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Hug, Gallus Joseph: Die christliche Familie im Kampfe gegen feindliche Mächte. Vorträge über christliche Ehe und Erziehung. Freiburg (Schweiz), 1896.

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erhalten. Wer daher immer die Pflichten dieser ersten
Bruderschaft nicht erfüllt, wer in derselben sich nicht
heimisch fühlt und seine Freuden anderswo sucht, der
wird auch keiner andern Bruderschaft Ehre machen.

Oder wollet ihr etwa sagen, in dieser Bruderschaft
werde doch das Leben für junge Leute langweilig. Aber
seit wann sind wir denn der Kurzweil wegen auf der
Welt - seit wann? Langweilig? Und doch sagt der
hl. Geist: "Wie gut und lieblich, wenn Brüder zusammen-
wohnen."
Langweilig? Ja, für die Leidenschaft, welche
die Marksteine der Nüchternheit, der Bescheidenheit, der
Sittsamkeit umstürzt, aber niemals für eine edle Seele,
deren Bescheidenheit in der Freude Gott und den Men-
schen offenbar. Langweilig? Aber wer sagt denn, daß
den Geschwistern Unterhaltung und Spiel und Spazier-
gang verboten sei? - Machet euch nur diese wahre
Bruderschaft in gegenseitiger Ehrfurcht und Liebe so an-
genehm als möglich, und es wird euch nirgends wohl
sein als in der Familie.

Oder ist diese Wahrheit für unsere Zeit zu strenge,
zu extrem; sollte man etwa so eine Art Mittelantrag,
eine Versöhnung versuchen? Leidenschaft und Feigheit
stellen so Mittelanträge, um der Herrschaft der Wahr-
heit wenigstens theilweise sich zu entziehen; die Wahrheit
aber kann dieselben niemals annehmen. Denn die Halb-
Wahrheiten, der Halb-Glaube, die Halb-Großmuth sind
Ballast mittelmäßiger Seelen, welche dasjenige Mäßigung
nennen, was nur Feigheit und Ohnmacht ist. Denn man
hat am Ende eben nicht den Muth, vor dem schmutzigen
Götzen, der sogenannten öffentlichen Meinung, vorbeizu-
gehen wie Tell vor Geßlers Hut und einer bösen Nei-
gung alles rundweg abzuschlagen.

Gerne gebe ich zu, daß die Heilighaltung dieser
ersten wahren Bruderschaft dem sinnlichen Menschen viele

erhalten. Wer daher immer die Pflichten dieser ersten
Bruderschaft nicht erfüllt, wer in derselben sich nicht
heimisch fühlt und seine Freuden anderswo sucht, der
wird auch keiner andern Bruderschaft Ehre machen.

Oder wollet ihr etwa sagen, in dieser Bruderschaft
werde doch das Leben für junge Leute langweilig. Aber
seit wann sind wir denn der Kurzweil wegen auf der
Welt – seit wann? Langweilig? Und doch sagt der
hl. Geist: „Wie gut und lieblich, wenn Brüder zusammen-
wohnen.“
Langweilig? Ja, für die Leidenschaft, welche
die Marksteine der Nüchternheit, der Bescheidenheit, der
Sittsamkeit umstürzt, aber niemals für eine edle Seele,
deren Bescheidenheit in der Freude Gott und den Men-
schen offenbar. Langweilig? Aber wer sagt denn, daß
den Geschwistern Unterhaltung und Spiel und Spazier-
gang verboten sei? – Machet euch nur diese wahre
Bruderschaft in gegenseitiger Ehrfurcht und Liebe so an-
genehm als möglich, und es wird euch nirgends wohl
sein als in der Familie.

Oder ist diese Wahrheit für unsere Zeit zu strenge,
zu extrem; sollte man etwa so eine Art Mittelantrag,
eine Versöhnung versuchen? Leidenschaft und Feigheit
stellen so Mittelanträge, um der Herrschaft der Wahr-
heit wenigstens theilweise sich zu entziehen; die Wahrheit
aber kann dieselben niemals annehmen. Denn die Halb-
Wahrheiten, der Halb-Glaube, die Halb-Großmuth sind
Ballast mittelmäßiger Seelen, welche dasjenige Mäßigung
nennen, was nur Feigheit und Ohnmacht ist. Denn man
hat am Ende eben nicht den Muth, vor dem schmutzigen
Götzen, der sogenannten öffentlichen Meinung, vorbeizu-
gehen wie Tell vor Geßlers Hut und einer bösen Nei-
gung alles rundweg abzuschlagen.

Gerne gebe ich zu, daß die Heilighaltung dieser
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[321/0333] erhalten. Wer daher immer die Pflichten dieser ersten Bruderschaft nicht erfüllt, wer in derselben sich nicht heimisch fühlt und seine Freuden anderswo sucht, der wird auch keiner andern Bruderschaft Ehre machen. Oder wollet ihr etwa sagen, in dieser Bruderschaft werde doch das Leben für junge Leute langweilig. Aber seit wann sind wir denn der Kurzweil wegen auf der Welt – seit wann? Langweilig? Und doch sagt der hl. Geist: „Wie gut und lieblich, wenn Brüder zusammen- wohnen.“ Langweilig? Ja, für die Leidenschaft, welche die Marksteine der Nüchternheit, der Bescheidenheit, der Sittsamkeit umstürzt, aber niemals für eine edle Seele, deren Bescheidenheit in der Freude Gott und den Men- schen offenbar. Langweilig? Aber wer sagt denn, daß den Geschwistern Unterhaltung und Spiel und Spazier- gang verboten sei? – Machet euch nur diese wahre Bruderschaft in gegenseitiger Ehrfurcht und Liebe so an- genehm als möglich, und es wird euch nirgends wohl sein als in der Familie. Oder ist diese Wahrheit für unsere Zeit zu strenge, zu extrem; sollte man etwa so eine Art Mittelantrag, eine Versöhnung versuchen? Leidenschaft und Feigheit stellen so Mittelanträge, um der Herrschaft der Wahr- heit wenigstens theilweise sich zu entziehen; die Wahrheit aber kann dieselben niemals annehmen. Denn die Halb- Wahrheiten, der Halb-Glaube, die Halb-Großmuth sind Ballast mittelmäßiger Seelen, welche dasjenige Mäßigung nennen, was nur Feigheit und Ohnmacht ist. Denn man hat am Ende eben nicht den Muth, vor dem schmutzigen Götzen, der sogenannten öffentlichen Meinung, vorbeizu- gehen wie Tell vor Geßlers Hut und einer bösen Nei- gung alles rundweg abzuschlagen. Gerne gebe ich zu, daß die Heilighaltung dieser ersten wahren Bruderschaft dem sinnlichen Menschen viele

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Zitationshilfe: Hug, Gallus Joseph: Die christliche Familie im Kampfe gegen feindliche Mächte. Vorträge über christliche Ehe und Erziehung. Freiburg (Schweiz), 1896, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hug_familie_1896/333>, abgerufen am 25.04.2024.