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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.

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Die Nordwinde und die Strömungen kühlen nach und nach
das Wasser ab, selbst wo die See sehr tief ist. Südwärts
vom Kap Corrientes unter 20° 43' der Breite fand ich die
Temperatur des Meeres an der Oberfläche 24,6°, die der
Luft 19,8°. Manche amerikanische Schiffer versichern, zwischen
den Bahamainseln merken sie oft, wenn sie in der Kajüte
sitzen, ob sie sich über Untiefen befinden; sie behaupten, die
Lichter bekommen kleine Höfe in den Regenbogenfarben und
die ausgeatmete Luft verdichte sich zu sichtbarem Dunst. Letz-
teres Faktum ist denn doch wohl zu bezweifeln; unterhalb
dem 30. Grad der Breite ist die Erkältung durch das Wasser
der Untiefen nicht bedeutend genug, um diese Erscheinung
hervorzubringen. Während wir über die Bank Vibora liefen,
war der Zustand der Luft ganz anders, als gleich nachdem
wir sie verlassen hatten. Der Regen hielt sich innerhalb der
Grenzen der Bank, und wir konnten von ferne ihren Umriß
an den Dunstmassen erkennen, die darauf lagerten.

Am 9. Dezember. Je näher wir den Kaimanseilanden 1
kamen, desto stärker wurde wieder der Nordostwind. Trotz
des stürmischen Wetters konnte ich einige Sonnenhöhen auf-
nehmen, als wir uns auf 22 km Entfernung im Meridian des
Gran-Kaiman, der mit Kokosbäumen bewachsen ist, zu befinden
glaubten. Ich habe anderswo die Lage des Gran-Kaiman
und der beiden Eilande ostwärts von demselben erörtert.
Seit lange sind diese Punkte auf unseren hydrographischen
Karten sehr unsicher, und ich fürchte, nicht glücklicher gewesen
zu sein als andere Beobachter, die ihre wahre Lage ausge-
macht zu haben glaubten. Die schönen Karten des Deposito
zu Madrid gaben dem Ostkap von Gran-Kaiman zu verschie-
denen Zeiten 82° 58' (von 1795 bis 1804), 83° 43' (1809),
wieder 82° 59' (1821). Letztere Angabe, die auf der Karte
von Barcaiztegui aufgenommen ist, stimmt mit der überein,
bei der ich stehen geblieben war; aber nach der Versicherung
eines ausgezeichneten Seefahrers, des Kontreadmirals Roussin,
dem man eine ausgezeichnete Arbeit über die Küsten von
Brasilien verdankt, scheint es jetzt ausgemacht, daß das west-
liche Vorgebirge von Gran-Kaiman unter 83° 45' der Länge
liegt.


1 Christoph Kolumbus hatte im Jahre 1503 den Kaimans-
eilanden den Namen Penascales de las tortugas gegeben, wegen
der Seeschildkröten, die er in diesem Striche schwimmen sah.

Die Nordwinde und die Strömungen kühlen nach und nach
das Waſſer ab, ſelbſt wo die See ſehr tief iſt. Südwärts
vom Kap Corrientes unter 20° 43′ der Breite fand ich die
Temperatur des Meeres an der Oberfläche 24,6°, die der
Luft 19,8°. Manche amerikaniſche Schiffer verſichern, zwiſchen
den Bahamainſeln merken ſie oft, wenn ſie in der Kajüte
ſitzen, ob ſie ſich über Untiefen befinden; ſie behaupten, die
Lichter bekommen kleine Höfe in den Regenbogenfarben und
die ausgeatmete Luft verdichte ſich zu ſichtbarem Dunſt. Letz-
teres Faktum iſt denn doch wohl zu bezweifeln; unterhalb
dem 30. Grad der Breite iſt die Erkältung durch das Waſſer
der Untiefen nicht bedeutend genug, um dieſe Erſcheinung
hervorzubringen. Während wir über die Bank Vibora liefen,
war der Zuſtand der Luft ganz anders, als gleich nachdem
wir ſie verlaſſen hatten. Der Regen hielt ſich innerhalb der
Grenzen der Bank, und wir konnten von ferne ihren Umriß
an den Dunſtmaſſen erkennen, die darauf lagerten.

Am 9. Dezember. Je näher wir den Kaimanseilanden 1
kamen, deſto ſtärker wurde wieder der Nordoſtwind. Trotz
des ſtürmiſchen Wetters konnte ich einige Sonnenhöhen auf-
nehmen, als wir uns auf 22 km Entfernung im Meridian des
Gran-Kaiman, der mit Kokosbäumen bewachſen iſt, zu befinden
glaubten. Ich habe anderswo die Lage des Gran-Kaiman
und der beiden Eilande oſtwärts von demſelben erörtert.
Seit lange ſind dieſe Punkte auf unſeren hydrographiſchen
Karten ſehr unſicher, und ich fürchte, nicht glücklicher geweſen
zu ſein als andere Beobachter, die ihre wahre Lage ausge-
macht zu haben glaubten. Die ſchönen Karten des Depoſito
zu Madrid gaben dem Oſtkap von Gran-Kaiman zu verſchie-
denen Zeiten 82° 58′ (von 1795 bis 1804), 83° 43′ (1809),
wieder 82° 59′ (1821). Letztere Angabe, die auf der Karte
von Barcaiztegui aufgenommen iſt, ſtimmt mit der überein,
bei der ich ſtehen geblieben war; aber nach der Verſicherung
eines ausgezeichneten Seefahrers, des Kontreadmirals Rouſſin,
dem man eine ausgezeichnete Arbeit über die Küſten von
Braſilien verdankt, ſcheint es jetzt ausgemacht, daß das weſt-
liche Vorgebirge von Gran-Kaiman unter 83° 45′ der Länge
liegt.


1 Chriſtoph Kolumbus hatte im Jahre 1503 den Kaimans-
eilanden den Namen Penascales de las tortugas gegeben, wegen
der Seeſchildkröten, die er in dieſem Striche ſchwimmen ſah.
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[300/0308] Die Nordwinde und die Strömungen kühlen nach und nach das Waſſer ab, ſelbſt wo die See ſehr tief iſt. Südwärts vom Kap Corrientes unter 20° 43′ der Breite fand ich die Temperatur des Meeres an der Oberfläche 24,6°, die der Luft 19,8°. Manche amerikaniſche Schiffer verſichern, zwiſchen den Bahamainſeln merken ſie oft, wenn ſie in der Kajüte ſitzen, ob ſie ſich über Untiefen befinden; ſie behaupten, die Lichter bekommen kleine Höfe in den Regenbogenfarben und die ausgeatmete Luft verdichte ſich zu ſichtbarem Dunſt. Letz- teres Faktum iſt denn doch wohl zu bezweifeln; unterhalb dem 30. Grad der Breite iſt die Erkältung durch das Waſſer der Untiefen nicht bedeutend genug, um dieſe Erſcheinung hervorzubringen. Während wir über die Bank Vibora liefen, war der Zuſtand der Luft ganz anders, als gleich nachdem wir ſie verlaſſen hatten. Der Regen hielt ſich innerhalb der Grenzen der Bank, und wir konnten von ferne ihren Umriß an den Dunſtmaſſen erkennen, die darauf lagerten. Am 9. Dezember. Je näher wir den Kaimanseilanden 1 kamen, deſto ſtärker wurde wieder der Nordoſtwind. Trotz des ſtürmiſchen Wetters konnte ich einige Sonnenhöhen auf- nehmen, als wir uns auf 22 km Entfernung im Meridian des Gran-Kaiman, der mit Kokosbäumen bewachſen iſt, zu befinden glaubten. Ich habe anderswo die Lage des Gran-Kaiman und der beiden Eilande oſtwärts von demſelben erörtert. Seit lange ſind dieſe Punkte auf unſeren hydrographiſchen Karten ſehr unſicher, und ich fürchte, nicht glücklicher geweſen zu ſein als andere Beobachter, die ihre wahre Lage ausge- macht zu haben glaubten. Die ſchönen Karten des Depoſito zu Madrid gaben dem Oſtkap von Gran-Kaiman zu verſchie- denen Zeiten 82° 58′ (von 1795 bis 1804), 83° 43′ (1809), wieder 82° 59′ (1821). Letztere Angabe, die auf der Karte von Barcaiztegui aufgenommen iſt, ſtimmt mit der überein, bei der ich ſtehen geblieben war; aber nach der Verſicherung eines ausgezeichneten Seefahrers, des Kontreadmirals Rouſſin, dem man eine ausgezeichnete Arbeit über die Küſten von Braſilien verdankt, ſcheint es jetzt ausgemacht, daß das weſt- liche Vorgebirge von Gran-Kaiman unter 83° 45′ der Länge liegt. 1 Chriſtoph Kolumbus hatte im Jahre 1503 den Kaimans- eilanden den Namen Penascales de las tortugas gegeben, wegen der Seeſchildkröten, die er in dieſem Striche ſchwimmen ſah.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/308>, abgerufen am 29.03.2024.