Schiffe, die nach der Mündung des La Plata steuern, nicht gern nahe kommen, der allgemeine Zug der Wasser durch eine besondere Strömung maskiert ist. Letztere Strömung ist vom Kap St. Roch bis zur Insel Trinidad fühlbar, sie ist gegen Nordwest gerichtet mit einer Geschwindigkeit von 32 bis 48 cm in der Sekunde.
Der Aequinoktialstrom ist, wenn auch schwach, sogar jen- seits des Wendekreises des Krebses unter 26 und 28° der Breite fühlbar. Im weiten Becken des Atlantischen Ozeans, 3150 bis 3600 km von der afrikanischen Küste, beschleunigt sich der Lauf der europäischen Schiffe, welche nach den An- tillen gehen, ehe sie in die heiße Zone gelangen. Weiter gegen Nord, unter dem 18. bis 35. Grad, zwischen den Pa- rallelkreisen von Tenerifa und Ceuta, unter 46 und 48° der Länge, bemerkt man keine konstante Bewegung; denn eine 655 km breite Zone trennt den Aequinoktialstrom, der nach West geht, von der großen Wassermasse, die nach Ost strömt und sich durch auffallend hohe Temperatur auszeichnet. Auf diese Wassermasse, bekannt unter dem Namen Golfstrom (Gulf-stream), sind die Physiker seit 1776 durch Franklins und Sir Charles Blagdens schöne Beobachtungen aufmerksam geworden. Da in neuerer Zeit amerikanische und englische Seefahrer eifrig bemüht sind, die Richtung desselben zu er- mitteln, so müssen wir weiter ausholen, um einen allgemeinen Gesichtspunkt für das Phänomen zu gewinnen.
Der Aequinoktialstrom treibt die Wasser des Atlantischen Ozeans an die Küsten der Moskitoindianer und von Hon- duras. Der von Süd nach Nord gestreckte neue Kontinent hält diese Strömung auf wie ein Damm. Die Gewässer er- halten zuerst die Richtung nach Nordwest, gelangen durch die Meerenge zwischen Kap Catoche und Kap St. Antonio in den Meerbusen von Mexiko, und folgen den Krümmungen der mexikanischen Küste von Veracruz zur Mündung des Rio del Norte, und von da zur Mündung des Mississippi und den Untiefen westwärts von der Ostspitze von Florida. Nach dieser großen Drehung nach West, Nord, Ost und Süd nimmt die Strömung wieder die Richtung nach Nord und drängt sich mit Ungestüm in den Kanal von Bahama. Dort habe ich im Mai 1804, unter 26 und 27° der Breite, eine Ge- schwindigkeit von 360 km in 24 Stunden, also von 1,60 m in der Sekunde beobachtet, obgleich gerade ein sehr starker Nordwind wehte. Beim Ausgang des Kanals von Bahama,
Schiffe, die nach der Mündung des La Plata ſteuern, nicht gern nahe kommen, der allgemeine Zug der Waſſer durch eine beſondere Strömung maskiert iſt. Letztere Strömung iſt vom Kap St. Roch bis zur Inſel Trinidad fühlbar, ſie iſt gegen Nordweſt gerichtet mit einer Geſchwindigkeit von 32 bis 48 cm in der Sekunde.
Der Aequinoktialſtrom iſt, wenn auch ſchwach, ſogar jen- ſeits des Wendekreiſes des Krebſes unter 26 und 28° der Breite fühlbar. Im weiten Becken des Atlantiſchen Ozeans, 3150 bis 3600 km von der afrikaniſchen Küſte, beſchleunigt ſich der Lauf der europäiſchen Schiffe, welche nach den An- tillen gehen, ehe ſie in die heiße Zone gelangen. Weiter gegen Nord, unter dem 18. bis 35. Grad, zwiſchen den Pa- rallelkreiſen von Tenerifa und Ceuta, unter 46 und 48° der Länge, bemerkt man keine konſtante Bewegung; denn eine 655 km breite Zone trennt den Aequinoktialſtrom, der nach Weſt geht, von der großen Waſſermaſſe, die nach Oſt ſtrömt und ſich durch auffallend hohe Temperatur auszeichnet. Auf dieſe Waſſermaſſe, bekannt unter dem Namen Golfſtrom (Gulf-stream), ſind die Phyſiker ſeit 1776 durch Franklins und Sir Charles Blagdens ſchöne Beobachtungen aufmerkſam geworden. Da in neuerer Zeit amerikaniſche und engliſche Seefahrer eifrig bemüht ſind, die Richtung desſelben zu er- mitteln, ſo müſſen wir weiter ausholen, um einen allgemeinen Geſichtspunkt für das Phänomen zu gewinnen.
Der Aequinoktialſtrom treibt die Waſſer des Atlantiſchen Ozeans an die Küſten der Moskitoindianer und von Hon- duras. Der von Süd nach Nord geſtreckte neue Kontinent hält dieſe Strömung auf wie ein Damm. Die Gewäſſer er- halten zuerſt die Richtung nach Nordweſt, gelangen durch die Meerenge zwiſchen Kap Catoche und Kap St. Antonio in den Meerbuſen von Mexiko, und folgen den Krümmungen der mexikaniſchen Küſte von Veracruz zur Mündung des Rio del Norte, und von da zur Mündung des Miſſiſſippi und den Untiefen weſtwärts von der Oſtſpitze von Florida. Nach dieſer großen Drehung nach Weſt, Nord, Oſt und Süd nimmt die Strömung wieder die Richtung nach Nord und drängt ſich mit Ungeſtüm in den Kanal von Bahama. Dort habe ich im Mai 1804, unter 26 und 27° der Breite, eine Ge- ſchwindigkeit von 360 km in 24 Stunden, alſo von 1,60 m in der Sekunde beobachtet, obgleich gerade ein ſehr ſtarker Nordwind wehte. Beim Ausgang des Kanals von Bahama,
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Schiffe, die nach der Mündung des La Plata ſteuern, nicht
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eine beſondere Strömung maskiert iſt. Letztere Strömung iſt
vom Kap St. Roch bis zur Inſel Trinidad fühlbar, ſie iſt
gegen Nordweſt gerichtet mit einer Geſchwindigkeit von 32 bis
48 cm in der Sekunde.
Der Aequinoktialſtrom iſt, wenn auch ſchwach, ſogar jen-
ſeits des Wendekreiſes des Krebſes unter 26 und 28° der
Breite fühlbar. Im weiten Becken des Atlantiſchen Ozeans,
3150 bis 3600 km von der afrikaniſchen Küſte, beſchleunigt
ſich der Lauf der europäiſchen Schiffe, welche nach den An-
tillen gehen, ehe ſie in die heiße Zone gelangen. Weiter
gegen Nord, unter dem 18. bis 35. Grad, zwiſchen den Pa-
rallelkreiſen von Tenerifa und Ceuta, unter 46 und 48° der
Länge, bemerkt man keine konſtante Bewegung; denn eine
655 km breite Zone trennt den Aequinoktialſtrom, der nach
Weſt geht, von der großen Waſſermaſſe, die nach Oſt ſtrömt
und ſich durch auffallend hohe Temperatur auszeichnet. Auf
dieſe Waſſermaſſe, bekannt unter dem Namen Golfſtrom
(Gulf-stream), ſind die Phyſiker ſeit 1776 durch Franklins
und Sir Charles Blagdens ſchöne Beobachtungen aufmerkſam
geworden. Da in neuerer Zeit amerikaniſche und engliſche
Seefahrer eifrig bemüht ſind, die Richtung desſelben zu er-
mitteln, ſo müſſen wir weiter ausholen, um einen allgemeinen
Geſichtspunkt für das Phänomen zu gewinnen.
Der Aequinoktialſtrom treibt die Waſſer des Atlantiſchen
Ozeans an die Küſten der Moskitoindianer und von Hon-
duras. Der von Süd nach Nord geſtreckte neue Kontinent
hält dieſe Strömung auf wie ein Damm. Die Gewäſſer er-
halten zuerſt die Richtung nach Nordweſt, gelangen durch die
Meerenge zwiſchen Kap Catoche und Kap St. Antonio in den
Meerbuſen von Mexiko, und folgen den Krümmungen der
mexikaniſchen Küſte von Veracruz zur Mündung des Rio
del Norte, und von da zur Mündung des Miſſiſſippi und
den Untiefen weſtwärts von der Oſtſpitze von Florida. Nach
dieſer großen Drehung nach Weſt, Nord, Oſt und Süd nimmt
die Strömung wieder die Richtung nach Nord und drängt
ſich mit Ungeſtüm in den Kanal von Bahama. Dort habe
ich im Mai 1804, unter 26 und 27° der Breite, eine Ge-
ſchwindigkeit von 360 km in 24 Stunden, alſo von 1,60 m
in der Sekunde beobachtet, obgleich gerade ein ſehr ſtarker
Nordwind wehte. Beim Ausgang des Kanals von Bahama,
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859/40>, abgerufen am 27.06.2022.
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