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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.

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rung der Wissenschaft vorzunehmen gut finde". Diese Befehle
von seiten des Hofes wurden genau befolgt, auch nachdem
infolge der Ereignisse Don d'Urquijo vom Ministerium hatte
abtreten müssen. Ich meinerseits war bemüht, diese sich nie
verleugnende Freundlichkeit zu erwidern. Ich übergab während
meines Aufenthaltes in Amerika den Statthaltern der Provinzen
Abschriften des von mir gesammelten Materials über die
Geographie und Statistik der Kolonieen, das dem Mutterlande
von einigem Wert sein konnte. Dem von mir vor meiner
Abreise gegebenen Versprechen gemäß übermachte ich dem
naturhistorischen Kabinett zu Madrid mehrere geologische Samm-
lungen. Da der Zweck unserer Reise ein rein wissenschaftlicher
war, so hatten Bonpland und ich das Glück, uns das Wohl-
wollen der Kolonisten wie der mit der Verwaltung dieser
weiten Landstriche betrauten Europäer zu erwerben. In den
fünf Jahren, während deren wir den neuen Kontinent durch-
zogen, sind wir niemals einer Spur von Mißtrauen begegnet.
Mit Freude spreche ich es hier aus: unter den härtesten Ent-
behrungen, im Kampfe mit einer wilden Natur haben wir
uns nie über menschliche Ungerechtigkeit zu beklagen gehabt.

Verschiedene Gründe hätten uns eigentlich bewegen sollen,
noch länger in Spanien zu verweilen. Abbe Cavanilles, ein
Mann gleich geistreich wie mannigfaltig unterrichtet, Nee,
der mit Hänke die Expedition Malaspinas als Botaniker mit-
gemacht und allein eine der größten Kräutersammlungen, die
man je in Europa gesehen, zusammengebracht hat, Don Casimir
Ortega, Abbe Pourret und die gelehrten Verfasser der Flora
von Peru, Ruiz und Papon, stellten uns ihre reichen Samm-
lungen zur unbeschränkten Verfügung. Wir untersuchten zum
Teil die mexikanischen Pflanzen, die von Sesse, Mocinno und
Cervantes entdeckt worden, und von denen Abbildungen an
das naturhistorische Museum zu Madrid gelangt waren. In
dieser großen Anstalt, die unter der Leitung Clavijos stand,
des Herausgebers einer gefälligen Uebersetzung der Werke
Buffons, fanden wir allerdings keine geologischen Suiten aus
den Kordilleren; aber Proust, der sich durch die große Ge-
nauigkeit seiner chemischen Arbeiten bekannt gemacht hat, und
ein ausgezeichneter Mineralog, Hergen, gaben uns interessante
Nachweisungen über verschiedene mineralische Substanzen Ameri-
kas. Mit bedeutendem Nutzen hätten wir uns wohl noch
länger mit den Naturprodukten der Länder beschäftigt, die
das Ziel unserer Forschungen waren, aber es drängte uns zu

rung der Wiſſenſchaft vorzunehmen gut finde“. Dieſe Befehle
von ſeiten des Hofes wurden genau befolgt, auch nachdem
infolge der Ereigniſſe Don d’Urquijo vom Miniſterium hatte
abtreten müſſen. Ich meinerſeits war bemüht, dieſe ſich nie
verleugnende Freundlichkeit zu erwidern. Ich übergab während
meines Aufenthaltes in Amerika den Statthaltern der Provinzen
Abſchriften des von mir geſammelten Materials über die
Geographie und Statiſtik der Kolonieen, das dem Mutterlande
von einigem Wert ſein konnte. Dem von mir vor meiner
Abreiſe gegebenen Verſprechen gemäß übermachte ich dem
naturhiſtoriſchen Kabinett zu Madrid mehrere geologiſche Samm-
lungen. Da der Zweck unſerer Reiſe ein rein wiſſenſchaftlicher
war, ſo hatten Bonpland und ich das Glück, uns das Wohl-
wollen der Koloniſten wie der mit der Verwaltung dieſer
weiten Landſtriche betrauten Europäer zu erwerben. In den
fünf Jahren, während deren wir den neuen Kontinent durch-
zogen, ſind wir niemals einer Spur von Mißtrauen begegnet.
Mit Freude ſpreche ich es hier aus: unter den härteſten Ent-
behrungen, im Kampfe mit einer wilden Natur haben wir
uns nie über menſchliche Ungerechtigkeit zu beklagen gehabt.

Verſchiedene Gründe hätten uns eigentlich bewegen ſollen,
noch länger in Spanien zu verweilen. Abbé Cavanilles, ein
Mann gleich geiſtreich wie mannigfaltig unterrichtet, Née,
der mit Hänke die Expedition Malaſpinas als Botaniker mit-
gemacht und allein eine der größten Kräuterſammlungen, die
man je in Europa geſehen, zuſammengebracht hat, Don Caſimir
Ortega, Abbé Pourret und die gelehrten Verfaſſer der Flora
von Peru, Ruiz und Papon, ſtellten uns ihre reichen Samm-
lungen zur unbeſchränkten Verfügung. Wir unterſuchten zum
Teil die mexikaniſchen Pflanzen, die von Seſſe, Mociño und
Cervantes entdeckt worden, und von denen Abbildungen an
das naturhiſtoriſche Muſeum zu Madrid gelangt waren. In
dieſer großen Anſtalt, die unter der Leitung Clavijos ſtand,
des Herausgebers einer gefälligen Ueberſetzung der Werke
Buffons, fanden wir allerdings keine geologiſchen Suiten aus
den Kordilleren; aber Prouſt, der ſich durch die große Ge-
nauigkeit ſeiner chemiſchen Arbeiten bekannt gemacht hat, und
ein ausgezeichneter Mineralog, Hergen, gaben uns intereſſante
Nachweiſungen über verſchiedene mineraliſche Subſtanzen Ameri-
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[11/0027] rung der Wiſſenſchaft vorzunehmen gut finde“. Dieſe Befehle von ſeiten des Hofes wurden genau befolgt, auch nachdem infolge der Ereigniſſe Don d’Urquijo vom Miniſterium hatte abtreten müſſen. Ich meinerſeits war bemüht, dieſe ſich nie verleugnende Freundlichkeit zu erwidern. Ich übergab während meines Aufenthaltes in Amerika den Statthaltern der Provinzen Abſchriften des von mir geſammelten Materials über die Geographie und Statiſtik der Kolonieen, das dem Mutterlande von einigem Wert ſein konnte. Dem von mir vor meiner Abreiſe gegebenen Verſprechen gemäß übermachte ich dem naturhiſtoriſchen Kabinett zu Madrid mehrere geologiſche Samm- lungen. Da der Zweck unſerer Reiſe ein rein wiſſenſchaftlicher war, ſo hatten Bonpland und ich das Glück, uns das Wohl- wollen der Koloniſten wie der mit der Verwaltung dieſer weiten Landſtriche betrauten Europäer zu erwerben. In den fünf Jahren, während deren wir den neuen Kontinent durch- zogen, ſind wir niemals einer Spur von Mißtrauen begegnet. Mit Freude ſpreche ich es hier aus: unter den härteſten Ent- behrungen, im Kampfe mit einer wilden Natur haben wir uns nie über menſchliche Ungerechtigkeit zu beklagen gehabt. Verſchiedene Gründe hätten uns eigentlich bewegen ſollen, noch länger in Spanien zu verweilen. Abbé Cavanilles, ein Mann gleich geiſtreich wie mannigfaltig unterrichtet, Née, der mit Hänke die Expedition Malaſpinas als Botaniker mit- gemacht und allein eine der größten Kräuterſammlungen, die man je in Europa geſehen, zuſammengebracht hat, Don Caſimir Ortega, Abbé Pourret und die gelehrten Verfaſſer der Flora von Peru, Ruiz und Papon, ſtellten uns ihre reichen Samm- lungen zur unbeſchränkten Verfügung. Wir unterſuchten zum Teil die mexikaniſchen Pflanzen, die von Seſſe, Mociño und Cervantes entdeckt worden, und von denen Abbildungen an das naturhiſtoriſche Muſeum zu Madrid gelangt waren. In dieſer großen Anſtalt, die unter der Leitung Clavijos ſtand, des Herausgebers einer gefälligen Ueberſetzung der Werke Buffons, fanden wir allerdings keine geologiſchen Suiten aus den Kordilleren; aber Prouſt, der ſich durch die große Ge- nauigkeit ſeiner chemiſchen Arbeiten bekannt gemacht hat, und ein ausgezeichneter Mineralog, Hergen, gaben uns intereſſante Nachweiſungen über verſchiedene mineraliſche Subſtanzen Ameri- kas. Mit bedeutendem Nutzen hätten wir uns wohl noch länger mit den Naturprodukten der Länder beſchäftigt, die das Ziel unſerer Forſchungen waren, aber es drängte uns zu

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859/27>, abgerufen am 20.04.2024.