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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.

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mich mit meinen Instrumenten auf einer der Korvetten, die
nach der Südsee gehen sollten, einzuschiffen, und machte nur
zur Bedingung, daß ich mich von Kapitän Baudin trennen
dürfte, wo und wann es mir beliebte. Michaux, der bereits
Persien und einen Teil von Nordamerika besucht hatte, und
Bonpland, dem ich mich anschloß, und der mir seitdem aufs
innigste befreundet geblieben, sollten die Reise als Naturforscher
mitmachen.

Ich hatte mich einige Monate lang darauf gefreut, an
einer so großen und ehrenvollen Unternehmung teilnehmen
zu dürfen, da brach der Krieg in Deutschland und in Italien
von neuem aus, so daß die französische Regierung die Geld-
mittel, die sie zu der Entdeckungsreise angewiesen, zurückzog
und dieselbe auf unbestimmte Zeit verschob. Mit Kummer
sah ich alle meine Aussichten vernichtet, ein einziger Tag hatte
dem Plane, den ich für mehrere Lebensjahre entworfen, ein
Ende gemacht; da beschloß ich nur so bald als möglich, wie
es auch sei, von Europa wegzukommen, irgend etwas zu unter-
nehmen, das meinen Unmut zerstreuen könnte.

Ich wurde mit einem schwedischen Konsul, Skiöldebrand,
bekannt, der dem Dei von Algier Geschenke von seiten seines
Hofes zu überbringen hatte und durch Paris kam, um sich in
Marseille einzuschiffen. Dieser achtungswerte Mann war lange
auf der afrikanischen Küste angestellt gewesen, und da er bei
der algerischen Regierung gut angeschrieben war, konnte er
für mich auswirken, daß ich den Teil der Atlaskette bereisen
durfte, auf den sich die bedeutenden Untersuchungen von Des-
fontaines nicht erstreckt hatten. Er schickte jedes Jahr ein
Fahrzeug nach Tunis, auf dem die Pilger nach Mekka gingen,
und er versprach mir, mich auf diesem Wege nach Aegypten
zu befördern. Ich besann mich keinen Augenblick, eine so gute
Gelegenheit zu benutzen, und ich meinte nunmehr den Plan,
den ich vor meiner Reise nach Frankreich entworfen, sofort
ausführen zu können. Bis jetzt hatte kein Mineralog die
hohe Bergkette untersucht, die in Marokko bis zur Grenze des
ewigen Schnees aufsteigt. Ich konnte darauf rechnen, daß
ich, nachdem ich in den Alpenstrichen der Berberei einiges für
die Wissenschaft gethan, in Aegypten bei den bedeutenden
Gelehrten, die seit einigen Monaten zum Institut von Kairo
zusammengetreten waren, dasselbe Entgegenkommen fand, das
mir in Paris in so reichem Maße zu teil geworden. Ich
ergänzte rasch meine Sammlung von Instrumenten und ver-

mich mit meinen Inſtrumenten auf einer der Korvetten, die
nach der Südſee gehen ſollten, einzuſchiffen, und machte nur
zur Bedingung, daß ich mich von Kapitän Baudin trennen
dürfte, wo und wann es mir beliebte. Michaux, der bereits
Perſien und einen Teil von Nordamerika beſucht hatte, und
Bonpland, dem ich mich anſchloß, und der mir ſeitdem aufs
innigſte befreundet geblieben, ſollten die Reiſe als Naturforſcher
mitmachen.

Ich hatte mich einige Monate lang darauf gefreut, an
einer ſo großen und ehrenvollen Unternehmung teilnehmen
zu dürfen, da brach der Krieg in Deutſchland und in Italien
von neuem aus, ſo daß die franzöſiſche Regierung die Geld-
mittel, die ſie zu der Entdeckungsreiſe angewieſen, zurückzog
und dieſelbe auf unbeſtimmte Zeit verſchob. Mit Kummer
ſah ich alle meine Ausſichten vernichtet, ein einziger Tag hatte
dem Plane, den ich für mehrere Lebensjahre entworfen, ein
Ende gemacht; da beſchloß ich nur ſo bald als möglich, wie
es auch ſei, von Europa wegzukommen, irgend etwas zu unter-
nehmen, das meinen Unmut zerſtreuen könnte.

Ich wurde mit einem ſchwediſchen Konſul, Skiöldebrand,
bekannt, der dem Dei von Algier Geſchenke von ſeiten ſeines
Hofes zu überbringen hatte und durch Paris kam, um ſich in
Marſeille einzuſchiffen. Dieſer achtungswerte Mann war lange
auf der afrikaniſchen Küſte angeſtellt geweſen, und da er bei
der algeriſchen Regierung gut angeſchrieben war, konnte er
für mich auswirken, daß ich den Teil der Atlaskette bereiſen
durfte, auf den ſich die bedeutenden Unterſuchungen von Des-
fontaines nicht erſtreckt hatten. Er ſchickte jedes Jahr ein
Fahrzeug nach Tunis, auf dem die Pilger nach Mekka gingen,
und er verſprach mir, mich auf dieſem Wege nach Aegypten
zu befördern. Ich beſann mich keinen Augenblick, eine ſo gute
Gelegenheit zu benutzen, und ich meinte nunmehr den Plan,
den ich vor meiner Reiſe nach Frankreich entworfen, ſofort
ausführen zu können. Bis jetzt hatte kein Mineralog die
hohe Bergkette unterſucht, die in Marokko bis zur Grenze des
ewigen Schnees aufſteigt. Ich konnte darauf rechnen, daß
ich, nachdem ich in den Alpenſtrichen der Berberei einiges für
die Wiſſenſchaft gethan, in Aegypten bei den bedeutenden
Gelehrten, die ſeit einigen Monaten zum Inſtitut von Kairo
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[7/0023] mich mit meinen Inſtrumenten auf einer der Korvetten, die nach der Südſee gehen ſollten, einzuſchiffen, und machte nur zur Bedingung, daß ich mich von Kapitän Baudin trennen dürfte, wo und wann es mir beliebte. Michaux, der bereits Perſien und einen Teil von Nordamerika beſucht hatte, und Bonpland, dem ich mich anſchloß, und der mir ſeitdem aufs innigſte befreundet geblieben, ſollten die Reiſe als Naturforſcher mitmachen. Ich hatte mich einige Monate lang darauf gefreut, an einer ſo großen und ehrenvollen Unternehmung teilnehmen zu dürfen, da brach der Krieg in Deutſchland und in Italien von neuem aus, ſo daß die franzöſiſche Regierung die Geld- mittel, die ſie zu der Entdeckungsreiſe angewieſen, zurückzog und dieſelbe auf unbeſtimmte Zeit verſchob. Mit Kummer ſah ich alle meine Ausſichten vernichtet, ein einziger Tag hatte dem Plane, den ich für mehrere Lebensjahre entworfen, ein Ende gemacht; da beſchloß ich nur ſo bald als möglich, wie es auch ſei, von Europa wegzukommen, irgend etwas zu unter- nehmen, das meinen Unmut zerſtreuen könnte. Ich wurde mit einem ſchwediſchen Konſul, Skiöldebrand, bekannt, der dem Dei von Algier Geſchenke von ſeiten ſeines Hofes zu überbringen hatte und durch Paris kam, um ſich in Marſeille einzuſchiffen. Dieſer achtungswerte Mann war lange auf der afrikaniſchen Küſte angeſtellt geweſen, und da er bei der algeriſchen Regierung gut angeſchrieben war, konnte er für mich auswirken, daß ich den Teil der Atlaskette bereiſen durfte, auf den ſich die bedeutenden Unterſuchungen von Des- fontaines nicht erſtreckt hatten. Er ſchickte jedes Jahr ein Fahrzeug nach Tunis, auf dem die Pilger nach Mekka gingen, und er verſprach mir, mich auf dieſem Wege nach Aegypten zu befördern. Ich beſann mich keinen Augenblick, eine ſo gute Gelegenheit zu benutzen, und ich meinte nunmehr den Plan, den ich vor meiner Reiſe nach Frankreich entworfen, ſofort ausführen zu können. Bis jetzt hatte kein Mineralog die hohe Bergkette unterſucht, die in Marokko bis zur Grenze des ewigen Schnees aufſteigt. Ich konnte darauf rechnen, daß ich, nachdem ich in den Alpenſtrichen der Berberei einiges für die Wiſſenſchaft gethan, in Aegypten bei den bedeutenden Gelehrten, die ſeit einigen Monaten zum Inſtitut von Kairo zuſammengetreten waren, dasſelbe Entgegenkommen fand, das mir in Paris in ſo reichem Maße zu teil geworden. Ich ergänzte raſch meine Sammlung von Inſtrumenten und ver-

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859/23>, abgerufen am 28.03.2024.