51.) So berichtet das Evangelium. Wer also war unterthan? Der Knabe Jesus. Wer ist unterthan? Jesus Christus, allmächtig wie Gott der Vater, ist unterthan Maria und Joseph, die schwach wie andere Menschen, Jesus Christus all-

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Zitationshilfe: Hug, Gallus Joseph: Die christliche Familie im Kampfe gegen feindliche Mächte. Vorträge über christliche Ehe und Erziehung. Freiburg (Schweiz), 1896, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hug_familie_1896/210>, abgerufen am 18.04.2024.